Perry Rhodan

Perry Rhodan Neo Paket 24


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der Memeter und ein mit thetisischer Hilfe errichteter Situationstransmitter machten Olymp und seine Hauptstadt Trade City zum Knotenpunkt des kleinen Sternenreichs der Menschen, das so anders war als das Große Imperium der Arkoniden. Die Menschen eroberten nicht, sie erforschten, siedelten, handelten ... und schreckten nie davor zurück, irgendwelche nur halb verstandenen Hinterlassenschaften ihrer Vorfahren oder anderer Zivilisationen zu benutzen. Es war erstaunlich, wie selten ihnen diese Relikte um die Ohren flogen. Das Universum schien die Menschen zu mögen. Und sie entwickelten sich – entwickelten neue Fähigkeiten und Formen der Existenz: Mutanten, Emotionauten, Nathalie ...

      Thora dachte an die Zeit zurück, als Nathalie noch ein kleines Mädchen gewesen war, das bloß einige Auffälligkeiten gezeigt hatte. Sie war sehr klug und geschickt gewesen und hatte ihr Essen stets wie ein halb verhungerter Lorr verschlungen – aber welche Eltern hielten ihr Kind nicht für begabt oder verfressen? Sorgen hatten sie sich erst gemacht, nachdem die Anfälle häufiger wurden und Nathalie zunehmend die Kontrolle über ihre Fähigkeiten zu verlieren schien. Sie sprach schneller, als irgendein Mensch sie verstehen konnte – und dass niemand sie verstand, frustrierte sie.

      Als Nathalie acht Jahre alt war, hatten Thora und Rhodan ihre Tochter ins Lakeside Institute gebracht, wo Ras Tschubai und der Kommunikationstrainer János Molnár mit ihr arbeiteten. Doch alles, was man am Institut herausfand, war, dass Nathalie sehr musikalisch, unglaublich klug und wirklich hungrig war. Eine Mutantin, versicherte man ihnen immer wieder, sei Nathalie nicht. Aber dass sie nebenher klassische Kompositionen nach Gehör notierte? Ein Posbisignal wie ein billiges Rätselspiel knackte? Oder quasselte wie eine Aufnahme im Schnellvorlauf? Geschenkt, so waren Kinder nun einmal ...

      Nathalie hatte auch Briefe geschrieben zu dieser Zeit. An eine imaginäre Freundin namens Ansa.

      Thoras Blick ging ins Leere. Einen Moment lang kamen die Roten Zwerge in Deckung mit dem Spiegelbild ihrer Augen.

      Ansa.

      Anson.

      Anson Argyris ...

      Nathalie hatte die ganze Zeit ein Spiel mit ihnen allen gespielt. Seit sie acht Jahre alt gewesen war.

      Thora starrte in die Reflektion ihrer roten, brennenden Augen und wischte sich die Tränen von den Wangen, spürte ihr Herz im Gefängnis seiner Knochenplatte rasen.

      »Wie kann es sein?«, fragte sie ihren Mann, als Perry Rhodans Silhouette neben sie trat. »Wie ist es möglich, seine Tochter so wenig zu kennen?«

      Er legte den Arm um ihre Hüfte. Sie drehte sich nicht um, betrachtete nur ihrer beider Spiegelbilder auf der Scheibe.

      »Ich glaube, es ist nicht das erste Mal, dass Eltern sich diese Frage stellen.«

      Keine große Erkenntnis, kommentierte Thoras Logiksektor. Aber recht hat er, dein Barbar.

      Sie schüttelte verärgert den Kopf. »Ich glaube, es ist durchaus das erste Mal, dass Eltern die Feststellung machen, dass ihr vermisstes Kind sich ohne triftigen Grund eine zweite Existenz aufgebaut hat, ganz nebenbei als Obmann einer ganzen Kolonie ...!«

      »Nicht alle Eltern haben unsere Nathalie.« Rhodan lächelte. »Und was die Gründe betrifft, wäre sie wahrscheinlich anderer Ansicht.«

      »Diese Sache mit den beiden Bewusstseinskernen? Du weißt schon ... dass sie eine Dyade sei?«

      »Ja?«, fragte Rhodan.

