gehalten. Brocken, die als Kometen in Richtung des Systems wanderten, verschwanden auf Nimmerwiedersehen in der Sphäre.
Das Herz ihres Reiches zu verlieren hatte die Arkoniden schwer getroffen, insbesondere da der Anfang zeitgleich mit dem Abtritt des letzten reellen Imperators erfolgt war. Durch die nach der dys-chronen Scherung aus dem Atopischen Konduktor auf Arkon III entstandene Bleisphäre war für sie das Heimatsystem nun ebenso entrückt wie das Ewige Imperium.
Daher hatte es sich eingebürgert, nicht mehr über das Arkonsystem zu sprechen. Die Bleisphäre wurde gleichfalls nur erwähnt, wenn es unumgänglich war, und selbst dann widerwillig. Vermutlich handelte es sich jedoch nicht um einen dem Terranischen Odium vergleichbaren, extern induzierten Effekt, sondern um ein echtes psychisches Trauma.
Wie auch immer: Die Messdaten der Bleisphäre selbst zeigten entweder chaotische und widersprüchliche Werte oder gar nichts, als wäre das System nicht mehr vorhanden oder zumindest ortungstransparent. Es war, als wendete sich die Bleisphäre von der Realität ab.
Die Wissenschaftler vor Ort hatten dafür den Ausdruck Realitätsgezeiten geprägt: Realisation und De-Realisation oszillierten hin und her. Der Wechsel zwischen diesen beiden Phasen ließ sich nicht verlässlich vorhersagen.
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Aktuell etwa zwei Lichttage von der Bleisphäre entfernt befand sich das Sternenrad der Cairaner: ein Doppelsystem aus zwei rot-orangefarbenen Sonnen, die um den gemeinsamen Schwerpunkt eines Weißen Loches kreisten.
Von diesem austretende Energie- und Materieströme bildeten Lichtfontänen, einen das ganze Gebilde umgebenden »Weißen Schirm«, der Betrachtern den optischen Eindruck eines sich drehenden Rades vermittelte. Tatsächlich bestand es aus zwei Teilen, einem oberen und einem unteren. Die beiden flachen Hemisphären rotierten langsam, kaum sichtbar gegenläufig.
Das Sternenrad bewegte sich per Hyperschub überlichtschnell durchs Universum. Die enorme Maschinerie, die das bewerkstelligte, beruhte nicht auf cairanischer Technologie, sondern auf Beutestücken der Vecuia, die diese eigentlich hätte entsorgen sollen. Jene Relikte stammten aus der Mächtigkeitsballung der Superintelligenz HATH'HATHANG.
Brisant an der regionalen Lage war, dass das Sternenrad auf die Bleisphäre zudriftete, ja eigentlich sogar darauf zustürzte. Interferenzen unbekannter Art traten zwischen den vom Hyperschub ausgelösten hyperphysikalischen Phänomenen und der Bleisphäre auf.
Die Wissenschaftler der RAS TSCHUBAI und ihre Kollegen auf den Schiffen anderer beteiligter Parteien befürchteten, dass das Sternenrad außer Kontrolle geriet. Wenn das nicht bereits geschehen war ...
Drohte die Bleisphäre das exotische Doppelsonnensystem mit vielen Milliarden Lebewesen in den Untergang zu reißen? Und falls das Sternenrad unkontrolliert in die Bleisphäre eintauchte – welche katastrophalen Folgen würde dies für den gesamten Kugelsternhaufen M 13 nach sich ziehen?
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Auf einem Drittel der Strecke zwischen Bleisphäre und Sternenrad – also in einer Entfernung von etwa 17 Milliarden Kilometer, wo die Realitätsgezeiten nicht mehr schlagend wurden – hatte der Golem Position bezogen. Die RAS TSCHUBAI wiederum stand zwei Lichtstunden vom Golem Richtung Sternenrad.
Die Flottille der ausgeschleusten Space-Jets bewegte sich mit etwas über 50 Prozent der Lichtgeschwindigkeit auf den Raumriesen zu, der aus der Kopplung der Pseudo-THORA mit zwei ähnlich gigantischen cairanischen Augenraumern entstanden war. Das Gebilde wirkte wie ins Monströse entstellt: eine neue militärische Supermacht, die sich zwischen allen Stühlen befand und sich von allen verfolgt wusste oder glaubte.
Aufgerüstet mit Unmengen von Vitalenergie, mit Bioplikaten und zahlreichen Futuroskopen ...
