Nicole Truchseß

Glaubenssätzen auf der Spur


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Spielraum einschränken, sie verbannen, sie mit Humor nehmen, sich sogar ein bisschen mit ihnen anfreunden. Wirklich schädlich sind Hirngespenster nur, wenn sie völlig unbeobachtet ein Eigenleben führen und tun und lassen können, was sie wollen – kurz: wenn sie die Regie über unser Leben übernehmen.

      Krisen sind zum Beispiel ein idealer Nährboden für Glaubenssätze, die sich bei uns Erwachsenen festsetzen und dadurch leider auch unsere Kinder, die nächste Generation, entscheidend prägen. „Wenn du deine Maske nicht trägst, tötest du deine Mitschüler“, musste sich meine Tochter in der Coronakrise 2020 von einem ihrer Klassenlehrer sagen lassen. Mehrfach. „Wer reist, gefährdet das Leben anderer“, war dann die sich permanent wiederholende Botschaft dieser Lehrkraft kurz vor Beginn der Sommerferien 2020. Solche Aussagen sind wenig reflektiert, unwahr und haben einen negativen Einfluss auf die mentale Gesundheit unserer Kinder. Privat und auch geschäftlich spuken zahlreiche Gespenster. „Vertrieb macht in der Krise keinen Sinn“, „Alle Ansprechpartner sind im Homeoffice und nicht erreichbar“, „Alle haben Kurzarbeit, niemand benötigt Personal“, waren nur einige Überzeugungen, die sich über Monate hinweg beharrlich hielten und nicht infrage gestellt wurden.

      Es ist mir daher ein großes Bedürfnis, Sie dabei zu unterstützen, sich dieser lästigen Begleiter zu entledigen, bevor sie zu mächtig werden und Ihr Denken und Handeln negativ beeinflussen.

      Antworten auf folgende Fragen wie diese zu finden, kann auf diesem Wege eine große Hilfe sein:

      imageWie werden Hirngespenster geboren?

      imageWie sehen sie aus?

      imageWoran erkennt man sie?

      imageWovon ernähren sie sich?

      imageTreten sie in Gruppen auf oder eher allein?

      imageWo ist ihr natürlicher Lebensraum?

      imageWie möchten sie behandelt werden?

      imageWie geht man am besten mit ihnen um?

      imageSind sie Feind oder Freund?

      Dabei greife ich als akkreditierte Insights®- und ASSESS® Masterin auf Kenntnisse menschlicher Handlungsmotive und persönlicher Präferenzen zurück. Darüber hinaus konnte ich mir durch meine Fortbildungen zum wingwave®- und emTrace®- Coach immer mehr Wissen in Bezug auf unser Gehirn und dessen Funktionen aneignen. Außerdem speist sich dieses Buch aus langjähriger Erfahrung mit tausenden Kunden und Klienten aus unterschiedlichen Branchen und Lebensbereichen. Lassen Sie uns also gemeinsam auf Hirngespenst-Safari gehen! Das ist nicht nur spannend, sondern wird auch dazu führen, dass Sie demnächst mit mehr Zuversicht und Tatkraft durch das Abenteuer steuern, das „Leben“ heißt, und Krisen noch besser bewältigen können. Und auch anderen dabei eine große Hilfe sind.

      Viel Vergnügen bei der Lektüre und beim Zähmen der eigenen Hirngespenster wünscht Ihnen

      Ihre Nicole Truchseß

       Darf ich vorstellen: Das Hirngespenst!

       Was sind Glaubenssätze und wie wirken sie?

      Meine Mutter war eine selbstbewusste Frau. Sie zog drei Kinder groß, sie arbeitete, sie lernte mit 40 Jahren fließend Italienisch und sprach es verblüffend rasch nahezu akzentfrei. Nur den Führerschein machte sie nie. Sie versuchte es nicht einmal. Warum nur? Als Kind hörte ich mehr als einmal, wie mein Vater leichthin zu ihr sagte: „Vergiss es, Autofahren lernst du nie!“ Er, der meiner Mutter sonst mit Respekt und liebevoll begegnete, war zutiefst überzeugt, dass sie nicht ans Steuer (s)eines Autos gehörte. Sie glaubte ihm. Nüchtern betrachtet hat meine Mutter, ein Kriegskind der Dreißigerjahre, in ihrem Leben weitaus größere Herausforderungen bewältigt als den Führerschein, doch der Glaube, nicht Auto fahren zu können, hatte sich in eine unumstößliche Gewissheit verwandelt. Er war zu einem Glaubenssatz, zu einem „Hirngespenst“, geworden, den in unserer Familie niemand mehr in Zweifel zog.

