Edgar Rice Burroughs

Tarzan – Band 5 – Der Schatz von Opar


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Eber, konn­te die Wit­te­rung sei­ner Beu­te nicht über­täu­ben – den durch­drin­gen­den, wei­chen Bi­sam­duft vom Huf des Hir­sches.

      Da! jetzt zeig­te schon der kör­per­li­che Ge­ruch des Hir­sches Tar­zan die Nähe sei­ner Beu­te an. Also wie­der hin­auf in die Bäu­me – auf die un­te­re Ter­ras­se, von wo er den Bo­den über­sah und mit Ohr und Nase die ers­ten An­zei­chen der greif­ba­ren Nähe sei­ner Beu­te wahr­neh­men konn­te. Der Af­fen­mensch brauch­te nicht mehr weit zu strei­fen; da stand Bara wach­sam an der Ecke der in Mond­schein ge­ba­de­ten Lich­tung. Geräusch­los kroch Tar­zan durch die Zwei­ge, bis er ge­ra­de über dem Hirsch war. In der Rech­ten hielt er das lan­ge Jagd­mes­ser sei­nes Va­ters, im Her­zen koch­te die Blut­lust des Raub­tiers. Nur einen Au­gen­blick schweb­te er über dem ah­nungs­lo­sen Tier, dann stürz­te er sich auf den schlan­ken Rücken. Die Wucht sei­nes Kör­pers brach­te den Hirsch auf sei­ne Knie, und ehe er sich wie­der er­he­ben konn­te, fand das Mes­ser den Weg zum Her­zen. Als sich Tar­zan auf dem Rücken sei­nes Op­fers auf­rich­te­te, um dem Mond sei­nen schau­er­li­chen Sie­ges­ruf ent­ge­gen­zu­sen­den, trug der Wind sei­nen Nüs­tern et­was zu, das ihn stumm und starr wie eine Bild­säu­le mach­te. Sei­ne wil­den Au­gen fun­kel­ten nach der Rich­tung, aus wel­cher ihm der Wind die War­nung zu­ge­tra­gen hat­te, und eben jetzt teil­ten sich die Grä­ser am Ran­de der Lich­tung: Numa, der Löwe, schritt ma­je­stä­tisch her­aus in das Ge­sichts­feld. Mit­ten auf der Lich­tung hielt er, hef­te­te sei­ne gelb­grü­nen Au­gen auf Tar­zan und blick­te nei­disch auf sei­nen Jag­der­folg, denn Numa hat­te die­se Nacht nur Mis­ser­fol­ge ge­habt.

      Von den Lip­pen des Af­fen­menschen kam ein rol­len­des War­nungs­knur­ren. Numa ant­wor­te­te ohne vor­zu­rück­en; lang­sam mit sei­nem Schweif hin und her peit­schend blieb er ste­hen. Tar­zan hock­te sich auf sei­ne Beu­te nie­der und schnitt ein or­dent­li­ches Stück aus der Keu­le. Wäh­rend der Af­fen­mensch zwi­schen ein­zel­nen Bis­sen sein war­nen­des Knur­ren aus­stieß, be­äug­te ihn Numa mit zu­neh­men­der Ver­ach­tung und Wut. Da ge­ra­de die­ser Löwe noch nie bis­her mit dem Af­fentar­zan in Berüh­rung ge­kom­men war, kam er sich gänz­lich an­ge­führt vor. Dies Ding da war doch nach Aus­se­hen und Wit­te­rung ein Men­sch­lein, und Numa hat­te Men­schen­fleisch ge­kos­tet und fest­ge­stellt, dass es zwar nicht am bes­ten schmeck­te, aber da­für si­cher am leich­tes­ten zu ha­ben war. Al­ler­dings lag in dem tie­ri­schen Knur­ren des merk­wür­di­gen Ge­schöp­fes et­was, das ihn an ir­gend­wel­chen ge­fähr­li­chen Geg­ner er­in­ner­te. Er war­te­te da­her noch ab, wäh­rend ihn der Hun­ger und der Duft von Ba­ras war­mem Fleisch fast toll mach­ten. Tar­zan er­riet, was in dem klei­nen Ge­hirn des Raub­tie­res vor sich ging und war stän­dig auf der Hut. Es war sein Glück, dass er das tat, denn Numa konn­te es end­lich nicht mehr aus­hal­ten. Als der Schweif senk­recht in die Höhe schoss, wuss­te der vor­sich­ti­ge Af­fen­mensch nur zu gut, was das Zei­chen be­deu­te­te. Er pack­te den Rest der Hirsch­keu­le mit den Zäh­nen und sprang ge­ra­de auf den nächs­ten Baum, als sich Numa mit schnell­zug­s­ähn­li­cher Ge­walt und sau­sen­dem Schwung auf ihn stürz­te.

      Tar­zans Rück­zug war kein Zei­chen von Furcht. Das Le­ben im Dschun­gel hat an­de­re Ge­sichts­punk­te wie wir, und an­de­re Re­geln gel­ten dort. Hät­te Tar­zan Hun­ger ge­habt, er hät­te zwei­fel­los sei­ne Stel­lung be­haup­tet und wäre Nu­mas An­griff be­geg­net. Er hat­te das schon bei mehr als ei­ner Ge­le­gen­heit ge­tan, ge­nau so wie er frü­her selbst auf Lö­wen los­ge­gan­gen war. Aber heu­te Nacht war er kei­nes­wegs sehr hung­rig und die mit­ge­nom­me­ne Keu­le hat­te mehr Fleisch, als er es­sen konn­te. Aber er sah doch nicht gleich­gül­tig von oben zu, wie Numa sich das Fleisch von Tar­zans Beu­te riss. Die An­ma­ßung die­ses frem­den Numa ver­lang­te Stra­fe. Und Tar­zan ging denn auch gleich dar­an, der großen Kat­ze das Da­sein zu ver­lei­den.

