Ida Pfeiffer

Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke


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mit Macht aufrecht erhalten.

      Als das für Oesterreich so verhängnißvolle Jahr 1809 kam, war Ida zwölf Jahre alt. Nach dem gerade von ihren Neigungen und Ideen Mitgetheilten wird man es natürlich finden, daß sie das größte Interesse an den Kriegsbegebenheiten nahm. Sie las mit Eifer die Zeitung und verfolgte auf der Landkarte die Stellungen der beiden sich feindlich gegenüberstehenden Armeen. Voll Patriotismus jubelte und tanzte sie, wenn die Oesterreicher siegten, während sie bittere Thränen vergoß, wenn das Kriegsglück den Feinden günstig war. Da das elterliche Haus in einer der lebhaftesten Straßen Wiens lag, so gaben die vielen Truppenmärsche oft Gelegenheit zur Unterbrechung der Studien und zur Formulirung der eifrigsten Wünsche für den Sieg der Oesterreichischen Fahnen. Wenn Ida so von ihrem Fenster aus ihre Landsleute in den Krieg ziehen sah, so bedauerte sie nichts mehr, als daß sie noch zu jung war, um den bevorstehenden großen Strauß mitzukämpfen. Sie glaubte nämlich ihre Jugend sei für sie das einzige Hinderniß, mit in den Krieg zu ziehen.

      Leider siegten die Franzosen, der Feind rückte in die Hauptstadt ein und die Angelegenheiten Oesterreichs standen grundschlecht. Ja, die kleine Patriotin erlebte den Aerger, daß die verhaßten Sieger in Masse im elterlichen Hause einquartirt wurden, bei dieser Gelegenheit die Hauptrolle spielten, am Tisch mitaßen und für alle derartigen Gefälligkeiten die zuvorkommendste Behandlung beanspruchten. Zeigten nun auch alle Hausbewohner den Siegern ein freundliches Aeußere, so konnten weder Bitten, noch Befehle, noch Drohungen das Mädchen veranlassen, daß es den Franzmännern ein gutes Gesicht machte. Sie gab im Gegentheil ihre Gesinnung durch Schweigen und Trotz, und wenn sie direkt von den Feinden aufgefordert wurde, sich zu äußern, durch Worte des Unmuthes und des glühendsten Hasses zu erkennen. Sie sagt über diesen Punkt: „Mein Haß gegen Napoleon war so groß, daß ich den Mordversuch des bekannten Staps in Schönbrunn als eine der verdienstlichsten Thaten betrachtete und den Thäter, als man ihn vor ein Kriegsgericht stellte und erschoß, wie einen Märtyrer verehrte. Ich glaubte, wenn ich selbst Napoleon hätte ermorden können, ich würde keinen Augenblick gezaudert haben.“

      Es ist bekannt, daß man Ida dazu zwang, eine Revue, die Kaiser Napoleon in Schönbrunn über seine Truppen abhielt, mit anzusehen, daß das Mädchen, als der Verhaßte vorüber ritt, ihm den Rücken kehrte und für diese Gesinnungstüchtigkeit mit einer Ohrfeige von mütterlicher Seite belohnt wurde, daß die Mutter sie dann an den Schultern festhielt, dabei aber nichts erreichte, da Ida, während der Kaiser mit seinem glänzenden Stab von Marschällen zum zweiten Mal vorüber ritt, die Augen schloß.

      Mit dem dreizehnten Lebensjahre erhielt sie zum zweiten Male Mädchenkleider, und diesmal für immer. Sie war nun freilich schon verständig genug, die Nothwendigkeit dieser Umwandlung einzusehen; aber nichts destoweniger kostete dieselbe ihr viele Thränen und machte sie sehr unglücklich. Es handelte sich ja dabei nicht nur um andere Kleider, sondern auch um anderes Benehmen, um andere Beschäftigungen, Gewohnheiten und Bewegungen. „Wie linkisch und unbeholfen war ich Anfangs,“ sagt sie in ihrem Tagebuche; „wie lächerlich mußte ich in den langen Kleidern aussehen, als ich dabei noch immer lief und sprang und mich in allem benahm wie ein wilder Junge!“

      „Glücklicher Weise erhielten wir damals einen jungen Mann als Lehrer, der sich meiner ganz besonders annahm. Ich erfuhr später, daß er die Mutter oft im Geheimen bat, mit mir, als einem Kinde, dessen Gedanken von allem Anfang an eine schiefe Richtung gegeben worden war, Nachsicht zu haben. Er selbst behandelte mich mit ungemeiner Güte, mit dem größten Zartgefühl und bekämpfte mit Beharrlichkeit und Geduld meine verkehrten und verworrenen Ideen. Da ich meine Eltern mehr fürchten als lieben gelernt hatte und er, so zu sagen, das erste Wesen war, das mir mit Freundlichkeit und Theilnahme entgegenkam, so hing ich mit schwärmerischer Liebe an ihm. Ich suchte jeden seiner Wünsche zu erfüllen und fühlte mich nie glücklicher, als wenn er mit meinen Bestrebungen zufrieden schien. Er leitete meine ganze Erziehung, und obgleich es mich gar manche Thräne kostete, meinen jugendlichen Träumereien zu entsagen und mich mit Dingen zu befassen, die ich früher mit der tiefsten Verachtung betrachtet hatte, so that ich es doch — ihm zu Liebe. Selbst alle weiblichen Arbeiten, Nähen, Stricken, Kochen u.s.w. lernte ich. Ihm verdanke ich es, daß ich im Verlaufe von drei bis vier Jahren vollkommen zu der Einsicht der Pflichten meines Geschlechtes gelangte, daß aus dem wilden Jungen eine bescheidene Jungfrau wurde.“

