Schweiße seines Angesichts für die Herren abarbeiten. Jetzt erhielt das arme Volk nicht nur keine Hilfe und Unterstützung von der Kirche, sondern im Gegenteil, die Kirche verband sich mit den anderen Ausbeutern und Schindern des Volkes: mit Fürsten, Landadel und Wucherern.
Als im Mittelalter das arbeitende Volk durch die Fron in immer größere Not fiel, bereicherte sich die Geistlichkeit immer mehr. Außer den Einkünften aus dem Zehnten und anderen Abgaben und Zahlungen erhielt die Kirche zu jener Zeit riesige Schenkungen und Vermächtnisse von frommen Reichen oder reichen Wüstlingen beiderlei Geschlechts, die sich durch reichliches Vermächtnis an die Kirche in ihrer letzten Stunde von ihrem sündigen Leben loskaufen wollten. Geld, Häuser, ganze Dörfer samt Fronbauern, einzelne Renten und Arbeitsleistungen, die zum Land gehörten, wurden der Kirche geschenkt und vermacht. So sammelten sich in den Händen der Geistlichkeit riesige Reichtümer an. Und jetzt hörte der Klerus schon auf, Verwalter des ihm anvertrauten Besitzes der Kirche, d.h. der Gemeinde der Gläubigen und zumindest der armen Brüder zu sein. Im 12. Jahrhundert verkündete die Geistlichkeit schon offen und stellte es als scheinbar aus den Worten der heiligen Schrift herleitbares Recht dar, daß aller Reichtum der Kirche nicht Eigentum der Gemeinschaft der Gläubigen sei, sondern privates Eigentum der Geistlichkeit und vor allem ihres Oberhauptes, des Papstes. Geistliche Ämter waren somit der beste Weg, große Einkünfte und Reichtümer zu erwerben, und jeder Geistliche, der über den Besitz der Kirche wie über sein Eigentum verfügte, stattete seine Verwandten, Kinder und Enkel mit vollen Händen aus. Da die Kirchengüter sich dadurch beträchtlich verminderten und in den Händen der Familien der Geistlichen zusammenschmolzen, befahlen die Päpste also in ihrer Sorge, den Reichtum im Ganzen zu erhalten, und indem sie sich zu obersten Eigentümern des ganzen Kirchenbesitzes erklärten, der Geistlichkeit den Zölibat, d. h. die Frauenlosigkeit, um zu verhindern, daß der Besitz durch Vererben gemindert wurde. Der Zölibat wurde ursprünglich schon im 11. Jahrhundert eingeführt, aber wegen des großen Starrsinns der Priester allgemein erst Ende des 13. Jahrhunderts angenommen. Damit die Kirche auch nicht den geringsten Teil des Reichtums aus den Händen ließe, gab Papst Bonifatius VIII. 1227 einen Erlaß heraus, der jeglichem Geistlichen untersagte, ohne Erlaubnis des Papstes weltlichen Menschen Schenkungen aus seinen Einkünften zu machen.
So häufte die Kirche in ihren Händen unermeßliche Reichtümer an, besonders Grundbesitz. In allen christlichen Ländern wurde die Geistlichkeit zum größten Grundbesitzer. Gewöhnlich besaß sie den dritten Teil der ganzen Ländereien im Staate, manchmal noch mehr. Nicht nur auf allen Königs-, Fürsten- und Adelsgütern mußte also das Landvolk außer seiner Fronarbeit den Zehnten für die Geistlichkeit abarbeiten, auch auf den ganzen riesigen Flächen der Kirchengüter arbeiteten Millionen von Bauern und Hunderttausende von Handwerkern unmittelbar für die Bischöfe, Erzbischöfe, Domherren, Pröbste und Klöster. Unter den Fronausbeutern des Volkes war im Mittelalter, zur Zeit des Feudalismus, die Kirche der mächtigste Herr und Ausbeuter. Zum Beispiel besaß die Geistlichkeit in Frankreich vor der Großen Revolution, also gegen Ende des 18. Jahrhunderts, ein Fünftel des ganzen Bodens in Frankreich, aus dem sie ein jährliches Einkommen von ungefähr 100 Millionen Franken einstrich.
Die aus den Privatgütern eingenommenen Zehnten betrugen 23 Millionen. Davon wurden 2.800 Prälaten und Obervikare, 5.600 Äbte und Priore, 60.000 Pröbste und Vikare und in Klöstern 24.000 Mönche und 36.000 Nonnen ernährt und unterhalten. Dieses ganze Heer des Klerus war völlig frei von Abgaben und vom Kriegsdienst und gab nur in Jahren allgemeinen Unglücks wie Krieg, Mißernten, Seuchen, eine „freiwillige Abgabe“ an die Staatskasse, die jedoch niemals 16 Millionen Franken überstieg.
