in die Stellung eines dem König untergeordneten Bischofs herabgedrückt werden. Wie sollte er sich der herandrängenden Gefahr erwehren? Zwei christliche Mächte kamen in Betracht: der Kaiser in Byzanz, der als Nachfolger der römischen Kaiser Ansprüche auf Italien hatte, und der König des fränkischen Reiches. Zu der Zeit, als Gregor der Große zwischen den Schwertern der Langobarden lebte, wie er selbst sagte, wurde die Oberherrschaft des Kaisers von Byzanz noch anerkannt, eine Lockerung trat durch einen Zwiespalt in der Lehre ein, indem in Byzanz der Bilderdienst verboten wurde, während zwar Gregor die Anbetung der Bilder verwarf, sie aber zur Belehrung des Volkes behalten wollte. Nicht nur dieser Gegensatz jedoch, sondern gerade der zu Recht bestehende Herrschaftsanspruch der oströmischen Kaiser bewog die Päpste, den Schutz der Franken vorzuziehen: sie schienen eher in der Lage, Rom zu helfen, aber weniger in der Lage, Rom zu beherrschen. Nicht zwar an die ohnmächtigen Merowinger, die die Königskrone trugen, wandte sich Gregor III., sondern an den mächtigen Hausmeier Karl Martell mit der Bitte, ihm Schutz gegen die Langobarden zu gewähren, wogegen er ihm versprach, ihn zum römischen Konsul zu machen, eine Würde, mit der die Schutzherrschaft über Rom verbunden war. Trotz der wiederholten inständigen Bitten Gregors zog Karl, wie es scheint ohne Besinnen, das Bündnis mit den Langobarden der Freundschaft mit dem Papst vor, durchaus ein Mann der Tat, der die naheliegenden Aufgaben kühn und großartig vollbrachte, den keine innere Beziehung mit der Kirche verband. Anders waren seine Söhne Pipin und Karlmann; sie waren von Kirchenmännern erzogen, und ihr Interesse umspannte weitere Gebiete. Beide waren liebenswürdige und hervorragende Persönlichkeiten, Karlmann leichter vom Gefühl hingerissen, Pipin besonnener, tatkräftig, großmütig, ein sympathischer Mensch und schöpferischer Staatsmann. Vor dieselbe Frage gestellt wie sein Vater, entschied er im entgegengesetzten Sinn. Der erste Schritt zu einer engeren Beziehung zum Papst ging von ihm aus, indem er zwei Gesandte, den Bischof Bernhard von Würzburg und den Abt Fulrad von St. Denys, nach Rom schickte, damit ihn Papst Zacharias, ein kluger Grieche, zur Führung des Königstitels berechtigt erkläre. Man könnte meinen, die förmliche Richtigstellung eines Verhältnisses, das große Taten begründet hatten, hätte keines päpstlichen Gutachtens bedurft; allein abgesehen davon, daß Pipin die Eifersucht, den Neid und die Treulosigkeit seiner Großen kannte, liegt es im Menschen, daß er das Bedürfnis hat, sich und sein Dasein nicht nur auf die eigene Kraft und Gewalt, sondern auf einen Rechtsgrund zu stützen und mit der Vergangenheit zu verbinden. Der Gläubige wie der Ungläubige, sie wollen nicht nur besitzen, sondern mit Recht besitzen, der Unterliegende fühlt sich noch als Sieger, wenn er sich als Vertreter des Rechtes, einer höheren Entscheidung in einer anderen Region betrachten kann. Einen weltlichen Herrn konnte Pipin als Schiedsrichter nicht gelten lassen; aber das Urteil des römischen Bischofs, des Hauptes der christlichen Kirche würde allgemein als Gottesurteil aufgefaßt werden. Doch wurde die Antwort des Zacharias, es sei billig, daß derjenige, der die Macht habe, auch den Königstitel führe, und Pipin sei deshalb als König zu krönen, nur als ein für Pipins Gewissen wichtiges Gutachten angesehen und als eine Weisung an die fränkische Geistlichkeit, die als Großgrundbesitzer von ausschlaggebender Bedeutung war; die Königswahl fand nach alter germanischer Sitte durch das Heer statt. Danach wurde Pipin in Soissons von den Bischöfen gesalbt; man nimmt an, daß Bonifatius dabei tätig war.
