der Mutter für ihr Neugeborenes, den Trieb des Letzteren zu saugen u. s. w. Doch hat vielleicht der Mensch etwas weniger Instincte als diejenigen Thiere, welche zunächst in der Stufenreihe auf ihn folgen. Der Orang auf den indischen Inseln und der Schimpanse in Afrika bauen Plattformen, auf denen sie schlafen, und da beide Arten dieselbe Gewohnheit haben, so könnte man schließen, daß dies die Folge eines Instincts sei; wir sind aber nicht sicher, ob es nicht das Resultat des Umstandes ist, daß beide Thiere ähnliche Bedürfnisse und die gleiche Fähigkeit der Überlegung haben. Wir können annehmen, daß diese Affen die vielen giftigen Früchte der Tropen vermeiden, und der Mensch besitzt diese Kenntnisse nicht. Da aber unsere Hausthiere, wenn sie in fremde Länder gebracht und zuerst im Frühjahr hinausgetrieben werden, oft giftige Pflanzen fressen, welche sie später vermeiden, so sind wir nicht sicher, ob die Affen nicht nach ihrer eigenen Erfahrung oder nach der ihrer Eltern lernen, welche Früchte sie zu wählen haben. Indessen ist es gewiß, wie wir sofort sehen werden, daß die Affen eine instinctive Furcht vor Schlangen und wahrscheinlich auch vor anderen gefährlichen Thieren haben.
Die geringe Zahl und vergleichsweise Einfachheit der Instincte bei den höheren Thieren ist merkwürdig contrastierend mit denen der niederen Thiere. Cuvier behauptete, daß Instinct und Intelligenz in umgekehrtem Verhältnis zu einander stehen, und manche Schriftsteller haben gemeint, daß die intellectuellen Fähigkeiten der höheren Thiere sich allmählich aus deren Instincten entwickelt haben. Es hat aber Pouchet in einem interessanten Aufsatze156 gezeigt, daß ein derartiges umgekehrtes Verhältnis factisch nicht besteht. Diejenigen Insecten, welche die wunderbarsten Instincte besitzen, sind sicher auch die intelligentesten. Unter den Wirbelthieren besitzen die am wenigsten intelligenten Glieder, nämlich die Fische und Amphibien, keine complexen Instincte; und unter den Säugethieren ist das Thier, welches wegen seiner Instincte merkwürdig ist, nämlich der Biber, sehr intelligent, was Jeder zugeben wird, welcher Morgan's ausgezeichnete Beschreibung dieses Thieres157 gelesen hat.
Obgleich sich die ersten Spuren der Intelligenz nach Herbert Spencer158 durch die Vervielfältigung und Coordination von Reflexwirkungen entwickelt haben, und obschon viele der einfacheren Instincte in Wirkungen dieser Art übergehen und kaum von ihnen unterschieden werden können, wie bei dem Saugen junger Thiere, so scheinen doch die complicierteren Instincte unabhängig von irgend einer Intelligenz entstanden zu sein. Ich möchte aber durchaus nicht leugnen, daß instinctive Thätigkeiten ihren fixierten und nicht angelernten Charakter verlieren und durch andere Thätigkeiten ersetzt werden können, welche mit Hülfe des freien Willens ausgeführt werden. Andererseits werden aber Handlungen des Verstandes, wie z. B. wenn Vögel auf oceanischen Inseln zuerst sich vor Menschen zu fürchten lernen, in Instincte umgewandelt und als solche vererbt, wenn sie mehrere Generationen hindurch ausgeführt worden sind. Man kann dann von diesen Handlungen sagen, daß sie im Charakter verderbt sind, denn sie werden nun nicht mehr durch den Verstand oder nach der Erfahrung ausgeführt. Dagegen scheint die größere Zahl der complicierten Instincte in einer völlig verschiedenen Weise erlangt worden zu sein, nämlich durch die natürliche Zuchtwahl von Variationen einfacher instinctiver Handlungen. Derartige Variationen scheinen aus denselben unbekannten Ursachen, welche hier auf die Organisation des Gehirns wirken, zu entstehen, wie solche unbedeutende Abänderungen oft individuelle Verschiedenheiten in anderen Theilen des Körpers hervorrufen; und in Folge unserer Unwissenheit sagen wir dann häufig, daß diese Variationen spontan auftreten. Ich glaube, wir können auch mit Bezug auf den Ursprung der complicierteren Instincte zu keinem anderen Schlusse gelangen, wenn wir an die wunderbaren Instincte steriler Arbeiterameisen und Bienen uns erinnern, welche keine Nachkommen hinterlassen, denen sie die Wirkungen der Erfahrung und veränderten Lebensweise überliefern könnten.