Die so begüterte Geistlichkeit bildete mit dem Fronadel zusammen einen Stand, der über das arme Volk herrschte und von seinem Blut und Schweiß lebte. Höhere Kirchenämter wurden als die einträglichsten immer dem Adel gegeben und in adeligen Familien gehalten. Auch deshalb hielt die Geistlichkeit zur Zeit der Fronarbeit überall mit dem Adel zusammen, unterstützte seine Herrschaft, zog zusammen mit dem Adel dem Volk das Fell über die Ohren und brachte es dazu, Not und Erniedrigung in Demut, ohne Murren und Widerspenstigkeit zu ertragen. Die Geistlichkeit war auch der erklärte Feind des Stadt- und Landvolkes, als dieses sich schließlich erhob, um in der Revolution die Fronausbeutung abzuschaffen und die Menschenrechte zu erringen. Allerdings gab es auch innerhalb der Kirchenhierarchie zwei Klassen: die höhere Geistlichkeit raffte den ganzen Reichtum an sich, der Masse der Landpfarrer aber gab man arme Pfarreien, die zum Beispiel in Frankreich jährliche Einkünfte von 500 bis 2.000 Franken einbrachten. Diese benachteiligte niedere Klasse des Klerus erhob sich auch gegen den höheren Klerus, und in der Großen Revolution, die im Jahre 1789 ausbrach, verbündete sie sich mit dem kämpfenden Volk gegen die Herrschaft des weltlichen und geistlichen Adels.
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So wurde im Laufe der Zeit das Verhältnis der Kirche zum Volk völlig auf den Kopf gestellt. Das Christentum entstand als Evangelium des Trostes für die armen und enterbten Klassen. Ursprünglich war es eine Lehre gegen gesellschaftliche Ungleichheit und verkündete die Vermögensgemeinschaft zur Beseitigung der Ungleichheit zwischen Reichen und Armen. Aber allmählich wurde die Kirche aus einem Hort der Gleichheit und Brüderlichkeit zum neuen Verbreiter von Ungleichheit und Unrecht. Nachdem sie den Kampf der ersten Apostel des Christentums gegen das Privateigentum aufgegeben hatte, begann die Geistlichkeit, selbst Reichtümer zu sammeln und an sich zu raffen, und verbündete sich mit den besitzenden Klassen, die von der Ausbeutung der Arbeit des Volkes und von der Herrschaft über das Volk lebten. Im Mittelalter, als der Feudaladel über die Fronbauern herrschte, gehörte die Kirche zum herrschenden Adels stand und verteidigte ihre Herrschaft mit allen Kräften gegen die Revolution. Als dann Ende des 18. Jahrhunderts in Frankreich und Mitte des 19. in ganz Mitteleuropa das Volk Fron und Adelsprivilegien in der Revolution hinwegfegte und die Herrschaft des modernen Kapitalismus begann, da verband sich die Kirche wieder mit den herrschenden Klassen, mit dem Handels- und Industriebürgertum. Mit dem Wandel der Zeiten besitzt die Geistlichkeit jetzt nicht mehr so viel Land wie früher, aber dafür besitzt sie Kapital und bemüht sich, damit so zu spekulieren, daß sie von der Ausbeutung der Arbeit des Volkes in Industrie und Handel, die die Kapitalisten betreiben, einen möglichst großen Teil an sich rafft. So besaß die katholische Kirche in (Österreich zum Beispiel nach eigenen kirchlichen Angaben (vor fünf Jahren) ein Vermögen von über 813 Millionen Kronen, davon ungefähr 300 Millionen an Grund und Boden, 387 Millionen an Obligationen, das heißt an verschiedenen Börsenpapieren, die Prozente bringen, und rund 70 Millionen verleiht die Kirche zu gutem Zins an private ausbeuterische Fabrikanten, Börsenleute usw. So wurde die Kirche aus dem Fronherrn des Mittelalters zum modernen Industrie-und Finanzkapitalisten, und wie sie früher zu der Klasse gehörte, die Blut und Schweiß aus dem Bauern preßte, so gehört sie jetzt zu der Klasse, die sich durch Ausbeutung des Fabrik- und Landarbeiters, durch Ausbeutung des Proletariats bereichert.
Dieser Wandel ist am deutlichsten in den Klöstern sichtbar. In einigen Ländern, wie in Deutschland und Rußland, wurden die katholischen Klöster schon vor längerer Zeit verboten und aufgehoben. Aber dort, wo sie sich bis heute noch fest erhalten haben, wie in Frankreich, Italien, Spanien, dort zeigt sich auch, wie weitgehend die Kirche Teilhaber des heute über das Volk herrschenden Kapitalismus ist.
Im Mittelalter waren die Klöster noch die letzte Zuflucht des armen Volkes. Dort verbarg sich das unterdrückte Volk vor der Grausamkeit der weltlichen Fürsten und Herren, vor den Schrecken des Krieges, dort suchte es Brot und Obdach in letzter Not. Und damals versagten die Klöster dem Bedürftigen kein Krümchen Brot und keinen Löffel Suppe. Man braucht wohl auch nicht daran zu erinnern, daß es im Mittelalter, als es noch nicht diesen allgemeinen Warenhandel gab wie heute, sondern jeder Hof, jedes Kloster fast alles für den eigenen Bedarf mit Hilfe der Fronbauern und Handwerker selbst produzierte, daß es damals für überflüssige Vorräte keinen Absatz gab. Wenn sich mehr Getreide, Gemüse, Holz oder Milchprodukte ansammelten, als die Klosterbrüder selbst verbrauchen konnten, so hatte der Rest fast keinen Wert. Es gab niemanden, dem man es hätte verkaufen können, und Vorräte aufzubewahren, war nicht immer und nicht bei allem möglich. Also ernährten und schützten die Klöster gerne das arme Volk, indem sie ihm einen geringen