      In jener Zeit als Ida der Knaben-Rolle entsagen mußte, keimte in ihr der erste Wunsch die Welt zu sehen. Vom Krieg und vom Soldatenleben wandte sie den Sinn ab, um ihn großen Reisen zuzuwenden; die Reise-Literatur beschäftigte sie auf das Lebhafteste und ersetzte bei ihr das Gefallen an Putz, Bällen, Theatern und allen anderen Vergnügungen, die sonst einen Mädchenkopf ganz anzufüllen pflegen. Wenn sie von Jemanden hörte, der große Reisen gemacht hatte, so erfaßte sie Wehmuth, daß ihr als Mädchen für immer das Glück verschlossen bleiben mußte, das Weltmeer zu durchfurchen und ferne Länder aufzusuchen. Oft lag ihr der Gedanke nahe, mit Naturwissenschaften sich zu beschäftigen; sie unterdrückte ihn aber immer wieder, weil sie darin nur Rückkehr zu den „verkehrten Ideen“ witterte. Es wird gut sein, sich vor Augen zu halten, daß im Anfang unseres Jahrhundertes ein Bürgermädchen, auch aus wohlhabender, angesehener Familie, eine weit einfachere Erziehung erhielt als heut zu Tage.

      Ein wichtiger Abschnitt im Leben Ida Pfeiffer's mag hier nach ihrer eigenen Erzählung seinen Platz finden:

      „In meinem siebzehnten Jahre hielt ein reicher Grieche um meine Hand an. Die Mutter verwarf seinen Antrag, weil der Bewerber nicht katholisch war und ich ihr zum Heirathen noch zu jung schien. Sie fand es unpassend für ein Mädchen unter zwanzig Jähren sich zu verehelichen.“

      „Bei dieser Gelegenheit ging in meinem Inneren eine große Umwandlung vor. Bisher hatte ich nichts geahnt von jener mächtigen Leidenschaft, die den Menschen zum glücklichsten, aber auch zum unglücklichsten Wesen machen kann. Als mich die Mutter von dem Antrage des Griechen unterrichtete, als ich erfuhr, daß es in meiner Bestimmung läge, einen Mann zu lieben und ihm für immer anzugehören, da gewannen die Gefühle, die ich bisher unbewußt in mir getragen, eine feste Gestaltung und es wurde mir klar, ich könne Niemand andern lieben als T..., den Führer meiner Jugend.“

      „Ich wußte nicht, daß auch T... mit ganzer Seele an mir hing; ich kannte ja kaum meine eigenen Gefühle, um wie viel weniger war ich fähig, jene einer anderen Person zu errathen. Als T... jedoch von der Bewerbung um mich hörte, als ihm die Möglichkeit vor Augen trat, mich verlieren zu können, da gestand er mir seine Liebe und beschloß, bei der Mutter um meine Hand anzuhalten.“

      „T... hatte sich dem Staatsdienste gewidmet und bereits seit einigen Jahren eine Anstellung erhalten, von deren Gehalt er ganz gut leben konnte. Schon lange war er von dem Beruf eines Lehrers zurückgetreten, ohne jedoch deshalb unser Haus seltener zu besuchen. Er brachte im Gegentheil fast alle freien Stunden bei uns zu, als ob er ganz zur Familie gehörte. Meine fünf Brüder waren seine Freunde und die Mutter hatte ihn so gerne, daß sie ihn oft „ihren lieben sechsten Sohn“ nannte. Er fehlte bei keiner Gesellschaft in unserem Hause und bei keiner Einladung, der wir folgten. Bei Theaterbesuchen, Spaziergängen u.s.w. war er stets unser Begleiter. Was war natürlicher, als daß wir beide uns überredeten, die Mutter habe uns für einander bestimmt und werde wahrscheinlich nur die Bedingung setzen, daß wir warten sollten bis ich mein zwanzigstes Jahr erreicht und T... eine bessere Anstellung erlangt haben würde?“

      „T... hielt daher um meine Hand an.“

      „Doch wer vermag unsere schmerzliche Ueberraschung zu schildern, als die Mutter ihre Einwilligung nicht nur ganz und gar versagte, sondern auch T... von diesem Augenblick an gerade so haßte, wie sie ihm früher gewogen war. Gegen T... konnte kein anderer Grund vorliegen, als daß ich einmal ein ziemlich großes Vermögen zu erwarten hatte, und daß T... vor der Hand nur einen bescheidenen Gehalt bezog. Hätte die Mutter ahnen können, was später aus meinem Vermögen wurde, wie sich mein Loos so ganz anders gestaltete als sie es in ihren Gedanken sich zurecht gelegt hatte, sie würde mir den tiefsten Kummer und endloses Leid erspart haben!“

      „Nach dem Antrage T...'s hätte die Mutter gewünscht, mich so rasch als möglich zu verheirathen. Ich erklärte jedoch bestimmt, daß ich T...'s Frau werden oder unverheirathet bleiben wolle. T... durfte natürlich unser Haus nicht mehr betreten, und da meine Mutter wußte, wie