Ida Pfeiffer

Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke


Скачать книгу

hat, daß eine solche Schlucht dazwischen liegen könne. — Es war eine Spalte kaum 4-5 Klafter breit, dafür aber mehrere hundert Fuß tief, und da mußten wir hinab, auf einem schmalen, schroffen, höchst gefährlichen Pfade, über große Lavatrümmer. Je tiefer man kommt, desto schauerlicher gestaltet sich die Bahn, desto ängstlicher wird Einem zu Muthe. — Auf hochaufgethürmten Lavawänden, die den ganzen langen Schlund, gleich einer Gallerie umschließen, stützen sich lose und schwebend, in Form von Pyramiden oder Säulentrümmern, einzelne Steinkolosse, die dem armen Wanderer mit Tod und Vernichtung drohen. Stumm, ängstlich und beklommen klettert man hinab, durchzieht einen Theil dieser Kluft, und wagt kaum aufzublicken, viel weniger auch nur den geringsten Laut von sich zu geben, um ja nicht diese Steinlawinen, von deren furchtbarer Gewalt umherliegende Felstrümmer zeugen, zu erschüttern und zum Sturze zu bringen. — Merkwürdig ist das Echo, das den schwächsten Hufschlag, den leisesten Ton wiedergibt.

      Einen ganz eigenthümlichen Anblick gewährt es, wenn man bereits in der Tiefe angelangt, erst die Pferde hinab klettern läßt; es sieht gerade so aus als hingen sie an den Wänden.

      Diese Schlucht ist unter dem Namen Almanagiau bekannt. Ihre Länge beträgt ungefähr eine viertel Meile, doch kann man nur eine kurze Strecke durchwandeln; der größere Theil davon ist durch über einander geworfene Lavatrümmer gänzlich versperrt. — Auf der rechten Seite theilt sich die Felswand, und bildet den Ausweg, der ebenfalls wieder über schreckliche Lavamassen in das schöne, große Thal Thingvalla führt, — Mir kam es vor, als wandelte ich in den Tiefen eines Kraters, der vor undenklichen Zeiten in fessellosem Wüthen diese Wände um sich aufgestellt hatte.

      Das Thal Thingvalla gilt für eines der schönsten in Island. Es enthält mehrere Wiesengründe, die dem Menschen eine genügende Zufluchtsstätte gewähren und ihn in den Stand setzen, selbst mehreres Vieh zu halten. — Der Isländer hält dieß kleine, grüne Thal für den schönsten Fleck der Erde. — Das Oertchen Thingvalla liegt unweit vom Ausgange der Schlucht, jenseits des Flusses Oxer, am See und besteht aus 3-4 Kothen und einem Kirchlein. — Man sieht einige einzelne Höfe und Kothen zerstreut liegen.

      Einst war Thingvalla einer der wichtigsten Orte in Island, und noch zeigt man dem Fremdling die Wiese, die sich unweit des Oertchens befindet, auf welcher jährlich der Alldings (die Gerichtsversammlung) unter Gottes freiem Himmel gehalten wurde. — Hier versammelten sich das Volk und seine Führer, und schlugen gleich Nomaden ihre Zelte auf. — Hier war es auch, wo manche Meinung, manches Recht durch Gewalt der Waffen durchgesetzt wurde. Friedlich erschienen die Häuptlinge an der Spitze ihrer Anhänger, und doch kehrte gar Mancher von ihnen nicht wieder heim; er fand unter den Streichen seines Gegners die Ruhe, die Niemand sucht, und doch Jeder findet.

      Eine Seite des Thales ist vom See begrenzt, die andere von schönen Bergen, deren einige ich noch ziemlich mit Schnee bedeckt fand. — Der Fluß Oxer bildet unweit des Ausganges der Schlucht einen schönen Fall über eine ziemlich hohe Felswand.

      Es war noch der schönste Tag, als ich zu Thingvalla ankam, und der Himmel wölbte sich rein und klar über die ganze Landschaft. Um so wunderbarer kam es mir vor, einige Wolken an der Mitte der Berge schweben zu sehen, die bald einen Theil derselben einhüllten, bald sich, gleich Kränzen, um ihre Spitzen wanden, oder in ihr Nichts zerflossen, um an einer andern Stelle gleich wieder zu erscheinen. —

      Es ist dieß eine Erscheinung, die man an den heitersten Tagen in Island sehr häufig wahrnimmt; ich beobachtete sie oft an den Gebirgen um Reikjavik. Der Himmel war rein, glänzend und wolkenlos, plötzlich zeigte sich ein Wölkchen am Rande eines Berges, das oft im Augenblicke zur Wolke wurde, und eine Zeitlang ruhig stehen blieb, dann wieder zerrann, oder auch wohl langsam weiter schwebte, — ein Spiel, das, wenn auch oft gesehen, doch immer lieblich bleibt.

