worden, daß ein Orang von dem ersten Anblick einer Schildkröte sehr beunruhigt wurde.167
Das Princip der Nachahmung ist beim Menschen sehr stark und besonders, wie ich selbst beobachtet habe, beim Wilden. Bei gewissen krankhaften Zuständen des Gehirns wird diese Neigung zu einem außerordentlichen Grade gesteigert; manche hemiplegische Personen und andere, im Anfangsstadium der entzündlichen Gehirnerweichung sprechen unbewußt jedes gehörte Wort aus ihrer eignen oder einer fremden Sprache nach und ahmen auch jede Geberde oder Handlung nach, die in ihrer Gegenwart ausgeführt wird.168 Desor169 hat bemerkt, daß kein niederes Thier willkürlich eine vom Menschen verrichtete Handlung nachahmt, bis wir, in der Stufenleiter aufsteigend, zu den Affen kommen, von denen ja sehr bekannt ist, daß sie in lächerlicher Weise nachahmen. Thiere ahmen aber zuweilen ihre Handlungen unter einander nach; so lernten zwei Arten von Wölfen, welche von Hunden aufgezogen worden waren, zu bellen, wie es zuweilen auch der Schakal thut.170 Ob dies indessen eine willkürliche Nachahmung genannt werden kann, ist eine andere Frage. Vögel ahmen den Gesang ihrer Eltern und zuweilen den anderer Vögel nach; Papageien sind wegen ihrer Nachahmung jedes, oft von ihnen gehörten Lautes notorisch. Dureau de la Malle171 theilt den Fall eines von einer Katze aufgezogenen Hündchens mit, welches die so bekannte Gewohnheit der Katzen nachzuahmen lernte, sich die Füße zu lecken und, sich damit das Gesicht und die Ohren zu reinigen; dasselbe hat auch der bekannte Audouin gesehen. Ich habe noch mehrere bestätigende Berichte erhalten; in einem dieser Fälle wurde ein Hund nicht von der Katze aufgesäugt, wohl aber bei einer solchen in Gesellschaft junger Kätzchen aufgezogen; hierdurch hatte er die erwähnte Gewohnheit erlernt, die er während seines ganzen Lebens von dreizehn Jahren ausübte. Dureau de la Malle's Hund lernte auch von den Kätzchen mit einem Balle zu spielen, ihn mit den Vorderpfoten zu rollen und danach zu springen. Einer meiner Correspondenten versichert mir, daß eine Katze in seinem Hause ihre Pfoten in den Hals einer Milchkanne zu stecken pflegte, die eine für ihren Hals zu enge Öffnung hatte. Ein Junges dieser Katze lernte sehr bald denselben Streich ausführen und benutzte dies später stets, so oft sich nur eine Gelegenheit dazu bot.
Man kann wohl sagen, daß die Eltern vieler Thiere im Vertrauen auf das in ihren Jungen thätig werdende Princip der Nachahmung und noch besonders auf ihre instinctiven oder erblichen Anlagen dieselben »erziehen«. Wir sehen dies, wenn eine Katze ihrem Kätzchen eine lebendige Maus bringt; und Dureau de la Malle hat (in dem oben citierten Aufsatze) eine merkwürdige Schilderung seiner Beobachtungen an Habichten gegeben, welche ihre Jungen Geschicklichkeit ebenso wie Beurtheilung der Entfernung lehrten, dadurch, daß sie erst todte Mäuse und Sperlinge durch die Luft fallen, welche die Jungen meist nicht fangen konnten, und dann lebendige Vögel fliegen ließen.
Kaum irgend eine Fähigkeit ist für den intellectuellen Fortschritt des Menschen von größerer Bedeutung, als die Fähigkeit der Aufmerksamkeit. Thiere zeigen diese Fähigkeit offenbar; so wenn eine Katze vor einer Höhle wartet und sich vorbereitet, auf ihre Beute zu springen. Wilde Thiere werden zuweilen hierdurch so befangen, daß man sich ihnen leicht annähern kann. Mr. Bartlett hat mir ein merkwürdiges Beispiel mitgetheilt, wie variabel diese Fähigkeit bei den Affen ist. Ein Mann, welcher Affen abrichtete, pflegte die gewöhnlichen Arten von der zoologischen Gesellschaft zum Preise von 5 Pfund (Sterling) das Stück zu kaufen; er erbot sich aber, die doppelte Summe zu zahlen, wenn ihm erlaubt sei, drei oder vier derselben ein paar Tage lang bei sich zu halten, um einen auszuwählen. Als er gefragt wurde, wie es möglich sei, daß er so bald schon sehe, ob ein besonderer Affe sich als ein guter Schauspieler herausstellen werde, antwortete er, daß alles von ihrer Fähigkeit, aufzumerken, abhänge. Würde die Aufmerksamkeit des Affen, während er mit ihm spräche und ihm irgend etwas erklärte, leicht abgezogen, sei es durch eine Fliege an der Wand oder irgend einen anderen unbedeutenden Gegenstand, so sei der Fall hoffnungslos. Versuche er einen unaufmerksamen Affen durch Strafe zum Agieren zu bringen, so werde er böse. Andererseits meinte er, daß ein Affe, welcher aufmerksam auf ihn merke, immer abgerichtet werden könne.
