In Rom gab es damals keinen Kapitalismus, d.h. es gab keine Fabrikindustrie, die durch die Arbeit von Lohnarbeitern Waren zum Verkauf produzierte. Damals herrschte in Rom Sklaverei, und die Adelsfamilien befriedigten ebenso wie die Reichen und die Financiers alle ihre Bedürfnisse durch die Arbeit von Sklaven, die sie aus dem Krieg mitgebracht hatten. Diese Reichen rafften allmählich fast den ganzen Grundbesitz in Italien an sich, indem sie den römischen Bauern das Land raubten, und da das Getreide kostenlos als Tribut aus den unterworfenen Provinzen herangeschafft wurde, wandelten sie ihren eigenen Grundbesitz in riesige Plantagen, Gemüsegärten, Weinberge, Weiden und Lustgärten um, bestellt von einem großen Sklavenheer, das durch den Stock des Aufsehers zur Arbeit angetrieben wurde. Des Landes und Brotes beraubt, strömte die Landbevölkerung aus der ganzen Provinz in die Hauptstadt Rom, fand hier aber keinen Verdienst, weil auch jedes Handwerk von Sklaven betrieben wurde. So sammelte sich in Rom allmählich eine riesige Volksmenge ohne jedes Eigentum an – ein Proletariat, das jedoch nicht einmal seine Arbeitskraft verkaufen konnte, da niemand seine Arbeit benötigte. Dieses Proletariat also, das vom Lande hereinströmte, wurde nicht wie heute in den Städten von der Fabrikindustrie aufgesogen, sondern mußte in hoffnungslose Not und an den Bettelstab geraten. Da eine solche Vorstädte, Straßen und Plätze Roms füllende Volksmasse, ohne Brot und Dach über dem Kopf, eine ständige Gefahr für die Regierung und die herrschenden Reichen war, mußte die Regierung irgendwie ihre Not lindern. Von Zeit zu Zeit wurden also aus den Regierungsspeichern Getreide oder gleich Lebensmittel an das Proletariat verteilt, um für eine gewisse Zeit sein drohendes Murren zu besänftigen, auch wurden kostenlose Spiele im Zirkus veranstaltet, um Gedanken und Gefühle des erregten Volkes zu beschäftigen. So lebte das ganze riesenhafte Proletariat in Rom eigentlich vom Betteln, nicht so wie heute, da das Proletariat im Gegenteil durch seine Arbeit die ganze Gesellschaft erhält. Damals in Rom lag jedoch die ganze Arbeit für die Gesellschaft auf den Schultern der unglücklichen, wie Arbeitsvieh traktierten Sklaven. Und in diesem Meer von Not und menschlicher Erniedrigung feierte eine kleine Anzahl römischer Magnaten wilde Orgien des Überflusses und der Ausschweifung. Einen Ausweg aus diesen ungeheuerlichen gesellschaftlichen Verhältnissen gab es nicht. Das Proletariat murrte zwar und drohte von Zeit zu Zeit mit Aufstand, aber die Klasse der Bettler, die nicht arbeiteten und nur von den Knochen lebten, die ihnen vom Tische der Reichen und des Staates zugeworfen wurden, konnte keine neue gesellschaftliche Ordnung schaffen. Die Volksklasse aber, die durch ihre Arbeit die ganze Gesellschaft erhielt, die Sklaven waren zu sehr erniedrigt, zersprengt, ins Joch gespannt, standen allzusehr außerhalb der Gesellschaft, von ihr abgesondert wie heute Arbeitsvieh von Menschen, als daß sie eine Reform der ganzen Gesellschaft hätten zuwege bringen können. Die Sklaven erhoben sich zwar von Zeit zu Zeit gegen ihre Herren, versuchten, sich mit Feuer und Schwert aus dem Joch zu befreien, aber das römische Heer unterdrückte am Ende immer ihre Aufstände, und sie wurden dann zu Tausenden ans Kreuz geschlagen oder völlig niedergemetzelt.
Unter diesen entsetzlichen Bedingungen der verfallenden Gesellschaft, wo es für die riesige Volksmenge keinen sichtbaren Ausweg gab, keine Hoffnung auf ein besseres Los auf Erden, begannen die Unglücklichen, diese Hoffnung im Himmel zu suchen. Die christliche Religion erschien den Verachteten und Elenden als eine Rettungsplanke, als Trost und Linderung, und wurde vom ersten Augenblick an die Religion der römischen Proletarier. Und entsprechend der materiellen Lage dieser Volksklasse begannen die ersten Christen, die Forderung nach gemeinsamem Eigentum – den Kommunismus – zu verkünden. Natürlich: das Volk hatte keine Mittel zum Leben, ging aus Not zugrunde, daher rief die Religion, die dieses Volk verteidigte, dazu auf, daß die Reichen mit den Armen teilen sollten, daß die Reichtümer allen gehören sollten und nicht einer Handvoll Privilegierter, daß unter den Menschen Gleichheit herrschen sollte. Das waren jedoch keine Forderungen, wie sie heute die Sozialdemokraten stellen, daß die Werkzeuge und überhaupt die Produktionsmittel allen gemeinsam gehören sollen, damit alle gemeinsam arbeiten und von ihrer Hände Arbeit leben können.
