Luca Caioli

Mbappé


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musste.“

      Mutter und Vater kümmerten sich sehr um die Erziehung und Ausbildung ihres Erstgeborenen. Sie meldeten ihn zu Tennis- und Schwimmkursen und zum Musiktheater an, wo er Flöte spielen lernte. Und um zu gewährleisten, dass er nicht an die falschen Leute geriet, schickten sie ihn schließlich auf eine katholische Privatschule in Bondy: die Groupe Scolaire Assomption. Auch dort wachten sie stets über ihn. Seine Französischlehrerin Nicole Lefèvre erinnert sich, dass er der einzige Schüler in der 8. Klasse war, der einen Laufzettel hatte. Nach jeder Stunde musste er sich diesen vom Lehrer unterschreiben lassen, der vermerkte, wie er sich betragen hatte: gut, sehr gut oder schlecht.

      Intelligent, lebhaft, spitzbübisch, ein Träumer, nett, aber auch hyperaktiv, ungezogen und schwer zu handhaben – so wird er von einigen seiner Lehrer beschrieben. Das Problem war nicht Französisch, Geografie oder Mathe – seine Noten waren meist zufriedenstellend. Das Problem war sein Betragen, seine Art, Dinge anzugehen, und seine Streiche. Er war ein Junge, der nicht still an seinem Pult sitzen und den Ausführungen des Lehrers folgen konnte. Ihm wurde schnell langweilig. Die Langsamkeit, mit der in der Schule alles voranging, lag ihm nicht. Vielleicht war es aber auch nur so, dass „die Schule nicht seine Priorität war. Kylian hatte nur einen Gedanken im Kopf und der war, Fußballprofi zu werden“, sagt Suner.

      „Er liebte Fußball, dachte an Fußball und redete über Fußball die ganze Zeit, auch wenn er nicht hier war. Er spielte daheim im Wohnzimmer oder saß vor der PlayStation und zockte eine Runde FIFA. Und wenn ein Spiel im Fernsehen lief, konnte man darauf wetten, dass er es nicht verpassen würde. Und noch dazu wuchs er in einer Familie auf, in der alle Fußball liebten, sein Vater und sein Onkel“, erzählt Riccardi.

      Talent, Leidenschaft, Entschlossenheit und familiäre Wurzeln: ein Cocktail, der Kylian zu einem kleinen Genie machte, das bei Trainern und Mitspielern gleichermaßen beliebt war. „Alle waren sehr beeindruckt von ihm, sowohl die Spieler unserer Mannschaft als auch unsere Gegner“, erinnert sich Théo Suner, der bei der AS Bondy mit Kylian in fast jeder Altersklasse spielte und heute Torhüter der U19 in der D1 ist. „Wann immer er den Ball bekam, spielte er mehrere Spieler auf einmal aus. Ich erinnere mich an ein U11-Turnier in Tremblay, wo er unglaublich war. Wir kamen ziemlich weit, obwohl Klubs wie der FC Porto und Feyenoord Rotterdam dabei waren. Er trug die Mannschaft durch das ganze Turnier. Ich habe mit vielen Fußballern gespielt, die später Profis wurden, und ich habe so etwas noch nie gesehen, niemand erreichte auch nur annähernd sein Niveau. Er dribbelte entweder sämtliche Gegner aus, schoss Tore oder bereitete welche vor.“

      „In der U13, in den unteren Ligen, brachte er es problemlos auf 50 Tore in einer Saison. Wir hörten irgendwann auf zu zählen. Er konnte drei Tore in einem Spiel machen und noch zwei weitere vorbereiten. Bei uns spielte er immer auf der linken Seite. Auf dem rechten Flügel war Jonathan Ikoné, der aktuell bei Montpellier als Leihgabe von PSG spielt. Sie verstanden sich gut, sowohl auf als auch neben dem Platz. Kylian war ein guter Freund, er war witzig und hatte immer ein Lächeln auf den Lippen. Er hatte nie irgendwelche Probleme mit Mitspielern oder mit mir. Nein, er war nicht der Leader der Mannschaft, wie es ein Kapitän ist, der seinen Kollegen auch mal die Hölle heißmacht, aber er wurde ein Leader auf dem Platz, er war der Leader einer tollen Mannschaft.“

      Neben den beiden bereits Genannten zählten zum 1998/99er-Jahrgang der AS Bondy noch Joé Kobo (heute bei Caen) und Metehan Güçlü (heute bei PSG). Aber Kylian war der Star der Mannschaft. „Ich erinnere mich an ein Ligaspiel, es ging um den Klassenerhalt. Wir lagen 2:0 vorn, aber der Gegner verkürzte auf 1:2. Einer seiner Mitspieler meinte zu Kylian, sie würden jetzt bestimmt noch den Ausgleich kassieren. Er antwortete, er solle ruhig bleiben und abwarten, er werde gleich ein Tor machen. Dann schnappte er sich in unserer Hälfte den Ball, dribbelte an allen vorbei, tauchte allein vor dem Torwart auf, schickte ihn mit einer Körpertäuschung in die falsche Ecke und traf dann mit einem Heber à la Messi. Sein Vater saß neben mir auf der Bank und wollte ihn umbringen, weil er nicht mit dem letzten Ernst zur Sache ging. Wenn das passierte, sagte ich ohne nachzudenken zu ihm: ,Bringe ihn nicht um, gratuliere ihm!‘“