Ein Teil des Schwarms aus Diskusbeibooten flog den Golem offen an, in weit gefächerter Formation. Etwa ein Drittel hatte die LAURIN-Antiortungssysteme aktiviert, einen hochklassigen Schutz vor Tastern und Ortern mittels Eigenemissionsdämpfern, Hypertaster-Deflektoren und Librationstarnern.
Die ZALTERTEPE-Jets, darunter jene, in der sich Gucky und seine Kameraden befanden, benutzten den Paros-Schattenschirm. Durch Teilentmaterialisierung oder »halbstoffliche Entrückung« hatten sie sich für den außenstehenden Beobachter in unscharfe, flimmernde, dreidimensionale Schatten verwandelt. Da sie in einen höhergeordneten Zwischenzustand verschoben waren, brachten sie anderen Körpern keinen Widerstand mehr entgegen.
Kombiniert mit einem Deflektor waren die derart getarnten Schiffe für Fremdortung so gut wie unsichtbar. Auch normaloptisch, weil nichts reflektiert wurde. Selbst vor dichtem Sternenhintergrund oder dahinter passierenden, beleuchteten Objekten sollte sich nicht einmal ein Schatten zeigen.
Nach menschlichem Ermessen, dachte Gucky.
Freilich wusste niemand, ob der Golem, aufgrund seiner ungeheuren Ansammlung von rigoros abgeernteter Vitalenergie, inzwischen nicht selbst darauf vorbereitet war.
2.
Die Dohle und der Kompass
Ich hatte einen Stein im Schuh.
Es waren alte, feste Schuhe, oft getragen, abgewetzt, aber noch ganz gut in Schuss. Schlichte Modelle ohne Schnickschnack. Die Verschlüsse öffneten sich nicht auf Zuruf, sondern mussten von Hand betätigt werden.
Nachdem ich das Steinchen zusammen mit einigen Grashalmen und Blättern hinausgeschüttelt, den Schuh wieder angezogen und mich aufgerichtet hatte, merkte ich erst, wie müde, hungrig und durstig ich war. Aber ich hatte keinen Proviant, keine Wasserflasche.
Ganz zu schweigen von einem Antigravgürtel, um das Gewicht des Rucksacks zu mildern. Das Schwerste daran war die Leere darin.
Ich stapfte weiter.
Der Weg schlängelte sich eine steile Bergflanke hinan. Dürre Dornbüsche stellten die einzige höhere Vegetation dar.
Auf bis zu fingerlangen Stacheln waren verschiedene Käfer, aber auch Mäuse und andere kleine Wirbeltiere aufgespießt. Manche Tiere, erinnerte ich mich, legten solche Vorratsplätze an, beispielsweise der terranische Neuntöter.
So groß war mein Hunger nun auch wieder nicht, dass ich ernsthaft erwogen hätte, mich an den Tierkadavern zu bedienen ...
*
Leichter Nieselregen fiel. Feuchter Bodennebel stieg auf und hüllte mich ein.
Das kümmerte mich nicht. Meine dünne Kleidung war sowieso schon vom eigenen Schweiß komplett durchnässt. Wenn mich Windböen trafen, schlotterte ich vor Kälte.
Trügerischer Untergrund hemmte mein Vorankommen. Manchmal versank ich knöcheltief im Schlamm. Dann wieder rutschte ich, da die Sohlen kaum noch Profil hatten, auf losem Geröll meterweit zurück.
Gelegentlich musste ich, um nicht zu straucheln und abzustürzen, die Arme zu Hilfe nehmen. An scharfkantigen Steinen scheuerte ich mir Fingerkuppen und Handflächen blutig.
Die Serpentinen endeten vor einem Felskamin. Den Rücken an die eine Seitenwand gepresst, die Beine gegen die andere gestemmt, kletterte ich hoch.
Meine Jacke verfing sich in einem hervorstehenden Eisenstift. Beim Versuch, sie freizubekommen, riss ich sie entzwei.
Oben verlor sich der Weg zwischen Krüppelkiefern. Die krummen Gewächse bildeten ein nahezu undurchdringliches Dickicht. Bis zu zehn Zentimeter lange Nadeln zerkratzten mir Arme und Gesicht.
Keuchend kämpfte ich mich durch den Latschenfilz. Der intensive Harzgeruch und die von den Legföhren gespeicherte Hitze drohten mir den Atem und die Besinnung zu rauben.
Unangenehme Fragen drängten sich auf. Seit wann war ich so empfindlich?
Meine Kondition ließ sehr zu wünschen übrig. Immer wieder musste ich anhalten, um meinen Pulsschlag einigermaßen zu normalisieren.
Und sollten die zahlreichen kleinen Wunden nicht eigentlich viel schneller verheilen?
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