hell; komm nur mit mir, Großmutter, ich will dir's zeigen." Heidi nahm die Großmutter bei der Hand und wollte sie fortziehen, denn es fing an, ihm ganz ängstlich zumute zu werden, dass es ihr nirgends hell wurde.
"Lass mich nur sitzen, du gutes Kind; es bleibt doch dunkel bei mir, auch im Schnee und in der Helle, sie dringt nicht mehr in meine Augen."
"Aber dann doch im Sommer, Großmutter", sagte Heidi, immer ängstlicher nach einem guten Ausweg suchend; "weißt, wenn dann wieder die Sonne ganz heiß herunterbrennt und dann 'gute Nacht' sagt und die Berge alle feuerrot schimmern und alle gelben Blümlein glitzern, dann wird es dir wieder schön hell?"
"Ach, Kind, ich kann sie nie mehr sehen, die feurigen Berge und die goldenen Blümlein droben, es wird mir nie mehr hell auf Erden, nie mehr."
Jetzt brach Heidi in lautes Weinen aus. Voller Jammer schluchzte es fortwährend: "Wer kann dir denn wieder hell machen? Kann es niemand? Kann es gar niemand?"
Die Großmutter suchte nun das Kind zu trösten, aber es gelang ihr nicht so bald. Heidi weinte fast nie; wenn es aber einmal anfing, dann konnte es auch fast nicht mehr aus der Betrübnis herauskommen. Die Großmutter hatte schon allerhand probiert, um das Kind zu beschwichtigen, denn es ging ihr zu Herzen, dass es so jämmerlich schluchzen musste. Jetzt sagte sie: "Komm, du gutes Heidi, komm hier heran, ich will dir etwas sagen. Siehst du, wenn man nichts sehen kann, dann hört man so gern ein freundliches Wort, und ich höre es gern, wenn du redest; komm, setz dich da nahe zu mir und erzähl mir etwas, was du machst da droben und was der Großvater macht, ich habe ihn früher gut gekannt; aber jetzt hab ich seit manchem Jahr nichts mehr gehört von ihm als durch den Peter, aber der sagt nicht viel."
Jetzt kam dem Heidi ein neuer Gedanke; es wischte rasch seine Tränen weg und sagte tröstlich: "Wart nur, Großmutter, ich will alles dem Großvater sagen, er macht dir schon wieder hell und macht, dass die Hütte nicht zusammenfällt, er kann alles wieder in Ordnung machen."
Die Großmutter schwieg stille, und nun fing Heidi an, ihr mit großer Lebendigkeit zu erzählen von seinem Leben mit dem Großvater und von den Tagen auf der Weide und von dem jetzigen Winterleben mit dem Großvater, was er alles aus Holz machen könne, Bänke und Stühle und schöne Krippen, wo man für das Schwänli und Bärli das Heu hineinlegen könnte, und einen neuen großen Wassertrog zum Baden im Sommer, und ein neues Milchschüsselchen und Löffel, und Heidi wurde immer eifriger im Beschreiben all der schönen Sachen, die so auf einmal aus einem Stück Holz herauskommen, und wie es dann neben dem Großvater stehe und ihm zuschaue und wie es das alles auch einmal machen wolle. Die Großmutter hörte mit großer Aufmerksamkeit zu, und von Zeit zu Zeit sagte sie dazwischen: "Hörst du's auch, Brigitte? Hörst du, was es vom Öhi sagt?"
Mit einem Mal wurde die Erzählung unterbrochen durch ein großes Gepolter an der Tür, und herein stampfte der Peter, blieb aber sogleich stille stehen und sperrte seine runden Augen ganz erstaunlich weit auf, als er das Heidi erblickte, und schnitt die allerfreundlichste Grimasse, als es ihm sogleich zurief: "Guten Abend, Peter!"
"Ist denn das möglich, dass der schon aus der Schule kommt", rief die Großmutter ganz verwundert aus. "So geschwind ist mir seit manchem Jahr kein Nachmittag vergangen! Guten Abend, Peterli, wie geht es mit dem Lesen?"
"Gleich", gab der Peter zur Antwort.
"So, so", sagte die Großmutter ein wenig seufzend, "ich habe gedacht, es gäbe vielleicht eine Änderung auf die Zeit, wenn du dann zwölf Jahre alt wirst gegen den Hornung hin."
"Warum muss es eine Änderung geben, Großmutter?", fragte Heidi gleich mit Interesse.
"Ich meine nur, dass er es etwa noch hätte lernen können", sagte die Großmutter, "das Lesen mein ich. Ich habe dort oben auf dem Gestell ein altes Gebetbuch, da sind schöne Lieder drin, die habe ich so lange nicht mehr gehört, und im Gedächtnis habe ich sie auch nicht mehr; da habe ich gehofft, wenn der Peterli nun lesen lerne, so könne er mir etwa ein gutes Lied lesen; aber er kann es nicht lernen, es ist ihm zu schwer."
"Ich denke, ich muss Licht machen, es wird ja schon ganz dunkel", sagte jetzt Peters Mutter, die immer emsig am Wams fortgeflickt hatte; "der Nachmittag ist mir auch vergangen, ohne dass ich's merkte."