      Die Erinnerungen reißen nicht ab. François Suner hat noch eine, vielleicht eine der schönsten an den lebhaften kleinen Kerl im grün-weißen Trikot mit der Nummer 10 auf dem Rücken. „Wir hatten ein wichtiges Match gegen Bobigny. Zur Halbzeit stand es 0:0, und wir waren völlig von der Rolle. Es stimmt, dass wir in unseren Teams gerne den Ball haben, das Spiel diktieren und den Ball zirkulieren lassen, aber an diesem Tag kamen wir nicht in Tritt. In der Pause ging ich in die Kabine und bat den Trainer, ein paar Worte sagen zu dürfen. Ich wandte mich an die Spieler und sagte: ,Hört zu, wir lassen uns heute nicht aus der Ruhe bringen. Es ist ganz einfach, in der zweiten Halbzeit werden wir den Ball einfach immer Kylian geben. Das ist alles.‘ Wir gewannen 4:0, und er war derjenige, der alle Tore schoss.“

      Eine letzte Frage: Mochte Kylian Pfannkuchen mit Nutella? „Als er bei uns spielte, gab es die Snackbar leider noch nicht“, sagt Airouche. „Aber heute kann er ja einiges nachholen, wenn er zu Besuch ist.“

      Kapitel 4

      Die neue Attraktion

      Welcher Scout in der Île-de-France hatte den Spieler als Erster erspäht? Schwer zu sagen. Es gibt viele, die von sich behaupten, das Wunderkind entdeckt zu haben. Bald fanden sich Dutzende Talentsucher ein. Bei den Spielen der AS Bondy herrschte großer Zuschauerandrang, und manche wären auch bereit gewesen, Geld zu bezahlen, um das Phänomen spielen zu sehen.

      Der damals 27-jährige Reda Hammache scheint aber einer der ersten Vertreter eines Profiklubs gewesen zu sein, der auf Kylian aufmerksam wurde. Er fuhr zu jener Zeit zweigleisig, war einerseits Trainer beim nahegelegenen Verein US Saint-Denis und andererseits Scout für die Region Paris in Diensten von Stade Rennes. In letzterer Funktion verschlug es ihn im Februar 2009 nach Bondy. Er war auf Empfehlung eines Trainers des ansässigen Klubs hingekommen, um sich ein Spiel der U13 im Stade Robert-Gazzi anzuschauen, der anderen Spielstätte der AS Bondy, in pittoresker Umgebung zwischen Bahnhof und Arbeiterwohnsiedlung gelegen. „Ich fühlte mich beinahe in eine andere Zeit versetzt!“, scherzt der frühere Verteidiger, der einst auf regionaler Ebene kickte und es mittlerweile in die Scouting-Abteilung des Erstligisten OSC Lille geschafft hat, wo er sich einen Namen als Fachmann für den französischen Markt gemacht hat. „Der Platz war an dem Tag hart wie Beton, trotzdem war Kylians Talent nicht zu übersehen. Da er zwei Jahre oberhalb seiner Altersklasse spielte, war er kleiner und schmächtiger als alle anderen, aber er war schon damals überragend und besaß eine natürliche Eleganz. Wann immer er am Ball war, passierte etwas. Auch wenn ihm nicht alles gelang, sah ich gleich, dass er den anderen um Längen voraus war.“

      Kylian war in Rennes kein Unbekannter. Auf den Plätzen der Trainingsakademie war der Junge nicht unbemerkt geblieben, wenn er dort seinen älteren Bruder Jirès Kembo besuchte, der seit 2004 beim Verein spielte. Als die ersten Berichte über ihn die Runde machten, war man daher gespannt, was er draufhatte.

      Im Mai 2009 wurde der junge Außenstürmer zu einem Turnier in Gif-sur-Yvette eingeladen, einer kleinen Stadt im Département Essonne etwa 20 Kilometer südwestlich von Paris. Stade Rennes nutzt das Turnier jedes Jahr als Gelegenheit, U12-Spieler zu testen, die in der Region Paris auf sich aufmerksam machen. Obwohl Kylian ein Jahr jünger war, wurde er in die Mannschaft aufgenommen, für die Reda Hammache zuständig war: „Wir wurden Siebter, bei 32 teilnehmenden Mannschaften, was nicht schlecht war, wenn man bedenkt, wie wenig die Spieler sich untereinander kannten. Kylian war sehr gut, vermutlich der Beste. Es war eine Freude, ihn spielen zu sehen, obwohl er seine Mitspieler manchmal damit nervte, den Ball ein bisschen zu lange zu halten.“

      Um ihm begreiflich zu machen, wie wichtig es ist, als Mannschaft zu funktionieren und die Defensive nicht zu vernachlässigen, beschloss der junge Coach, ihn in einem Spiel rechts hinten aufzustellen. „Er hielt nicht eine Sekunde seine Position. Er rannte ständig nach vorn, ließ sich nie zurückfallen und machte, was er wollte.“ Um ihn nicht zu demütigen und auch, weil er nach vorne einiges bewirkt hatte, ließ Hammache ihn bis zum Ende auf dem Platz. Nach dem Schlusspfiff aber nahm er den Jungen zur Seite: „Ich wollte ihn nicht verärgern, also erklärte ich ihm zunächst, was er alles gut gemacht hatte. Ich dankte ihm auch dafür, uns zum Sieg verholfen zu haben. Dann ging