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TEXT + KRITIK 229 -Thomas Hürlimann


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»Heimkehr« literarisch und damit gebrochener. Im Zentrum dieser Gestaltung steht Muftis fiktionales Pendant, der sprechende Kater Dada. Für ordnungsgewohnte Literaturwissenschaftler und auflagenorientierte Verlagsredakteure mag seine märchenhafte Sprachbegabung eine Irritation sein, für die künstlerische und philosophische Konfiguration des Textes aber ist sie zentral. In der Verhandlung der Mensch-Tier-Beziehungen verschwimmen die Unterschiede und stehen unsere anthropologischen und ontologischen Gewissheiten zur Disposition. Als »phantastisches Tier« im Sinne Todorovs markiert Dada ähnlich wie sein literarischer Vetter Kater Murr den Grenzbereich.38 Das Gespräch mit dem Kater als Doppelgänger ist im Grunde ein Selbstgespräch zur Selbsterkennung, in dem das Tier in uns zur Sprache kommt und zur Sprache findet. Schon im allerersten Dialog zwischen Dada und Heinrich geht es um die transformative Reise als Selbstentdeckung und Offenbarung »in die Auferstehung und in eine neue Existenz!«39 Im Zentrum dieser Reise zu sich selbst steht auch hier die leib-seelische Doppelnatur des Menschen, und wieder ist es das Tier (in uns), das darauf hinweist: »›Du siehst aus wie ein beschnittener Schwanz‹, erklärte der Kater pathetisch, ›und bist ein Gott‹.«40 Als die Heimkehr fast vollzogen, die Reise fast vollendet ist und damit wieder an ihrem Anfang steht, wird Dada noch deutlicher und bringt es ganz im Sinne Nietzsches auf den Punkt: »›Du‹, meinte der Kater anerkennend, ›hast dich in deiner Nacktheit geschaut.‹ ›Als Schwanz. Als Gott.‹«41 Wenig später sinnt Heinrich Übel über seine Dialoge mit Dada nach, die die Menschen um ihn herum weder hören noch verstehen können.42 »Dabei war es im Prinzip eine einfache Sache. Wenn er als Dada oder Mieze angesprochen wurde, glaubte der Kater, ein Mensch namens Dada oder Mieze teile den eigenen Namen mit, und ich war ziemlich sicher, dass auch jenes Wesen, das wir Gott nannten, unsere Anrufungen für eine permanente Selbstdarstellung der Menschen hielt.«43 Mit anderen Worten: Die Namen, die wir Menschen den Tieren geben, sind unsere Namen, spiegeln unsere Vorstellungen und Wünsche, und das Gleiche gilt für die Dialoge, die wir mit ihnen führen. Es sind Imaginationen, Projektionen, anthropomorphe Fiktionen im Sinne von Ludwig Feuerbachs Projektionstheorie, auf die hier in der Parallele von Tier und Gott angespielt wird. Der Mensch, als Misch- und Mittelwesen zwischen Tier und Gott kann gar nicht anders, erreicht nur in diesem projektiven Verfahren, als narrativer Er-Finder, Einsicht über sich selbst. Das ist die ultimative Wahrheit, mit der die Katze als poetologisches und philosophisches Tier uns herausfordert.