Edgar Rice Burroughs

Tarzan – Band 5 – Der Schatz von Opar


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lausch­te noch kur­ze Zeit wei­ter. Da er aber si­cher war, al­les Nö­ti­ge ge­hört zu ha­ben und Ent­de­ckung fürch­te­te, kehr­te er zur Ve­ran­da zu­rück, rauch­te noch eine große An­zahl Zi­ga­ret­ten hin­ter­ein­an­der weg und ging dann zur Ruhe.

      Am nächs­ten Mor­gen sprach Wer­per beim Früh­stück die Ab­sicht aus, nun­mehr bald wie­der auf­zu­bre­chen und er­bat Tar­zans Er­laub­nis zur Jagd auf Groß­wild wäh­rend sei­nes We­ges durch das Wa­zi­ri­land, eine Er­laub­nis, die Lord Grey­sto­ke be­reit­wil­lig er­teil­te.

      Der Bel­gier ver­brach­te zwei vol­le Tage mit nö­ti­gen Vor­be­rei­tun­gen, aber end­lich rück­te er mit sei­ner Sa­fa­ri ab. Ein von Lord Grey­sto­ke ge­lie­he­ner Füh­rer be­glei­te­te ihn. Die Trup­pe hat­te erst einen ein­zi­gen kur­z­en Ta­ges­marsch hin­ter sich, als sich Wer­per krank stell­te und er­klär­te, er wol­le blei­ben, wo er sei, bis er sich wie­der völ­lig er­holt hät­te. Da sie noch nicht weit vom Bun­ga­low der Grey­sto­kes ent­fernt wa­ren, entließ Wer­per den Wa­zi­ri­füh­rer mit der Er­klä­rung, er wer­de ihn ho­len las­sen, wenn er wie­der im­stan­de sei, wei­ter­zu­zie­hen.

      Als der Wa­zi­ri ge­gan­gen war, rief der Bel­gier einen von Achmed Zeks schwar­zen Ver­trau­ten in sein Zelt und ent­sand­te ihn, um auf­zu­pas­sen, wann Tar­zan auf­bre­che. Dann soll­te er Wer­per da­von Nach­richt ge­ben und die von dem Eng­län­der ein­ge­schla­ge­ne Rich­tung an­zei­gen.

      Der Bel­gier brauch­te nicht lan­ge zu war­ten, denn schon am nächs­ten Tage kam sein Spi­on mit der Kun­de, dass Tar­zan mit ei­nem Trupp von fünf­zig Wa­zi­ri­krie­gern früh am Mor­gen in süd­öst­li­cher Rich­tung aus­ge­zo­gen sei. Wer­per schrieb einen lan­gen Brief an Achmed Zek, rief sei­nen Sa­fa­ri­füh­rer zu sich und gab ihm das Schrei­ben.

      Schi­cke so­fort einen Läu­fer mit die­sem zu Achmed Zek, be­fahl er dem Man­ne. Du war­test hier im La­ger auf wei­te­re An­wei­sun­gen von ihm oder mir. Soll­te je­mand aus dem Bun­ga­low des Eng­län­ders hier­her­kom­men, so sage, ich lie­ge schwer­krank in mei­nem Zel­te und kön­ne nie­mand vor­las­sen. Jetzt gib nur noch sechs Trä­ger und sechs Asa­ker – die kräf­tigs­ten und mu­tigs­ten der Ka­ra­wa­ne – denn ich will selbst hin­ter dem Eng­län­der her und se­hen, wo sein Gold ver­bor­gen ist.

      So kam es, dass Tar­zan, nackt bis auf das Len­den­tuch und in der pri­mi­ti­ven Be­waff­nung, die ihm am liebs­ten war, sei­ne er­ge­be­nen Wa­zi­ri nach der to­ten Stadt Opar führ­te, wäh­rend der ab­trün­ni­ge Wer­per sei­ner Spur den gan­zen glü­hend­hei­ßen Tag folg­te und nachts dicht hin­ter ihm la­ger­te.

      Und wäh­rend sie so wei­ter­zo­gen, ritt Achmed Zek mit sei­ner gan­zen Ban­de nach Sü­den auf die Grey­sto­ke-Farm zu.

      *

      Für den Af­fentar­zan war die­ses Un­ter­neh­men eine Art Sonn­tags­aus­flug. Sei­ne Zi­vi­li­sie­rung war bes­ten­falls ein Fir­nis, den er froh ge­nug war, mit­samt sei­nen un­be­que­men eu­ro­päi­schen Klei­dern ab­strei­fen zu kön­nen, so­bald sich nur ir­gend­ein ver­nünf­ti­ger Vor­wand dazu fand. Nur ei­nes Wei­bes Lie­be hielt Tar­zan an einen An­schein von Zi­vi­li­sa­ti­on ge­fes­selt, weil bes­se­res Ver­traut­wer­den mit der so­ge­nann­ten Kul­tur ihn ge­lehrt hat­te, sie zu ver­ach­ten. Er hass­te ihre Lüge und Heu­che­lei, denn mit der kla­ren Ein­sicht ei­nes un­be­fleck­ten Geis­tes hat­te er den fau­len Kern in de­ren Her­zen er­kannt – die fei­ge Sucht nach Frie­den, nach Be­hag­lich­keit und nach Si­cher­stel­lung des Be­sit­zes. Er leug­ne­te hart­nä­ckig, dass die ed­len Sei­ten des Le­bens – Kunst, Mu­sik, Li­te­ra­tur – auf solch ent­wer­te­tem Ge­dan­ken­bo­den ent­spros­sen sein soll­ten und be­haup­te­te lie­ber, sie hät­ten sich trotz der Zi­vi­li­sa­ti­on er­hal­ten. Zeigt mir doch den fet­ten, wohl­ha­ben­den Feig­ling, pfleg­te er zu sa­gen, wel­cher je ein ho­hes Ide­al ge­schaf­fen hat! Im Klir­ren der Waf­fen, im Kampf um das Da­sein, un­ter Hun­ger, Tod und Ge­fahr, im An­ge­sicht Got­tes, wie es sich in der schreck­volls­ten Ent­fes­se­lung der Na­tur­kräf­te zeigt, da wird all das ge­bo­ren, was edel und gut ist im mensch­li­chen Herz und Ge­müt.