Papst Zacharias stand in guten Beziehungen zu den Langobarden; nach seinem Tode griff Aistulf den Plan der Eroberung Italiens wieder auf und nahm Ravenna ein. Papst Stephan II. wandte sich zuerst brieflich an Pipin und trat dann die Reise über die Alpen an, um als Schutzflehender vor dem König zu erscheinen, eine Reise, die doppelt schwierig war, weil sie durch das feindliche langobardische Gebiet ging. Pipin war entschlossen, den ihm vom Papst gewiesenen Weg einzuschlagen; aber er stand damit ziemlich allein. Unvergessen war seines Vaters langobardenfreundliche Politik, daran wollten nicht nur viele fränkische Große, sondern auch Pipins Frau, die Königin Bertrada, und sein Bruder Karlmann festhalten. Karlmann hatte die Regierung schon seit mehreren Jahren niedergelegt, war nach Rom gegangen und Mönch geworden; man nimmt an, daß er im Kloster durch ein Mitglied der königlichen Familie für die Langobarden gewonnen war. Die Sache war ihm so wichtig, daß er über die Alpen ging, um Pipin persönlich zu beeinflussen. Trotz so vieler und gewichtiger Gegenwirkungen beharrte Pipin auf seinem Willen: er empfing Stephan ehrenvoll, ließ sich, seine Frau und seine Söhne von ihm salben und versprach ihm Schutz nicht nur in seiner augenblicklichen Notlage, sondern auch für künftige Zeiten. Stephan verlieh ihm den Titel eines Patricius Romanorum, den der König seitdem führte. Auf seinem Wege nach Italien nahm Pipin seine Frau und seinen Bruder mit sich bis Vienne, wo er sie zurückließ, und wo Karlmann im folgenden Jahre starb. Pipin belagerte Aistulf in seiner Hauptstadt Pavia und zwang ihn, auf Ravenna und die sogenannte Pentapolis, fünf Städte von Rimini bis Ancona, zu verzichten; als Aistulf bald darauf seinen Angriff auf das päpstliche Gebiet erneuerte, wiederholte er seinen Kriegszug mit Erfolg. Die Schlüssel der zurückeroberten Städte, die den päpstlichen Dukat ausmachten, ließ Pipin am Grabe des heiligen Petrus niederlegen zugleich mit einer Urkunde, in welcher er seinem Versprechen gemäß die Schenkung dieses Gebietes an den Heiligen Stuhl aussprach.
Dies bedeutungsvolle Ereignis fand zu der Zeit statt, als Bonifatius starb. Pipin nahm den Faden auf, den der Angelsachse angesponnen hatte, so daß nun staatlich und kirchlich das fränkische Reich in eine enge Verbindung mit Rom eingetreten war. Man kann nicht umhin, sich vorzustellen, daß es auch anders hätte kommen können, da ja die Entwicklung, die tatsächlich sich vollzog, durchaus nicht allgemein gefordert wurde, sondern, soweit sie persönlich bedingt war, hauptsächlich nur von zwei hervorragenden Männern getragen wurde. Wenn die Langobarden Italien zu einem Reich zusammengefaßt hätten, wie anders wäre das Schicksal Deutschlands, das Schicksal Italiens, das Schicksal Europas geworden. Man könnte sich denken, daß schon damals ein Gleichgewicht nationaler Staaten sich hätte herausbilden können; man könnte geneigt sein, die Niederlage der Langobarden, eines so reichbegabten edlen germanischen Stammes zu beklagen. Das Lied vom Römischen Weltreich ertönte lauter als die Stimmen der einzelnen Völker, es erfüllte das Abendland. Und läßt man die Ereignisse und Gestalten des Mittelalters an sich vorüberziehen, so zweifelt man nicht, daß die tatsächliche Entwicklung diejenige war, die der Menschheit gerade durch das tragische Verhältnis zwischen Papst und Kaiser, durch den übermenschlichen Umriß ihrer Ziele den reichsten Gehalt an großen Ideen und vorbildlichen Gestalten geben konnte.
Karl der Große
Nach Pipins Tode, der wie sein Vater jung starb, siegte noch einmal der politische Gedanke des Karl Martell, nämlich der Anschluß an die Langobarden. Bertrada reiste selbst nach Italien; und wenn sie auch Rom nicht mied, wo sie an den heiligen Stätten betete, so war doch ihr hauptsächlicher Zweck, die Vermählung ihres ältesten Sohnes mit einer Tochter des Langobardenkönigs Desiderius zu betreiben, die auch wirklich vollzogen wurde. Das festigte zugleich die Verbindung mit Bayern, da Thassilo, der Herzog von Bayern, mit einer Schwester der jungen Frau verheiratet war. Papst Stephan äußerte seinen Zorn über diese Wendung in einem Schreiben, das bald zähnefletschend grimmig, bald ölig milde den bombastischen Stil trägt, der in der Kanzlei der Kurie üblich wurde. Er bezeichnete die Verbindung Karls mit einer Langobardin als aus einer Einflüsterung des Teufels entstanden, von der Niedertracht selbst ausgeheckt, die Langobarden als ein stinkendes, aussätziges, treuloses Volk, ja überhaupt nicht einmal Volk. Wahnsinn sei es, wenn der edle König des ruhmvollen Frankenlandes sich durch eine solche Verbindung beflecke. Zum Schluß drohte er, wenn die Heirat trotz seiner Abmahnung zustande käme, dem Schuldigen mit dem Bannfluch, durch den er mitsamt den übrigen Gottlosen dem Teufel und dem ewigen Feuer zum Verbrennen überantwortet werden würde. Vielleicht war Karl von Anfang an gegen die eigene Überzeugung dem Willen der Mutter gefolgt, vielleicht besorgte er, was auch wirklich geschah, daß sich Papst und Langobarden nunmehr zu seinem Schaden miteinander verständigen würden: nach einjähriger Ehe schickte er dem Desiderius seine Tochter zurück, die vermutlich keine wärmere Neigung in ihm erweckt hatte. Aus dieser schroffen Tat hätten bedenkliche Verwicklungen innerhalb der Familie entstehen können, wenn nicht Karlmann, der wie einst sein gleichnamiger Oheim zu Bertrada hielt, plötzlich gestorben wäre, etwa zu gleicher Zeit auch Stephan. Seinem Nachfolger Hadrian I. wurde das widernatürliche Bündnis mit den Langobarden, das Stephan