die inneren Organe, gleichsam transparent wie die Strukturen innerhalb einer Qualle.
»Siehst du, wie durchscheinend er ist?«, bestätigte Sud seine Beobachtung. »Er schläft gerade, nachdem wir ihm ein Beruhigungsmittel auf Basis des Gels aus seinem Vitron gegeben haben. Zuvor war er sehr verwirrt. Besatzungsmitglieder haben ihn entdeckt, wie er durch die Gänge gelaufen ist, beide Hände voll mit Energiezellen.«
»Was für Energiezellen?«, fragte Rhodan irritiert.
Sud schüttelte ratlos den Kopf. »Alle erdenklichen. Energiezellen, Batterien, Akkupacks aus verschiedensten Weckern, Komgeräte, Waffen ... Er ist einfach wahllos in Quartiere eingedrungen und hat gesammelt. Als ich ihn gefragt habe, was er damit vorhat, hat er keine Antwort gegeben. Nur ständig wiederholt, dass es ein weiter Weg nach Hause sei.«
»Ein weiter Weg ...«, murmelte Rhodan. Merkoshs Kleptomanie war früher schon ein Problem gewesen. Aber dass der Oproner so verwirrt war, gab ihm zu denken.
»Perry«, sagte Sud. »Ich würde ihn gern nach Mimas bringen, um ihn gründlich durchzuchecken. Vielleicht ist es nichts, weswegen wir uns sorgen müssen. Aber wenn doch ...«
Sie musste den Satz nicht zu Ende führen. Das Mimas Medical Research Center, kurz MIMERC, war die beste Adresse im Solsystem, um exotische Krankheiten und medizinische Notfälle zu behandeln.
»Wir ändern den Kurs«, entschied Rhodan und gab Gabrielle Montoya ein Zeichen. »Zwischenstopp bei Mimas, dann weiter zur Erde. Mister Lomatschenko, sagen Sie der CREST II Bescheid.«
»Wir machen ein Beiboot fertig.« Montoya lächelte Sud flüchtig an. »Halte dich bereit.«
»Ich komme zu dir«, sagte Rhodan.
Sud nickte dankbar und beendete die Verbindung.
»Wir werden gerufen«, meldete Lomatschenko fast im selben Moment.
»Die Erde?«, fragte Montoya.
»Flottenkommando«, bestätigte der Funker. »Stella Michelsen.«
»Annehmen«, sagte Rhodan verwundert. Er hätte damit gerechnet, dass sich Reginald Bull als Erster meldete, oder vielleicht dessen Stellvertreter, falls man in Rhodans Abwesenheit einen neuen Systemadmiral bestellt hatte. Er hätte auch damit gerechnet, dass der Rat etwas Blumiges vorbereitet hatte. Dass jedoch Michelsen einen militärischen Kanal benutzte, war ungewöhnlich.
»Rhodan hier«, meldete er sich und warf einen kurzen Blick auf die Ortszeit von Terrania. »Guten Abend, Administratorin.«
Vor ihm erschien das Hologramm der kleinen, täuschend unscheinbaren Frau, welche die Geschicke der Terranischen Union lenkte.
»CREST II zugeschaltet«, verkündete Lomatschenko noch knapp, und Thoras Hologramm entstand neben Michelsens.
Die Arkonidin überragte die Administratorin gut und gern um einen Kopf. Ein dunkel getöntes Spiegelfeld schirmte Rhodan, Montoya und die beiden zugeschalteten Frauen ein Stück weit von der restlichen Besatzung ab, gab ihnen das Gefühl von Privatsphäre.
»Guten Abend, Perry«, grüßte Michelsen. »Botschafterin.«
Thora nickte nur knapp. Seit der Aktivierung ihres Extrasinns nahm Rhodan eine neue Strenge an seiner Frau wahr. Ihm war klar, dass sie mit dieser ungewohnten Veränderung zu kämpfen hatte, und er vermutete, dass sie sich zu einem erhöhten Maß an Konzentriertheit und Selbstbeherrschung zwang. Er wusste schließlich, wie sehr Thora es hasste, sich eine Blöße zu geben. Auf eine befremdliche Art erinnerte ihn diese besondere Form von Distanziertheit auch an Atlan – und er hoffte, dass dieses alte Mysterium der arkonidischen Wesensart keinen Keil zwischen sie beide trieb.
»Nun – was gibt es Neues im Imperium?«, fragte Michelsen mit subtilem Humor. »Wo haben Sie Mister Shenn gelassen?«
»Auf Arkon«, antwortete Rhodan wahrheitsgemäß. »Unserem Sonderbevollmächtigten geht es gut.« Es wurde wirklich Zeit, dass man die Hyperfunkrelaiskette wieder auf Vordermann brachte. Er kam sich vor wie ein Kapitän nach einer Weltumsegelung, der bei seiner Königin mündlich Bericht abliefern musste.
