ist auch schon mancherlei drin vorgefallen,« versetzte der Schuster, »aber das gehört in Spielberends Fach mehr als in meins. Ich habe die lustigen Geschichten lieber, und er die, wobei’s einem die Gänsehaut zusammenzieht.«
»Und solche Geschichten sind hier vorgefallen?«
»Er lügt wieder, der Schuster,« versetzte der Spielmann, »er lügt eben alles, was er sagt. Er hat noch von der Pfalzgrafenzeit her ein Privilegium darauf.«
»Wem aber gehört es denn, das alte Kastell hier, und weshalb ist’s so verfallen und verlassen?« fuhr der Deserteur fort.
»Ja, wem gehört’s! Claus Fettzünsler, weißt du’s?«
Claus Fettzünsler schüttelte den Kopf.
»Den Herren Franzosen wird’s wohl gehören,« sagte er, »denen gehört ja jetzt alles, was sie gebrauchen können.«
»Soviel ist wenigstens gewiß, wenn’s denen nicht gehörte, so würde es dem Herrn Ritterhausen oder der Mamsell Sibylle gehören,« sagte der Schuster, »Sie sollen gewaltig darüber ausgewesen sein, es zu kaufen, als der alte Herr von Huckarde den Hals gebrochen hatte und sein Sohn so plötzlich verschwunden war.«
»Den Hals gebrochen – plötzlich verschwunden,« fiel der Deserteur ein, »könnt Ihr denn nicht erzählen, wie das zugegangen ist? Mir deucht, es ist ebenso unterhaltend, wie Eure alten Klostergeschichten.«
»Wie es zugegangen ist – ja, Kamerad, um das zu erzählen, müßte man’s eben wissen,« sagte Fettzünsler.
»Und wißt Ihr’s auch nicht?« wandte sich Johannes an den Spielmann.
»Was ich davon weiß, will ich Euch sagen,« antwortete dieser. »Seht, es war ein alter Herr von Huckarde hier im Lande, der hatte hübsche Güter gehabt, und es waren immer angesehene, vornehme Leute gewesen, die Huckarde. Aber sie hatten wohl in alten Zeiten, schon zu Kurfürst Johann Wilhelms Tagen, immer mehr Geld gebraucht, als sie einnahmen, und waren auf diese Art in ihrem Wesen zurückgekommen. Unser Herr von Huckarde hatte dazu auch schlechte Zeiten erlebt, viel Mißwachs und Hagelschlag auf seinen Feldern und eine kränkliche Frau, die sich der Wirtschaft nicht annehmen konnte, und so war er immer tiefer hineingeraten und hatte endlich alle seine andern Güter verkauft, um herauszukommen, und nur die Rheider Burg, wo seine Voreltern seit undenklichen Jahren darauf gesessen, die hatte er behalten. Da wohnte er nun still und ruhig, wie er denn ein in sich gekehrter Mann war, der von Welt und Menschen nicht viel hielt und zufrieden war, wenn man ihn in Frieden ließ. Seine Frau starb hier in der Burg, und er war nun ganz allein mit seinem einzigen Sohne Robert, der ein wilder, kecker Junge war und ihm viel Geld kostete, solange er ihn auf Schulen und auf Reisen draußen hatte. Das ging aber nicht lange so fort! der Robert mußte heimkehren und schlug nun unserm Herrgott die liebe Zeit tot, hier bei dem Alten auf der Burg.
»Nun liegt dort unten am Wasser der Hammer, den Ihr wohl gesehen habt, der Rheider Hammer, der dem Herrn Ritterhausen gehört, und der Hammer ist gebaut auf Grund und Boden der Burg, in alten Zeiten schon. Der Hammer mußte auch alljährlich an den Herrn von Huckarde einen Kanon zahlen oder Grundgeld, wie man auch sagt, zehn Taler bergisch Geld.
»Als nun der Ritterhausen einmal hier oben bei dem alten Herrn ist, um seinen Kanon zu bezahlen, sagt ihm der von Huckarde: Mein lieber Ritterhausen, wie werden wir es nun halten, wenn die Hammerbesitzung, die Sie von uns in Erbpacht haben, mit Ablauf der nächsten Jahre pachtlos wird und an mich zurückfällt?
»Pachtlos wird? Zurückfällt? antwortet Ritterhausen verwundert. Sie irren sich, Herr von Huckarde, der Hammer ist mein und hat seit undenklichen Jahren meiner Familie gehört. Aber weil er in Olims Zeiten auf herrschaftlichem Grund und Boden erbaut ist, so zahlt er ein Grundgeld an die Burg, das ist alles.
»Der alte Herr aber schüttelt den Kopf und sagt: Nicht also, mein lieber Nachbar, ich kann Ihnen aus meinen Papieren beweisen, daß vor nunmehr beinahe hundert Jahren der Hammer den Ritterhausen in Pacht auf hundert Jahre gegeben ist. Ist die Zeit abgelaufen, so trete ich wieder in meine vollen Eigentumsrechte ein. Es versteht sich, daß ich Ihnen nicht die Besitzung zu entziehen gedenke, wir werden uns schon einigen darüber. Nur gedenke ich eine Pacht auf kurze Zeit eintreten zu lassen, und zehn Taler bergisch sind heutzutage kein billiger Satz für eine solche Besitzung mehr; dem werden Sie nicht widersprechen.