Nun sprang Heidi von seinem Stühlchen auf, streckte eilig seine Hand aus und sagte: "Gut Nacht, Großmutter, ich muss auf der Stelle heim, wenn es dunkel wird", und hintereinander bot es dem Peter und seiner Mutter die Hand und ging der Tür zu. Aber die Großmutter rief besorgt: "Wart, wart, Heidi; so allein musst du nicht fort, der Peter muss mit dir, hörst du? Und gib Acht auf das Kind, Peterli, dass es nicht umfällt, und steh nicht still mit ihm, dass es nicht friert, hörst du? Hat es auch ein dickes Halstuch an?"
"Ich habe gar kein Halstuch an", rief Heidi zurück, "aber ich will schon nicht frieren"; damit war es zur Tür hinaus und huschte so behend weiter, dass der Peter kaum nachkam. Aber die Großmutter rief jammernd: "Lauf ihm nach, Brigitte, lauf, das Kind muss ja erfrieren, so bei der Nacht, nimm mein Halstuch mit, lauf schnell!" Die Brigitte gehorchte. Die Kinder hatten aber kaum ein paar Schritte den Berg hinan getan, so sahen sie von oben herunter den Großvater kommen, und mit wenigen rüstigen Schritten stand er vor ihnen.
"Recht so, Heidi, Wort gehalten!", sagte er, packte das Kind wieder fest in seine Decke ein, nahm es auf seinen Arm und stieg den Berg hinauf. Eben hatte die Brigitte noch gesehen, wie der Alte das Kind wohl verpackt auf seinen Arm genommen und den Rückweg angetreten hatte. Sie trat mit dem Peter wieder in die Hütte ein und erzählte der Großmutter mit Verwunderung, was sie gesehen hatte. Auch diese musste sich sehr verwundern und ein Mal über das andere sagen: "Gott Lob und Dank, dass er so ist mit dem Kind, Gott Lob und Dank! Wenn er es nur auch wieder zu mir lässt, das Kind hat mir so wohl gemacht! Was hat es für ein gutes Herz und wie kann es so kurzweilig erzählen!" Und immer wieder freute sich die Großmutter, und bis sie ins Bett ging, sagte sie immer wieder: "Wenn es nur auch wiederkommt! Jetzt habe ich doch noch etwas auf der Welt, auf das ich mich freuen kann!" Und die Brigitte stimmte jedes Mal ein, wenn die Großmutter wieder dasselbe sagte, und auch der Peter nickte jedes Mal zustimmend mit dem Kopf und zog seinen Mund weit auseinander vor Vergnüglichkeit und sagte: "Hab's schon gewusst."
Unterdessen redete das Heidi in seinem Sack drinnen immerzu an den Großvater heran; da die Stimme aber nicht durch den achtfachen Umschlag dringen konnte und er daher kein Wort verstand, sagte er: "Wart ein wenig, bis wir daheim sind, dann sag's."
Sobald er nun, oben angekommen, in seine Hütte eingetreten war und Heidi aus seiner Hülle herausgeschält hatte, sagte es: "Großvater, morgen müssen wir den Hammer und die großen Nägel mitnehmen und den Laden festschlagen bei der Großmutter und sonst noch viele Nägel einschlagen, denn es kracht und klappert alles bei ihr."
"Müssen wir? So, das müssen wir? Wer hat dir das gesagt?", fragte der Großvater.
"Das hat mir kein Mensch gesagt, ich weiß es sonst", entgegnete Heidi, "denn es hält alles nicht mehr fest und es ist der Großmutter angst und bang, wenn sie nicht schlafen kann und es so tut, und sie denkt: 'Jetzt fällt alles ein und gerade auf unsere Köpfe'; und der Großmutter kann man gar nicht mehr hell machen, sie weiß gar nicht, wie man es könnte, aber du kannst es schon, Großvater; denk nur, wie traurig es ist, wenn sie immer im Dunkeln ist und es ihr dann noch angst und bang ist und es kann ihr kein Mensch helfen als du! Morgen wollen wir gehen und ihr helfen; gelt, Großvater, wir wollen?"
Heidi hatte sich an den Großvater angeklammert und schaute mit zweifellosem Vertrauen zu ihm auf. Der Alte schaute eine kleine Welle auf das Kind nieder, dann sagte er: "Ja, Heidi, wir wollen machen, dass es nicht mehr so klappert bei der Großmutter, das können wir; morgen tun wir's."
Nun hüpfte das Kind vor Freude im ganzen Hüttenraum herum und rief ein Mal ums andere: "Morgen tun wir's! Morgen tun wir's!"
Der Großvater hielt Wort. Am folgenden Nachmittag wurde dieselbe Schlittenfahrt ausgeführt. Wie am vorhergehenden Tag stellte der Alte das Kind vor der Tür der Geißenpeter-Hütte nieder und sagte: "Nun geh hinein, und wenn's Nacht wird, komm wieder." Dann legte er den Sack auf den Schlitten und ging um das Häuschen herum.
Kaum hatte Heidi die Tür aufgemacht und war in die Stube hineingesprungen,