der gewalttätig mit dem Kirchengut geschaltet hatte, um seine Gefolgsleute belohnen zu können, mit scheuer Abneigung. Winfried ließ sich einen Schutzbrief von ihm ausstellen, da er einsah, daß sich ein solcher in strahlenden Taten ausgeprägter Ruhm nicht übersehen ließ und daß es klüger sei, ihn zur Befestigung der eigenen Stellung zu benützen; aber die beiden Großen waren zu anders geartet und hatten zu verschiedene Wege vorgeschaut, als daß sie sich freundschaftlich hätten berühren können. Wenn Winfried den Hof mied, tat er es sicher nicht, um den Verführungen auszuweichen, die für ihn keine waren, sondern um als ein Herr nicht dem Herrscher begegnen zu müssen, der sich als den Höheren betrachtet hätte, und der sicher der Mächtigere war. Als lange nach Winfrieds Tode seine Freundin Lioba einer dringenden Einladung der Kaiserin Hildegard folgte, bat die Äbtissin ihre freundliche Gastgeberin, indem sie sie unter Tränen umarmte, sie sofort wieder zu entlassen; so sehr wirkte Winfrieds Verhältnis zu den fränkischen Herrschern im Herzen der ihm Ergebenen nach. Ausschalten ließ sich die Mitwirkung der Herrscher bei den kirchlichen Dingen nicht, sie beriefen die ersten großen Synoden, die auf Anregung des Bonifatius stattfanden. Als auf einer Synode des Jahres 747 die anwesenden Bischöfe und Geistlichen die Metropolitanverfassung annahmen, eine Urkunde über den orthodoxen Glauben ausstellten und sie dem Papst übersandten, konnte er sein Ziel als erreicht betrachten. Die Einheit der Kirche im Aufbau und im Glauben unter dem Papst war hergestellt.
Trotzdem war der stolze Mann nicht befriedigt. Tiefe Traurigkeit lastete oft auf ihm wie ein körperlicher Schatten. Er fühlte sich im Bezirk seiner Wirksamkeit in der Fremde, angefeindet, nicht richtig gewertet. Sein Wunsch, das Erzbistum Köln zu erlangen, wo er den Friesen nahe gewesen wäre, wurde ihm nicht erfüllt, weil die dortige hohe Geistlichkeit ihn ablehnte, anstatt dessen bekam er Mainz, das er nicht gewollt hatte. Mehr hing sein Herz an dem Kloster Fulda, das er selbst gegründet und dem Papst unmittelbar unterstellt hatte, womit jede Möglichkeit königlicher Eingriffe ausgeschaltet war. In dieser Anstalt sollte die strenge Regel des heiligen Benedikt herrschen, nach welcher das Kloster einen selbständigen Wirtschaftsbezirk zu bilden hatte, wo alle erforderliche Arbeit von den Klosterbrüdern selbst, ohne Hilfe dienender Laien geleistet würde. Der Ort, wo später das Kloster Hersfeld entstand, den Winfrieds Schüler Sturm zuerst ausgewählt hatte, erschien ungeeignet, weil zu nah am heidnischen Gebiet gelegen; so wanderte der Abgesandte weiter durch sommerliche Buchenwälder, bis ihn eines Tages ein Tal von besonderer Lieblichkeit fesselte. Da war der Boden wie eine Wiege gestaltet, die den Menschen hegend umfassen will, und Hügel und sanfte Bergkuppen zogen einen schützenden Ring darum; da führte ein geselliger Fluß das klare Wasser herbei, das fast wie die Luft zur Erhaltung des Lebens notwendig ist, da gab es außer dem Holz der Wälder Basalt und Sandstein als Material zum Bau des Gotteshauses. Nachdem Karlmann, damals noch Regent in Oberhessen, das gewünschte Gebiet geschenkt hatte, wurde die Errichtung des Klosters in Angriff genommen. Von einem Hügel herab sah Winfried, alternd und zuweilen der unbequemen Reisen, der bitteren Kämpfe und der eigenen Leidenschaften müde geworden, den emsigen Männern zu und dem Erwachsen des kleinen Reiches, wo er für eine Zeitlang wenigstens Zuflucht und Heimat und bald vielleicht die ewige Ruhe finden würde. Von der alten Kirche und dem alten Kloster, die seine Augen sahen, ist nichts übriggeblieben, das festliche Barock des heutigen Doms ist unendlich fern von dem ernsten, glühenden, weltüberwindenden Geist der Stifter des ersten. Einzig die karolingische Rotunde der Michaeliskirche, einsamer Fremdling, der in unverständlicher Zunge redet, hat eine Spur davon erhalten.