       Wenn schlechte Aufsätze „in der Familie liegen“

      Diese Familiengeschichte kam mir wieder in den Sinn, als mein Sohn vor einiger Zeit mit einer schlechten Deutschnote nach Hause kam. Ich wollte ihn trösten und sagte: „Mach’ dir nichts draus, ich konnte auch nie Aufsätze schreiben.“ Kaum war das ausgesprochen, wurde mir blitzartig klar, was ich da anrichtete: Gerade hatte ich das Versagen in Deutsch quasi zur Familientradition erklärt. Wenn mein zwölfjähriger Sohn mir glaubte und ich das noch ein paar Mal wiederholte, mit wie viel Lust würde er dann noch am Deutschunterricht teilnehmen? Wozu sich noch anstrengen, wenn das Deutschproblem ohnehin in der Familie lag? Ich hatte gerade den Keim zu einem Glaubenssatz gelegt, der durch nichts bewiesen war, und ruderte eilig zurück. „Zeig mal dein Heft. Lass uns schauen, wie es das nächste Mal besser klappen könnte.“

       Die wackelige Basis mancher Überzeugung

      Glaubenssätze sind tief verwurzelte Überzeugungen, die häufig auf wackeligen Füßen stehen und die auf Einflüsterungen anderer oder auf der Verallgemeinerung eigener Erfahrungen basieren können. Manche Verallgemeinerungen mögen hilfreich und zutreffend sein. Andere Glaubenssätze jedoch schränken uns ein, setzen uns Grenzen, hemmen unsere Entwicklung. Wer schon als Kind lernt, „In unserer Familie sind wir eher unsportlich“, braucht vielleicht viele Jahre, bis er entdeckt, dass er der geborene Surfer ist. Oder, schlimmer noch, er traut sich erst gar nicht ins Wasser.

       Hirngespenster sind überall

      In unserem Alltag wimmelt es von Glaubenssätzen. Das lässt sich kaum vermeiden, denn wir können nicht immer und jederzeit alles kritisch hinterfragen und sorgfältig prüfen. Wir steuern mit Faustregeln durchs Leben und fahren oft gut damit. Bedenklich wird es, wenn diese Faustregeln sich von der Lebenswirklichkeit abkoppeln und Schabernack mit uns treiben. Solche Hirngespenster sind nicht ganz so verquer und schädlich wie ausgewachsene Hirngespinste, manchmal durchaus drollig, vielfach aber doch ein Ärgernis. Hirngespenster geistern nicht nur durch unser Privat- und Familienleben, sondern auch durch unseren Job. Wer wie ich viele Jahre im Vertrieb und in der Vertriebsberatung arbeitet, ist mit den Hirngespenstern zahlreicher Verkäufer sozusagen auf Du und Du: „Nur der Preis zählt“, „Mitbewerber sind günstiger“, „Montags sind Kunden schlecht gelaunt. Da macht Akquise keinen Sinn“, „Die wirklichen Entscheider werden sowieso von ihrem Vorzimmerdrachen abgeschirmt“, um nur einige zu nennen. Ich frage in solchen Situationen immer: „Woher wissen Sie das?“ Nach der ersten Verblüffung, dass hier eine vermeintlich eherne Gewissheit infrage gestellt wird, kommen häufig Ausflüchte – „Das ist eben so. Weiß doch jeder“ – oder der Hinweis auf die eigene „Erfahrung“. Dabei wird übersehen, dass Glaubenssätze unser Verhalten steuern und damit auch die Erfahrungen, die wir machen. Ein typisches Henne-Ei-Problem! Wenn ich eine Assistentin oder Sekretärin als „Vorzimmerdrachen“ sehe, beeinflusst das mein Verhalten unweigerlich: Je nach Naturell werde ich herrisch auftreten oder einschmeichelnd, als Bittsteller oder zu arrogant. Häufig ist es daher nicht überraschend, dass die Dame am anderen Ende der Telefonleitung abweisend oder schnippisch reagiert. Und schon fühlt sich das Vorzimmerdrachen-Hirngespenst bestätigt und nickt heftig mit dem Kopf: „Hab ich doch gleich gesagt. An den Entscheider kommst du nicht heran!“ Dabei hätte eine freundliche, offene Ansprache auf Augenhöhe vielleicht