»Ueber diese Worte des Herrn aber wird mein Ritterhausen ganz rot vor Zorn im Gesicht und wehrt sich aus Leibeskräften dawider, daß sein Haus und Hof und Hammerwerk nicht sein eigen sein solle; und endlich gehen beide in Zorn auseinander. Ritterhausen geht sogleich zum Advokaten und nun beginnen beide einen Prozeß, einen schweren, langen Prozeß, der Geld und Verdruß vollauf kostet und lange Zeit nicht weiter rückt. Endlich gewinnt der alte Herr auf der Burg den Prozeß. Er bekommt ein Urteil heraus, gegen das Ritterhausen nichts mehr machen kann. Und was nun das Schlimmste ist für Ritterhausen, der alte Herr hat bei all dem Aerger und all den Kosten, die ihm der Mann vom Hammer gemacht, den Koller gekriegt und hat geschworen und gelobt, nun solle der Ritterhausen herunter von dem Hammer, sobald seine Zeit um sei, und solle nicht darauf bleiben, wenn er auch zehnmal mehr Pacht biete als jeder andere; lieber wegschenken wolle er das ganze Anwesen, als den Ritterhausen darauf lassen!«
»Der arme Herr,« fiel hier Claus ein, »der hatte schon damals nicht viel mehr wegzuschenken, aber genug zu tun, um sich die Juden vom Hals zu halten. Der Prozeß hatte ihm arg viel Geld gekostet!«
»So war es,« fuhr der Spielmann fort, »und so standen die Dinge, und die Zeit war nahezu da, daß der Ritterhausen den Hammer hätte räumen müssen. Wer aber keine Anstalt dazu machte, das war der Mann vom Hammer. Er ließ sein Geschäft fortgehen nach wie vor, er hielt die Gebäude in Ordnung, wie er immer getan, reparierte, wo etwas schadhaft war und kaufte Vorräte von Kohlen und Erz und was er sonst brauchte, als ob er nicht daran dächte, den Hammer zu verlassen. Auch soll er wohl manchmal, wenn ein guter und vertrauter Freund bei ihm von der Sache zu reden angefangen – denn ein anderer hätte darüber nicht das Maul aufzutun gewagt, es war niemals gut Kirschenessen mit dem Ritterhausen, auch vorzeiten nicht, wo er noch nicht wie ein verdrießlich Häufchen Unglück, von der Gicht geplagt, vom Morgen bis zum Abend in seinem Sessel lag – also, wenn einer davon angefangen, soll er wohl gesagt haben: Meine Voreltern sind geboren und gestorben auf dem Rheider Hammer und gerade so gedenke auch ich zu tun, zu sterben darauf, wie ich darauf geboren bin!
»Nun wohl, eines Abends – es ist im Novembermonat gewesen und es hat bereits angefangen zu dunkeln, so zwischen drei und vier, wo man an nebligen Tagen schon daran denken muß, daß man heimkommt, wenn man draußen einem Gewerbe nachgegangen ist; da kommt ganz unvermutet der Ritterhausen den Bergweg dahergestiegen, geht in die Burg und fragt nach dem Herrn. Der Herr ist wohl verwundert ob dem Besuch, er läßt erst zusehen, ob der junge Herr, der Robert, daheim ist, und den läßt er zu sich rufen, und dann mag der Ritterhausen zu ihm in seine Wohnstube da oben kommen.
»Was die nun zusammen geredet haben, das weiß der liebe Gott. Lange haben sie gesprochen, oft still und ruhig, oft laut und hitzig – so viel weiß Claus Fettzünsler; denn der hat sicherlich, darauf könnt Ihr Euch verlassen, hinter irgendeiner Ecke gestanden und zugehört. Was sie aber eigentlich gesprochen haben, davon weiß er doch nichts Rechtes ...«
Claus verzog hier seinen Mund zu einem bedeutungsvollen Lächeln und nickte ganz eigentümlich mit dem Kopfe.
»Ihr habt doch etwas gehört, Claus?« fragte Spielberend. »Nun so rückt damit heraus, alter Fettzünsler, ehe Ihr damit in die Grube fahrt, was nicht lange dauern kann, wenn Ihr fortfahrt, so schwere fette Pfannkuchen zu essen, wie Ihr da just einen vom Feuer nehmt!«
»Verstört Claus in seiner Bäckerei nicht, der hat einen Klostermagen und davon versteht ein herumstrolchender Spielmann, wie Ihr, nichts,« fiel der Lügenschuster ein. »Aber nun sag’, wie es denn war, Claus!«
»Sie sprachen anfangs trutzig von Geld,« versetzte Claus, »und dann kam es mir vor, als hätte der Ritterhausen einen sehr höflichen Ton gegen den alten Herrn angenommen und ihm zu etwas zugeredet; von Verkaufen fielen dabei Worte! aber ob er ihm die ganze Rheider Burg oder nur den Hammer verkaufen sollte, das weiß ich nicht. Endlich sprachen sie wieder hitzig und laut,