Als Winfried etwa siebzig Jahre alt war, körperlich sehr hinfällig, mit schneeweißem Haare, so schildert ihn einer, der ihn damals sah, ergriff ihn wieder der Wunsch seiner Jugend, den Friesen das Wort Gottes zu predigen. Er hatte damals den Plan zugunsten eines anderen aufgegeben, aber es scheint, daß er ihn nie aus den Augen verloren hatte. Vielleicht betrachtete er die Friesen als einen besonders nahverwandten Stamm und ihr Land als seinem Volke besonders zugehörig; denn von dort sollen die Angelsachsen ausgezogen sein, um Britannien zu erobern, worauf die Friesen in das verlassene Gebiet eindrangen. Damals hatte er eben das Mannesalter erreicht, und sein Werk lag vor ihm, er wollte das Leben erhalten, das seinem Werke geweiht war; jetzt war es anders. Sein Werk war getan und sollte gekrönt werden durch den Märtyrertod. Die, welche die Nachfolge des Herrn gelobt hatten, sehnten sich danach, zu sterben wie er, gleichsam mit ihm, wie Gefolgsleute mit ihrem Herzog. Trotzdem zog er nicht aus wie ein einfacher Glaubensbote, der mit keinem anderen Schild als seinem Glauben sich in den Rachen der Hölle wagt; sondern er reiste als der Kirchenfürst, der Legat des Papstes, umgeben von einem zahlreichen bewaffneten Gefolge, mit allerlei Reisegepäck, auch Büchern, als der höchste Geistliche Germaniens, der sich einer entfernten, noch unsicheren Gemeinde zeigen will. Zugleich aber, entsprechend der zwiefachen Richtung seines Geistes, schickte er sich an wie zum gewissen Tode, als wisse er, daß der Tod seit dem Anfang seines Lebens dort an der friesischen Küste stände und ihn erwartete. Bevor er abreiste, nahm er in Mainz Abschied von seinen Getreuen und ließ auch Lioba kommen, um sie noch einmal zu sehen und seinen Freunden zu empfehlen. Er traf die Bestimmung, daß er in Fulda bestattet sein wolle, und daß, wenn Lioba einst gestorben sein würde, ihr Leichnam zu dem seinigen in seinen Sarg gelegt werde. Die er im Leben sich ferngehalten hatte, getreu dem strengen Gebot, dem er sich unterstellt hatte, riß er im Tode an sich, in seinem herrischen Sinn sicher, daß sie so oder so die Seine war, ihm folgend in der Entsagung, ihm folgend im besten Eins werden der Liebe. Dies Hervorflammen einer ein Leben lang zurückgehaltenen Leidenschaft mochte für die Jünger des alten Mannes etwas Erschreckendes haben; sie schwiegen, aber sie getrauten sich nicht, als Lioba gestorben war, seinen Befehl auszuführen. Jedoch hielten sie die zarte Freundin des Heiligen so hoch, daß ihr als der einzigen Frau gestattet wurde, im Kloster Fulda als Gast empfangen zu werden. Sie wurde auf dem Petersberge beigesetzt; während Winfrieds Leiche, wie ungern auch Mainz auf die Überreste seines großen Erzbischofs verzichtete, seinem Willen entsprechend nach Fulda überführt und in der Kirche des Klosters bestattet wurde. Die Bibliothek bewahrt das aus dem Domschatz übernommene Buch auf, mit dem Bonifatius in unwillkürlicher Bewegung wie mit einem Schild den Streich des Mörders abzuwehren suchte, und das die Spuren des ihm geltenden Schwerthiebes trägt.
Denn der Erzbischof fand mit 52 Begleitern den ersehnten Tod; es war, als wenn der Himmel, der dem ordnenden Herrscher beigestanden hatte, auch seinen Opfermut bestätigen wollte. Die Sonne eines heiteren Sommermorgens war eben aufgegangen, und Bonifatius erwartete bei seinen Zelten friesische Christen zur Firmung, als eine Schar friesischer Männer die Fremden überfiel, wahrscheinlich mehr von Raublust als von Glaubenshaß angetrieben. Eine Frau berichtete später, daß sie gesehen habe, wie der Erzbischof, den Arm mit dem Buch erhoben, den Todesstreich empfing.
Die ersten Karolinger und die Päpste
Bei der Bekämpfung der Araber hatte Karl Martell die Langobarden zu Bundesgenossen. Die guten Beziehungen zu diesem germanischen Volke zu pflegen war natürlich, und Karl hielt an der langobardenfreundlichen Politik auch dann fest, als sich ihm Gelegenheit bot, eine entgegengesetzte zu verfolgen. Es geschah nämlich, daß der Langobardenkönig Aistulf den großen Gedanken faßte, seine Herrschaft über ganz Italien auszubreiten, von dem außer Rom nur ein Zipfel im Süden und Venedig im Nordosten mehr dem Namen nach als tatsächlich noch zum Oströmischen Reich gehörten. Er eroberte Ravenna und machte sich dadurch den römischen Papst zum Feinde, der sich als Herr Roms und als solcher, wenn er es auch nicht aussprach, als Herr Italiens fühlte. Nachdem die letzten Kaiser Rom aufgegeben hatten, übernahmen die Bischöfe von Rom den Schutz der Ewigen Stadt, und ihre kirchliche Stellung, ihr sittliches Übergewicht wuchsen unmerklich mit der Seele der Weltherrscherin zusammen. Nicht alle Päpste waren sich dessen bewußt, und nicht alle konnten den Anspruch, den das Bewußtsein verlieh, vertreten; aber es war eine Tatsache, die sich immer geltend machte: weil sie Rom innehatten, mußten sie Nachfolger der römischen Cäsaren sein, weil sie das Haupt der Kirche waren, die die Welt umfassen sollte, mußten sie das Reich bis zu den Grenzen der bewohnten Erde auszudehnen suchen; aus einem zwiefachen Grunde mußten sie sich zu Herren der Welt bestimmt glauben. Ein ungeheures Herrscherbewußtsein war die Schicksalsgabe von Männern, die als Kirchenhäupter nicht nur keine weltliche Macht besaßen, sondern weltliche Macht geringschätzten, mit dem Wort allein Führer der Seelen