      Der Pastor zu Thingvalla, Herr Bech, bot mir zur Nachtherberge seine Hütte an, die aber eben nicht viel besser aussah, als jene der nachbarlichen Bauern, und so zog ich es vor, mich in der Kirche einzuquartiren, wozu man stets nur zu bereitwillig Erlaubniß erhält. Dieß Kirchlein ist nicht viel größer als jenes zu Krisuvik, und steht von den paar Kothen etwas entfernt. Dieß mag vielleicht Ursache gewesen sein, daß ich keine lästigen Besuche erhielt. Mit meinen stummen Nachbarn im kühlen Grabe war ich auch schon vertrauter geworden, und so verbrachte ich die Nacht recht ruhig auf einer der hölzernen Kisten, die ich da vorfand. Ueberall ist nur der Anfang schwer; hat man einige so düstere Nächte überwunden, so achtet man kaum mehr darauf.

      17. Juni.

      Unsere heutige Station war noch stärker als die gestrige. Wir hatten, wie man mir sagte, bis Reikholt (auch Reikiadal genannt) eilf volle Meilen zu machen. — Nach der Karte kann man die Entfernungen nicht immer genau bemessen; es thürmen sich oft unwegsame Gegenden dazwischen auf, die man nur in großen Umkreisen umgehen kann. So war es auch heute der Fall. Nach der Karte hätte man denken sollen, daß die Entfernung von Thingvalla nach Reikholt viel geringer sei, als jene von Reikiavik nach Thingvalla, und doch ritten wir über 14 Stunden. — um zwei Stunden länger als bei unserer gestrigen Tour.

      So lange der Weg durch das Thal Thingvalla führt, hat man der Abwechslungen mehrere. Bald hat man einen Arm des Flußes Oxer zu übersetzen, bald sieht man eine artige Wiese und bald kömmt man sogar durch kleine Waldpartieen, d. h. nach der Isländer Meinung; — denn bei uns zu Lande würde man dergleichen reizende Partieen für unnützes Gestrüppe ansehen, und ausrotten. Es wuchert am Boden fort, und erhebt sich kaum 2 bis 3 Fuß hoch. Erreicht einmal ein Stämmchen bei 4 Fuß, so gehört es schon zu dem Riesengeschlechte der Bäume. Der größte Theil dieser eingebildeten Wälder gedeiht auf der Lava, die das Thal überdeckt.

      Die Lavabildung ist hier wieder anderer Art. Bisher hatte ich sie meist nur als Gerölle, oder in größeren Steinmassen, oder als Ströme über einander geschichtet gesehen, hier aber überdeckte sie den größten Theil des Bodens in der Form von flachen ungeheuren Felsplatten oder Felspartieen, die sich oft in Tiefen spalteten. Ich sah lange Klüfte von 8-10 Fuß Breite und 10-15 Fuß Tiefe. In diesen Spalten blühten die Blumen etwas zeitlicher, und auch das Farnkraut wuchs höher und üppiger als auf der rauheren Oberwelt.

      Nachdem man das Thal Thingvalla durchzogen hat, wird die Reise sehr einförmig. Die weitere Gegend ist gänzlich unbewohnt; wir legten viele Meilen zurück ohne auf eine einzige Kothe zu stoßen. Von einem öden Thale kamen wir in das andere; alle waren mit lichtgrauem, gelblichem Lava-Gerölle überdeckt , stellenweise auch mit schönem feinem Sande, in welchem die Pferde bei jedem Schritte bis über den Huf einsanken. Die Gebirge, welche die Thäler umgaben, gehörten nicht zu den höchsten; selten, daß ein Jokul (Gletscher) aus ihnen hervor leuchtete. Die Berge sahen wie polirt; die Seiten waren vollkommen glatt und glänzend. Nur an manchen Bergen bildeten Lavamassen herrliche Gruppen, welche Säulentrümmern und Resten antiker Bauten glichen und an den glatten Wänden ganz eigenthümlich schön hervorragten.

      Die Berge haben verschiedene Farben, sie sind schwarz, braun, grau, lichtgelb u.s.w.; und wunderbar machen sich die Schattirungen und Abstufungen dieser Farben im hellen Glanze der Sonnenbeleuchtung.

      Nachdem wir neun Stunden unausgesetzt geritten waren, kamen wir auf einen sehr großen Moorgrund, der höchst spärlich mit Gras bewachsen war. Und dennoch war dieß der einzige Weideplatz, der uns auf der langen Strecke zwischen Thingvalla und hier vorkam. Wir machten also da zwei Stunden Rast, um unsern armen Pferden ein kärgliches Mahl zu gönnen. — Ganze Schwärme von kleinen Mücken, die Einem beinah in Mund, Nase und Augen flogen, machten diesen Aufenthalt zu einer wahren Qual.

      Auf diesem Moorgrunde befand sich auch ein kleiner See, und hier war es, wo ich zum ersten Mal eine kleine Schaar von Schwänen sich niederlassen sah. Leider sind diese Thiere aber so außerordentlich scheu, daß sie sich bei der leisesten Annäherung eines Menschen mit Blitzesschnelle in die Lüfte heben. Ich mußte mich also begnügen diese stolzen Vögel immer nur von der Ferne zu betrachten. — Sie halten sich immer paarweise zusammen, und der größte Schwarm, den ich sah, bestand aus vier Paaren.

      Schon seit meiner Ankunft auf Island hatte ich dessen Einwohner für ein etwas träges Volk gehalten; heute ward ich in dieser Meinung bestärkt, und zwar durch eine Kleinigkeit. — Der Moorgrund, auf dem wir Rast hielten,