Die damaligen Proletarier lebten, wie wir sahen, nicht von ihrer Arbeit, sondern von den Almosen der Regierung. Darum verkündeten die Christen die Forderung nach gemeinsamem Eigentum nicht hinsichtlich der Arbeitsmittel, sondern der Lebensmittel, das heißt sie forderten nicht, daß Ländereien, Werkstätten, überhaupt Arbeitswerkzeuge allen gemeinsam gehören sollten, sondern daß alle miteinander Wohnung, Kleidung, Nahrung und ähnliche fertige Gebrauchsgegenstände des Menschen teilen sollten. Woher diese Reichtümer kommen, darüber machten sich die christlichen Kommunisten keine Sorgen. Die Arbeit blieb Sache der Sklaven. Das Volk der Christen forderte nur, daß diejenigen, die Reichtümer besitzen, diese beim Übertritt zur christlichen Religion dem Eigentum der Allgemeinheit übergeben und daß alle brüderlich und in Gleichheit von diesen Reichtümern leben sollten.
So richteten sich auch die ersten christlichen Gemeinden ein.
„Für diese Leute“ – so beschreibt es ein Zeitgenosse – „bedeutet Reichtum nichts, dafür preisen sie sehr das gemeinsame Eigentum und es gibt keinen unter ihnen, der reicher wäre als andere. Sie halten sich an das Gesetz, daß alle, die in ihren Orden eintreten wollen, ihre Habe zum allgemeinen Eigentum aller abgeben müssen, darum findet man auch bei ihnen weder Not noch Überfluß, alle besitzen alles gemeinsam wie Brüder... Sie wohnen nicht abgesondert in irgendeiner Stadt, sondern haben in jeder Stadt ihre besonderen Häuser, und wenn Leute, die ihrer Religion angehören, aus der Fremde zu ihnen kommen, so teilen sie mit ihnen ihre Habe, über die diese wie über ihre eigene verfügen können. Diese Leute sind gegenseitig beieinander zu Gast, obwohl sie sich vorher nie gesehen haben, und verkehren so miteinander, als ob sie ihr ganzes Leben lang Freunde gewesen wären. Wenn sie über Land reisen, so nehmen sie nichts mit außer Waffen gegen Räuber. In jeder Stadt haben sie ihren Hofmeister, der Kleidung und Lebensmittel an die Ankömmlinge verteilt... Untereinander treiben sie keinen Handel, sondern wenn einer einem anderen etwas gibt, was dieser braucht, so erhält er dafür wiederum, was er selbst benötigt. Und sogar wenn einer nichts dafür anbieten kann, so kann er doch frei heraus von jedem das fordern, was er benötigt.“
In der Apostelgeschichte (IV, 32, 34, 35) lesen wir ebenfalls eine solche Beschreibung der ersten christlichen Gemeinde in Jerusalem:
„Keiner sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemein. Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte; denn wieviel ihrer waren, die da Acker oder Häuser hatten, die verkauften sie und brachten das Geld des verkauften Guts und legten es zu der Apostel Füßen; und man gab einem jeglichen, was ihm not war.“
Ebenso schreibt ein gewisser deutscher Historiker Vogel 1780 über die ersten Christen:
„Ein jeder Christ hatte nach der brüderlichen Verbindung ein Recht zu den Gütern aller Mitglieder der ganzen Gemeine und konnte im Fall der Not fordern, daß die begüterten Mitglieder ihm so viel von ihrem Vermögen mitteilten, als zu seiner Notdurft erfordert ward. Ein jeder Christ konnte sich der Güter seiner Brüder bedienen, und die Christen, die etwas hatten, konnten ihren dürftigen Brüdern den Nutzen und Gebrauch derselbigen nicht versagen. Ein Christ, z. E., der kein Haus hatte, konnte von einem ändern Christen, der 2 oder 3 Häuser hatte, begehren, daß er ihm eine Wohnung gebe, deswegen blieb er doch Herr der Häuser. Wegen der Gemeinschaft des Gebrauchs aber mußte die eine Wohnung dem ändern zum wohnen überlassen werden.“
Bewegliche Güter und Geld wurden in einer gemeinsamen Kasse gesammelt, und ein aus der christlichen Bruderschaft besonders gewählter Beamter verteilte die gemeinsame Habe unter alle. Damit nicht genug. Die Verbrauchsgemeinschaft wurde so weit getrieben, daß in den ersten christlichen Gemeinden gewöhnlich die tägliche Nahrung an gemeinsamen Tischen eingenommen wurde, wie es die Apostelgeschichte beschreibt Dadurch wurde das Familienleben der ersten Christen eigentlich zerstört, und alle einzelnen christlichen Familien einer Stadt lebten gemeinsam als eine große Familie. Schließlich muß man noch hinzufügen, daß das, was einige Priester in ihrer Dummheit oder Bosheit den Sozialdemokraten zuzuschreiben versuchen, nämlich den Wunsch, Frauengemeinschaft einzuführen, was den Sozialdemokraten aber natürlich nicht im Traume einfällt, da sie das für eine schändliche und tierische Entstellung des ehelichen Verhältnisses halten, tatsächlich teilweise bei den ersten Christen praktiziert wurde. Die Idee des gemeinsamen Eigentums, des Kommunismus, so anstößig und abscheulich für die heutige Geistlichkeit, war den ersten Christen so lieb, daß einige Sekten,