Drachen, der sich prompt auf Sie stürzen wird. So ist es mir ergangen, als ich meine Zigarette anstecken wollte …«
Krankenschwestern hasteten vorbei, mit Schüsseln, Eimern, Tabletts voller Flaschen und vernickelter Instrumente.
»Ist er immer noch drin?«
Es war Viertel vor neun.
»Seit vier Uhr operiert man ihn schon.«
»Und? Neuigkeiten?«
»Nein … Ich habe versucht, in dem Büro da links etwas zu erfahren, aber die Alte …«
Es war die Oberschwester, die Créac den Drachen genannt hatte. Maigret klopfte. Eine wenig liebenswürdige Stimme rief:
»Herein! Was gibt’s?«
»Entschuldigen Sie die Störung, Madame. Ich bin Kriminalkommissar Maigret …«
Der kalte Blick der Frau schien zu sagen:
»Na und?«
»Können Sie mir etwas über den Zustand des Inspektors sagen, den man gerade operiert.«
»Erst wenn die Operation beendet ist … Ich weiß bloß, dass er nicht tot ist, denn der Professor ist noch nicht herausgekommen.«
»Konnte er sprechen, als man ihn hergebracht hat?«
Sie sah ihn an, als hätte er eine blöde Frage gestellt.
»Er hatte sehr viel Blut verloren, wir mussten ihm sofort eine Transfusion geben.«
»Wann, glauben Sie, wird er das Bewusstsein wiedererlangen?«
»Das müssen Sie Professor Mingault fragen.«
»Falls Sie ein Einzelzimmer haben, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie es für ihn reservieren würden. Es ist wichtig. Ein Inspektor wird an seinem Bett wachen …«
Sie spitzte die Ohren, denn die Tür zur Chirurgie hatte sich geöffnet, und im Flur erschien ein Mann, der auf dem Kopf eine Haube trug und über seinem weißen Kittel eine blutbefleckte Schürze.
»Herr Professor, hier ist jemand, der …«
»Kommissar Maigret.«
»Angenehm.«
»Lebt er?«
»Ja, noch lebt er … Sofern keine Komplikationen auftreten, dürfen wir hoffen, dass er durchkommt.«
Seine Stirn glänzte von Schweiß, er sah erschöpft aus.
»Noch etwas … Es wäre wichtig, dass er ein Einzelzimmer bekommt …«
»Kümmern Sie sich darum, Madame Drasse … Gestatten Sie?«
Mit großen Schritten ging er zu seinem Büro. Die Tür öffnete sich von Neuem. Ein Krankenpfleger schob ein fahrbares Bett heraus, auf dem sich unter einem Laken ein Körper abzeichnete. Von dem steif daliegenden Lognon sah man nur den oberen Teil des Gesichts.
»Bringen Sie ihn in Nummer 218, Bernard …«
»Sehr wohl, Madame.«
Sie folgte dem Bett. Maigret, Lapointe und Créac schlossen sich ihr an. Eine düstere Prozession: In fahlem Licht, das durch die hohen Fenster fiel, ging es vorbei an den Krankensälen mit ihren Bettenreihen. Es war wie in einem bösen Traum.
Ein Assistenzarzt, der aus dem Operationssaal kam, schloss sich ebenfalls dem Zug an.
»Sind Sie ein Angehöriger?«
»Nein … Kommissar Maigret …«
»Ach! Sie sind das?«
Er warf ihm einen neugierigen Blick zu, als wollte er sich vergewissern, dass Maigret dem Bild entsprach, das er sich von ihm gemacht hatte.
»Der Professor sagt, er könnte durchkommen.«
Es war eine Welt für sich, in der die Stimmen nicht den gleichen Klang hatten wie anderswo und die Fragen ohne Echo blieben.
»Wenn er das gesagt hat …«
»Wissen Sie vielleicht, wie lange es dauern wird, bis er wieder bei Bewusstsein ist?«
War Maigrets Frage derart absurd, dass man ihn so ansehen musste? Die Oberschwester ließ die Polizeibeamten nicht in das Zimmer eintreten.