Obschon ein hoher Grad von Intelligenz mit dem Vorhandensein complicierter Instincte verträglich ist, wie wir bei den eben genannten Insecten und beim Biber gesehen haben, und obgleich Handlungen, welche zuerst willkürlich erlernt wurden, in Folge von Gewohnheit bald mit der Schnelligkeit und Sicherheit einer Reflexthätigkeit ausgeführt werden können, so ist es doch nicht unwahrscheinlich, daß freie Intelligenz und Instinct (welcher eine gewisse vererbte Modification des Gehirns in sich begreift) sich in einer gewissen Ausdehnung in ihrer gegenseitigen Entwicklung stören. Über die Functionen des Gehirns ist nur wenig bekannt; aber wir beobachten, daß in dem Maße, wie die intellectuellen Fähigkeiten höher entwickelt werden, auch die verschiedenen Theile des Gehirns durch die feinst verwobenen Canäle gegenseitigen Austausches mit einander in Verbindung gebracht werden müssen; und als Folge hiervon würde jeder einzelne Theil vermuthlich weniger geschickt werden, besondere Empfindungen oder Associationen in einer bestimmten und vererbten, das ist instinctiven, Weise zu entwickeln. Es scheint selbst eine gewisse Beziehung zwischen einem niedern Intelligenzgrade und einer starken Neigung zur Bildung fixierter, wennschon nicht vererbter Gewohnheiten zu bestehen; wenigstens hat ein scharfsinniger Arzt gegen mich geäußert, daß in geringem Grade schwachsinnige Personen in allem nach Routine und Gewohnheit zu handeln streben, und daß man sie viel glücklicher macht, wenn man sie darin ermuthigt.
Ich hielt es für der Mühe werth, diese Abschweifung hier einzuschalten, weil wir die geistigen Fähigkeiten der höheren Thiere und besonders des Menschen leicht unterschätzen können, wenn wir ihre auf die Erinnerung vergangener Ereignisse, auf Vorsicht, Nachdenken und Einbildungskraft gegründeten Handlungen mit den vollständig ähnlichen Handlungen vergleichen, welche von niederen Thieren instinctiv ausgeführt werden. In diesem letzteren Falle ist die Fähigkeit zur Ausführung solcher Handlungen Schritt für Schritt durch Variabilität der psychischen Organe und natürliche Zuchtwahl erreicht worden, ohne daß eine bewußte Intelligenz von Seiten des Thieres während einer jeden der aufeinanderfolgenden Generationen dazu gekommen wäre. Ohne Zweifel ist viel von der intelligenten Thätigkeit, die der Mensch ausführt, auf Nachahmung und nicht auf Überlegung zu schieben, wie Mr. Wallace bemerkt hat,159 aber zwischen seinen Handlungen und vielen der von niederen Thieren ausgeführten besteht der große Unterschied, daß der Mensch beim ersten Versuche nicht im Stande ist, z. B. ein steinernes Beil oder ein Boot durch seine Fähigkeit der Nachahmung zu fertigen. Er hat seine Arbeit durch Übung zu erlernen. Ein Biber dagegen kann seinen Damm oder Canal, ein Vogel sein Nest genau so oder nahezu so gut, eine Spinne ihr wunderbares Gewebe vollständig so gut160 das erste Mal, wo sie's versuchen, bauen, wie wenn sie alt und erfahren sind.
Doch kehren wir zu unserem vorliegenden Gegenstande zurück. Die niederen Thiere empfinden offenbar wie der Mensch Freude und Schmerz, Glück und Unglück. Das Glück giebt sich nirgends besser zu erkennen, als bei jungen Thieren, wie bei jungen Hunden, Katzen, Lämmern u. s. w., wenn sie zusammen spielen, wie unsere eigenen Kinder. Selbst Insecten spielen zusammen, wie jener ausgezeichnete Beobachter P. Huber beschrieben hat,161 welcher sah, wie Ameisen sich jagten und thaten, als wenn sie einander bissen, genau so, als wenn es junge Hunde gewesen wären.
Die Thatsache, daß die niederen Thiere durch dieselben Gemüthsbewegungen betroffen werden wie wir, ist so sicher festgestellt, daß es nicht nöthig ist, den Leser durch viele Einzelnheiten zu ermüden. Der Schreck wirkt auf sie in derselben Weise wie auf uns, er macht ihre Muskeln erzittern, ihr Herz schlagen, die Schließmuskeln erschlaffen und das Haar sich aufrichten. Verdacht, das Kind der Gefahr, drückt sich äußerst charakteristisch bei vielen wilden Thieren aus. Es ist, denke ich, unmöglich, die Beschreibung, welche Sir E. Tennent von dem Betragen der weiblichen, als Lockthiere dienenden Elefanten giebt, zu lesen, ohne zu der Überzeugung zu kommen, daß sie den Betrug bewußterweise und absichtlich ausführen und wohl wissen, um was es sich handelt. Muth und Furchtsamkeit sind bei Individuen einer und derselben Species äußerst veränderliche Eigenschaften, wie wir bei unseren Hunden deutlich sehen. Manche Hunde und Pferde sind schlechten Temperaments und werden leicht bös, andere sind guten Temperaments, und diese Eigenschaften werden sicher vererbt. Jedermann weiß, wie leicht Thiere wüthend werden und wie