      Da­rum kam Tar­zan im­mer wie­der zur Na­tur zu­rück, wie ein treu­er Lieb­ha­ber sich nach lan­ger Haft hin­ter Ker­ker­mau­ern wie­der zum lan­ge ver­zö­ger­ten Stell­dich­ein ein­fin­det. Im in­ners­ten Mark wa­ren sei­ne Wa­zi­ri zi­vi­li­sier­ter als er. Sie koch­ten ihr Fleisch, ehe sie es aßen, und sie ver­ab­scheu­ten vie­le Nah­rungs­mit­tel als un­rein, die Tar­zan sein Le­ben lang mit Ge­nuss ver­zehrt hat­te, und so wirk­sam ist das Gift der Heu­che­lei, dass selbst der trot­zi­ge Af­fen­mensch sich scheu­te, vor ih­nen sei­nen na­tür­li­chen Emp­fin­dun­gen nach­zu­ge­ben. So aß er ge­bra­te­nes Fleisch, ob­gleich er es lie­ber roh und un­ver­dor­ben ge­nos­sen hät­te und er brach­te sei­ne Jagd­beu­te mit Pfeil und Speer zur Stre­cke, wäh­rend er doch viel lie­ber aus der Lau­er dar­auf ge­sprun­gen wäre, um ihr die Zäh­ne in die Hals­adern zu schla­gen. Aber der Trieb, wel­chen er als Kind mit der Milch sei­ner wil­den Nähr­mut­ter ein­ge­so­gen hat­te, wur­de zu­letzt doch un­über­wind­lich – er muss­te das war­me Blut ei­ner fri­schen Beu­te ha­ben und sei­ne Mus­keln sehn­ten sich da­nach, in je­nem Kampf um das Da­sein ge­gen das wil­de Dschun­gel­le­ben ein­ge­setzt zu wer­den, wie es wäh­rend der ers­ten zwan­zig Jah­re sei­nes Le­bens sein ein­zi­ges Ge­burts­recht ge­we­sen war.

      An der klei­nen Boma aus Dorn­ge­strüpp, das sei­ne Leu­te ei­ni­ger­ma­ßen vor den An­grif­fen der großen Fleisch­fres­ser schütz­te, lag der Af­fen­mensch wäh­rend ei­ner der nächs­ten Näch­te un­ter dem Ein­druck die­ser un­kla­ren aber all­ge­wal­ti­gen Trie­be wach. Ne­ben dem Feu­er, wel­ches gel­be Au­gen drau­ßen in der Dun­kel­heit vor dem La­ger nö­tig mach­ten, hielt schläf­rig ein ein­zel­ner Krie­ger Wa­che. Das Heu­len und Fau­chen der großen Kat­zen ver­meng­te sich mit den My­ria­den an­de­rer Geräusche von den klei­ne­ren Be­woh­nern des Dschun­gels, um die wil­de Flam­me in der Brust die­ses grim­men eng­li­schen Lords noch zu ent­fa­chen. Eine Stun­de lang wälz­te er sich ru­he­los auf sei­nem Gras­la­ger um­her, dann er­hob er sich ge­räusch­los wie ein Ge­s­penst und, als der Wa­zi­ri den Rücken dreh­te, sprang er vor den glit­zern­den Au­gen über die He­cke der Boma, schwang sich in einen großen Baum und war ver­schwun­den.

      Eine Zeit lang jag­te er nur so durch die mitt­le­re Ter­ras­se der Zwei­ge da­hin, um sei­ne ani­ma­li­sche Stim­mung aus­zu­to­ben, wo­bei er sich über ge­fahr­voll wei­te Lücken zwi­schen den Dschun­gel­rie­sen hin­über­schwang; dann klet­ter­te er hö­her in die fe­dern­den schwä­che­ren Zwei­ge der obe­ren Ter­ras­se, wo der Mond voll auf ihn schi­en, wo ein leich­ter Wind­hauch weh­te und griff­be­rei­ter Tod in je­dem ge­brech­li­chen Zwei­ge lau­er­te. Hier mach­te er halt und er­hob sein Ant­litz zu Goro, dem Mond. Mit er­ho­be­nem Arm stand er, der Schrei des Af­fen­bul­len zit­ter­te schon auf sei­nen Lip­pen, aber er blieb ru­hig, um sei­ne treu­en Wa­zi­ri nicht zu we­cken, wel­chen der grau­en­vol­le Kampf­ruf ih­res Ge­bie­ters nur zu be­kannt war.

      Von hier ab ging er lang­sa­mer und mit grö­ße­rer Vor­sicht und Ver­stoh­len­heit wei­ter, denn jetzt such­te der Af­fentar­zan Beu­te. Her­un­ter auf den Bo­den in den ra­ben­schwar­zen Schat­ten der eng­ste­hen­den Baum­stäm­me und des über­hän­gen­den Grüns des Dschun­gels stieg er.