»Nein. Noch nicht.«
Man musste den Verletzten ins Bett legen und zweifellos behandeln, denn zwei Schwestern brachten Verschiedenes, darunter ein Sauerstoffzelt.
»Bleiben Sie hier im Flur, wenn es unbedingt sein muss. Gern sehe ich das allerdings nicht. Es gibt Besuchszeiten …«
Maigret sah auf die Uhr.
»Ich glaube, ich lasse Sie jetzt allein, Créac. Versuchen Sie, bei ihm zu sein, wenn er das Bewusstsein wiedererlangt. Falls er in der Lage ist, zu sprechen, notieren Sie sich genau, was er sagt …«
Er fühlte sich nicht gedemütigt, nein, das nicht, aber er spürte ein gewisses Unbehagen, denn er war es nicht gewohnt, so unfreundlich behandelt zu werden. Seine Bekanntheit machte keinen Eindruck auf die Menschen hier, für die Leben und Tod eine andere Bedeutung hatten als für gewöhnliche Sterbliche. Er war erleichtert, als er sich im Hof seine Pfeife anstecken konnte, während Lapointe sich eine Zigarette anzündete.
»Du solltest schlafen gehen. Fahr mich nur noch zur Mairie des 18.«
»Kann ich nicht bei Ihnen bleiben, Chef?«
»Du hast die ganze Nacht …«
»In meinem Alter, wissen Sie …«
Die Mairie war ganz in der Nähe. Im Büro der Inspektoren saßen drei Beamte in Zivil über ihre Schreibmaschinen gebeugt und verfassten Berichte, was sie wie gewissenhafte Angestellte aussehen ließ.
»Guten Tag, Messieurs … Wer von Ihnen weiß etwas über den Fall?«
Er kannte auch sie. Wenn nicht dem Namen nach, so doch zumindest vom Sehen. Alle drei hatten sich erhoben.
»Jeder von uns und niemand …«
»Hat jemand Madame Lognon benachrichtigt?«
»Durantel ist zu ihr gegangen.«
Auf dem Fußboden sah man die Spuren feuchter Sohlen, es roch nach kaltem Rauch.
»War Lognon mit einem bestimmten Fall befasst?«
Sie blickten sich zögernd an. Schließlich begann einer von ihnen, ein kleiner Dicker:
»Das haben wir uns auch gerade gefragt … Sie kennen ja Lognon, Herr Kommissar … Er tat meistens sehr geheimnisvoll, wenn er meinte, eine Spur entdeckt zu haben … Manchmal war er wochenlang mit einem Fall beschäftigt, ohne uns ein Wort davon zu sagen.«
Weil der arme Lognon es gewohnt war, dass andere an seiner Stelle den Ruhm ernteten!
»Seit mindestens zwei Wochen tat er wieder einmal geheimnisvoll, und manchmal, wenn er ins Büro zurückkam, machte er ein Gesicht, als hätte er eine große Überraschung auf Lager.«
»Und er hat kein Wort darüber verlauten lassen?«
»Nein. Aber er hat sich ständig für den Nachtdienst einteilen lassen.«
»Weiß man, wo im Viertel er gearbeitet hat?«
»Die Streifen haben ihn mehrmals in der Avenue Junot gesehen, unweit der Stelle, wo auf ihn geschossen wurde … Aber in letzter Zeit nicht mehr … Er verließ das Büro um neun Uhr abends und kam um drei oder vier Uhr morgens wieder … Manchmal tauchte er die ganze Nacht nicht mehr auf.«
»Hat er keine Berichte geschrieben?«
»Ich habe im Register nachgesehen. Da steht nur ein Wort: ›Nichts.‹«
»Sind Männer von hier am Tatort?«
»Drei, unter Chinquiers Leitung.«
»Journalisten?«