»Theta wurde entmachtet, aber mit Atlans Hilfe konnte das Imperium stabilisiert werden. Die Hintergründe sind sehr kompliziert. Der Erde droht aktuell keine Gefahr. Es gab Verluste ...«
Michelsen musste spüren, wie zuwider ihm die Rolle des Berichterstatters war, denn sie hob beschwichtigend die Hand. »Alles zu seiner Zeit, Perry. Ich kann mir denken, dass das, was Sie in den vergangenen Monaten erlebt haben, den Rahmen eines kurzen Funkgesprächs sprengt. Wichtig ist für mich allein, dass uns keine Gefahr droht.« Sie warf einen Blick zur Seite. »Man informiert mich gerade, dass Sie Kurs auf Mimas genommen haben.«
»Der Oproner Merkosh«, erläuterte Rhodan. »Er benötigt medizinische Versorgung. Noch wissen wir nicht ...«
Abermals die beruhigende Geste. »›Merkosh‹ reicht als Stichwort. Liefern Sie ihn ab, dann kommen Sie bitte nach Hause. Ich erwarte Ihren vollständigen Bericht in Schriftform – Ihren natürlich auch, Botschafterin.«
»Ist bereits vorbereitet«, sagte Thora.
»Ebenso«, ergänzte Rhodan. »Der Rückflug war lange genug.«
»Prima!«, freute sich Michelsen. »Dann senden Sie sie mir doch schon mal zu, damit wir alle auf demselben Stand sind. Und ich sage Ihnen dann, welche Teile Sie in der Pressekonferenz bitte auslassen.«
»Pressekonferenz?«, fragte Rhodan skeptisch. »So früh schon? Ist das wirklich nötig?«
Selbstverständlich kannte er das Spiel mit der Öffentlichkeit und den Medien, hatte es jahrzehntelang geübt. Geliebt hatte er es aber nie – und im vergangenen Jahr hatte er nach seinem Empfinden deutlich zu häufig und zu intensiv im öffentlichen Fokus gestanden: erst durch seine schwere Krankheit, dann den Diebstahl der FANTASY, den anschließenden Prozess und den Entzug seines Protektorentitels. Immer wieder war es zu Demonstrationen gekommen, manchmal sogar zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.
Wildfremde Leute hatten seine intimsten Probleme in Talkshows diskutiert, und die Berichterstattung über sein Privatleben verschwand gar nicht mehr von den Titelseiten. Inzwischen war es ihm fast egal, ob man Solidarität mit ihm bekundete oder ihn mit Häme übergoss. Er wünschte einfach nur, es würde aufhören.
»Oh ja, eine Pressekonferenz ist nötig«, sagte Michelsen nachdrücklich. »Was meinen Sie, worüber hier in jüngster Zeit spekuliert wurde? Keine Angst, die Menschen sind auf Ihrer Seite.«
»Vielleicht ist es das, was mir Angst macht«, sagte Rhodan halb im Scherz.
»Sie werden trotzdem vor die Kameras treten müssen«, verfügte Michelsen ungerührt. »Insbesondere, da Sie Torgen Shenn nicht mit zurückgebracht haben. Die Leute wollen wissen, was los ist, und am liebsten wollen Sie es von Ihnen hören. Wetten auf den Ausgang Ihrer Reise waren populärer als jede Lotterie.«
»Unter einer Bedingung«, erwiderte Rhodan.
Michelsen hob eine Braue. »Sprechen Sie«, sagte sie.
»Ich tue, was immer Sie für nötig halten, und beantworte jedem – gleich wie wenig es ihn angeht – seine drängendsten Fragen. Wenn das wirklich das Wichtigste ist, was die Welt gerade umtreibt ... bitte schön. Danach aber muss ich die Erde ein paar Tage verlassen, um eine wichtige familiäre Angelegenheit zu klären. Alles Weitere wird bis dahin warten müssen.«
»Darf ich fragen, worum es bei dieser Angelegenheit geht?«
»Um meine Tochter«, antwortete Rhodan nur.
Michelsen nickte. Das Verschwinden von Nathalie Rhodan war vor zehn Jahren ebenfalls lange ein die Medien beherrschendes Thema gewesen. »Ich verstehe. Und ich bin einverstanden. Zunächst indes ist es unabdingbar, dass Sie sich an die Öffentlichkeit wenden und die Menschen informieren. Danach bringen Sie Ihre Angelegenheiten in Ordnung, und dann treffen wir uns im größeren Kreis und besprechen die nächsten politischen Schritte.«
Die nächsten politischen Schritte, dachte