Es ist fast überflüssig, noch zu erwähnen, daß Thiere ein ausgezeichnetes Gedächtnis für Personen und Orte haben. Mir hat Sir Andrew Smith mitgetheilt, daß ihn ein Pavian am Cap der guten Hoffnung voller Freude nach einer Abwesenheit von neun Monaten wieder erkannt habe. Ich habe einen Hund gehabt, welcher wild und unwirsch gegen alle Fremden war, und habe absichtlich sein Gedächtnis nach einer Abwesenheit von fünf Jahren und zwei Tagen auf die Probe gestellt. Ich ging zu dem Stall, wo er war, und rief ihn an in meiner alten Weise; er zeigte keine Freude, aber folgte mir augenblicklich, kam heraus und gehorchte mir so genau, als wenn ich ihn erst vor einer halben Stunde verlassen hätte. Ein Strom alter Ideenverbindungen, welche fünf Jahre lang geschlummert hatten, war hierdurch in seiner Seele augenblicklich angeregt worden. Selbst Ameisen erkannten, wie P. Huber172 entschieden nachgewiesen hat, ihre Genossen, die demselben Haufen angehörten, nach einer Trennung von vier Monaten wieder. Thiere können sicher durch irgend welche Mittel die Zeitintervalle zwischen wiederkehrenden Ereignissen beurtheilen.
Die Einbildungskraft ist eine der höchsten Prärogativen des Menschen. Durch dieses Vermögen verbindet er unabhängig vom Willen frühere Eindrücke und Ideen und erzeugt damit glänzende und neue Resultate. Jean Paul Friedrich Richter bemerkt:173 »ein Dichter, welcher erst überlegen muß, ob er einen seiner Charaktere Ja oder Nein sagen lassen soll – zum Teufel mit ihm. Er ist nur ein seelenloser Körper«. Das Träumen giebt uns die beste Idee von dieser Fähigkeit, wie ebenfalls Jean Paul sagt: »Der Traum ist eine unwillkürliche Kunst der Dichtung.« Der Werth der Producte unserer Einbildungskraft hängt natürlich von der Zahl, Genauigkeit und Klarheit unserer Eindrücke ab, ferner von dem Urtheil und dem Geschmack bei der Auswahl und dem Zurückweisen der unwillkürlich sich darbietenden Combinationen und in einer gewissen Ausdehnung von unserer Fähigkeit, sie willkürlich zu combinieren. Da Hunde, Katzen, Pferde und wahrscheinlich alle höheren Thiere, selbst Vögel, wie nach gewichtigen Autoritäten174 angeführt wird, lebhafte Träume haben und sich dies durch ihre Bewegungen und ihre Stimme zeigt, so müssen wir auch zugeben, daß sie eine gewisse Einbildungskraft haben. Es muß etwas Specielles dabei sein, was die Hunde veranlaßt, in der Nacht und besonders bei Mondschein in einer so merkwürdigen und melancholischen Weise zu heulen. Es thun dies nicht alle Hunde; nach Houzeau175 sehen sie dabei nicht den Mond an, sondern einen bestimmten Punkt am Horizont. Houzeau glaubt, daß ihre Vorstellungen durch die undeutlichen Umrisse der umgebenden Gegenstände gestört werden, wodurch phantastische Bilder vor ihnen heraufbeschworen werden. Ist dies der Fall, dann könnte man ihre Empfindungen beinahe abergläubisch nennen.
Unter allen Fähigkeiten des menschlichen Geistes steht, wie wohl allgemein zugegeben wird, der Verstand oben an. Es bestreiten nur wohl wenige Personen noch, daß die Thiere eine gewisse Fähigkeit des Nachdenkens haben. Fortwährend kann man sehen, daß Thiere zuwarten, überlegen und sich entschließen. Es ist eine bezeichnende Thatsache, daß, je mehr die Lebensweise irgend eines besonderen Thieres von einem Naturforscher beobachtet wird, dieser ihm desto mehr Verstand zuschreibt und desto weniger die Handlungen nicht angelernten Instincten beilegt.176 In späteren Capiteln werden wir sehen, daß Thiere, welche äußerst niedrig in der Stufenleiter stehen, offenbar einen gewissen Grad von Verstand zeigen. Es ist ohne Zweifel oft schwierig, zwischen den Äußerungen des Verstandes und denen des Instincts zu unterscheiden. So bemerkt Dr. Hayes in seinem Werke über das »offene Polarmeer« wiederholt, daß seine Hunde, statt die Schlitten in einer compacten Masse zu ziehen, auseinandergingen und sich trennten, wenn sie auf dünnes Eis kamen, so daß ihr Gewicht gleichmäßiger