      Zahl­rei­che Bäu­me in der Nähe tru­gen große, har­te Früch­te und auf einen sol­chen schwang sich der Af­fen­mensch mit der Ge­wandt­heit ei­nes Eich­hörn­chens. Und nun be­gann eine Be­schie­ßung, auf wel­che Numa mit marker­schüt­tern­dem Ge­brüll ant­wor­te­te. Eine nach der an­de­ren, so schnell er sie pflücken und schleu­dern konn­te, saus­ten die har­ten Früch­te hin­ab auf den Lö­wen. Un­ter die­sem Ha­gel von Wurf­ge­schos­sen war es der gel­ben Kat­ze un­mög­lich, zu fres­sen – sie konn­te nur im­mer brül­len, knur­ren und bei­sei­te­sprin­gen, und manch­mal wur­de sie gänz­lich von Ba­ras, des Hir­sches, Kör­per weg­ge­trie­ben. Brül­lend und wut­schnau­bend wich der Löwe. Aber plötz­lich erstarb sei­ne Stim­me mit­ten auf der Lich­tung. Tar­zan sah, wie sich der Kopf senk­te und die Ohren sich breit stell­ten, wie der Kör­per sich duck­te und der lan­ge Schweif zit­ter­te, als das Tier vor­sich­tig auf der an­de­ren Sei­te drü­ben durch die Bäu­me schlich.

      So­fort war Tar­zans Auf­merk­sam­keit ge­weckt. Er hob den Kopf und zog das leich­te Dschun­gel­lüft­chen ein. Was hat­te wohl Nu­mas Span­nung er­regt und ihn auf so sanf­ten Pfo­ten vom Schau­platz sei­ner Em­pö­rung weg­ge­bracht? Gera­de als der Löwe jen­seits der Lich­tung un­ter den Bäu­men ver­schwand, be­kam Tar­zan durch den Wind die Er­klä­rung sei­ner neu­en Ab­sich­ten. Die Wit­te­rung ei­nes Men­schen weh­te deut­lich in sei­ne emp­find­li­chen Na­sen­flü­gel.

      Der Af­fen­mensch pack­te den Rest sei­ner Hirsch­keu­le in eine Baum­ga­bel, wisch­te die fet­ti­gen Hand­flä­chen an den nack­ten Schen­keln ab und schwang sich zur Ver­fol­gung Nu­mas da­von. Von der Lich­tung aus führ­te eine brei­te, stark aus­ge­tre­te­ne Ele­fan­ten­fähr­te in den Wald. Par­al­lel zu ihr schlich Numa und über ihm zog Tar­zan wie ein Schat­ten­ge­spenst durch die Bäu­me. Die wil­de Kat­ze und der wil­de Mann sa­hen fast gleich­zei­tig Nu­mas Beu­te, ob­gleich bei­de, schon ehe sie ih­nen zu Ge­sicht kam, wuss­ten, dass es ein Ne­ger war. Ihr emp­find­li­cher Ge­ruch hat­te ih­nen so viel ge­sagt, aber Tar­zan wuss­te au­ßer­dem, dass es die Wit­te­rung ei­nes Frem­den war und zwar ei­nes al­ten Man­nes, denn so­wohl Ras­se wie Ge­schlecht und Al­ter ha­ben ihre un­ter­schied­li­che Wit­te­rung.

      Es war ein al­ter Mann, der sich al­lein sei­nen Weg durch den düs­te­ren Dschun­gel brach, ein ver­schrum­pel­tes, aus­ge­trock­ne­tes, al­tes Männ­chen mit häss­li­chen Schmar­ren und Tä­to­wie­run­gen. Dazu trug er einen merk­wür­di­gen Auf­putz, ein Hyä­nen­fell hing ihm um die Schul­tern und der ge­trock­ne­te Kopf da­von war über sei­nen grau­en Schä­del ge­stülpt. Tar­zan er­kann­te ihn an sei­nen Ab­zei­chen als Zau­be­rer und war­te­te mit be­frie­dig­tem Vor­ge­fühl auf Nu­mas An­griff, denn der Af­fen­mensch hat­te für die Zau­be­rer nicht viel üb­rig. Aber eben als Numa vor­sprang, fiel dem Wei­ßen plötz­lich ein, dass der Löwe ihm vor ei­ni­gen Mi­nu­ten sei­ne Beu­te ge­stoh­len hat­te und Ra­che ist süß. Erst als Numa kaum zwan­zig Schrit­te hin­ter ihm kra­chend durch die Bü­sche auf den Wild­pfad her­aus­brach, merk­te der Ne­ger, dass er in Ge­fahr war. Als er sich her­um­dreh­te, konn­te er ge­ra­de noch be­mer­ken, dass ein mäch­ti­ger, schwarz­mäh­ni­ger Löwe auf ihn los­schnell­te, aber noch im He­rum­dre­hen pack­te ihn Numa auch schon. Gleich­zei­tig fiel der Af­fen­mensch von ei­nem über­hän­gen­den Zweig ge­nau auf des Lö­wen Rücken. Als sich der Löwe auf­rich­te­te, stieß er ihm sein Mes­ser hin­ter dem lin­ken Schul­ter­blatt in das brau­ne Fell, wühl­te die Fin­ger der rech­ten Hand in die lan­ge Mäh­ne, grub die Zäh­ne in Nu­mas Na­cken und schlang sei­ne kräf­ti­gen Bei­ne um des Tie­res Rumpf. Un­ter Schmerz- und Wut­ge­brüll stieg Numa hoch und fiel nach hin­ten über auf