      »Ist es meine Schuld?« Thora drehte sich um und schaute ihn an. »Ich meine ... ist sie irgendwie geistig gespalten, schizophren oder etwas in der Art ... weil du ein Mensch ... und ich eine Arkonidin ...?«

      Da fiel ihr Blick auf Thomas und Farouq Rhodan da Zoltral, die hinter ihrem Vater die Kabine betreten hatten. Farouq, untypisch für seine Kämpfernatur, senkte den Kopf. Es gab nichts, was er sagen konnte, das seine Mutter ihm nicht umgehend um die Ohren schlagen würde, und das wusste der Marsianer.

      Thomas reagierte ebenfalls untypisch und handelte weitaus weniger überlegt als sein Adoptivbruder. Vielleicht glaubte er, dass es als leiblicher Sohn seine Pflicht sei, etwas anzumerken. »Mom.« Er schluckte. »Rede dir das nicht ein. Es liegt nicht an dir. Ich bin doch auch nicht so ...«

      »Nein, du bist nämlich noch schlimmer!«, platzte es aus ihr heraus. »Spielst mir jahrelang den trauernden Bruder vor! Sogar deine verdammte Schiffspositronik hast du angeblich ihr zu Ehren mit Nathalies Charakterzügen programmiert. Wer redet hier wem etwas ein?« Eine Begebenheit vom Vorjahr fiel ihr ein – als Tom auf einer Demonstration seine große Rede gehalten hatte, damit man seinem kranken Vater den Flug ins Compariat gestattete. Thora hatte ihn und seinen Bruder hinter der Bühne überrascht und noch den letzten Fetzen ihrer Unterhaltung aufgeschnappt:

      »Würdest du dasselbe auch Nathalie sagen? Dass Dad leider sterben muss – weil wir's nicht schaffen, eine verdammte Startgenehmigung zu kriegen?«

      »Vielleicht wird das nicht nötig sein ...«

      Das damals war keine hypothetische Frage gewesen: Ihre Söhne hatten die ganze Zeit mit Nathalie in Kontakt gestanden.

      »Du musst mir glauben, Mom ...«, flehte Thomas. »Es ist uns nie leichtgefallen, das alles geheim zu halten ...«

      »Mich zu belügen, meinst du wohl!«

      Tränen stiegen Tom in die Augen, als auch er wütend wurde.

      Gut so – wenn er sich öfter daran erinnerte, dass er ein Arkonide war, wenigstens zur Hälfte, würde er vielleicht erkennen, wann er sich und seiner Familie Schande brachte.

      Perry drückte sie beruhigend an sich, während Tom fortfuhr. »Nathalie hat gesagt, dass es keinen anderen Weg gibt, dass zu viel davon abhängt – und wir haben ihr vertraut! Redet mit ihr ...«

      »Worauf du dich verlassen kannst«, beschied sie ihm.

      Dein Sohn hat recht, meldete sich ihr Logiksektor zu Wort. Es ist nicht deine Schuld, dass Nathalie geworden ist, was sie ist – und seine auch nicht. Deine Wut an ihm auszulassen, bringt niemanden weiter.

      Es fühlt sich aber gut an!, erwiderte sie trotzig.

      »Bitte verzeih uns unser Schweigen«, sagte Farouq. »Wir wissen, dass wir euch wehgetan haben ...«

      »Und wieso habt ihr es dann getan?«

      Wenn du Antworten willst, musst du Nathalie fragen, mahnte ihr Logiksektor.

      Ihr Mann blickte sie abwartend an. Sie wusste, dass Rhodan diese Unterhaltung mit ihren Söhnen längst geführt hatte. Er hatte den beiden verziehen – nun waren sie gekommen, auch ihre Mutter erneut um Verzeihung zu bitten.

      »Kommt her«, sagte sie und drückte ihre Familie an sich. Spürte ihre Wärme und ihre Kraft und wie sehr sie alle unter der Lüge gelitten hatten, die sie zehn Jahre lang begleitet hatte.

      »Ich bin so froh«, sagte Tom. »Ich bin so froh, dass es vorbei ist.«

      »Ja. Ich bin auch froh.« Thora ließ ihren Mann und ihre Söhne los, holte tief Luft und lockerte die Schultern, als mache sie sich für einen Kampf bereit. »Und eure Schwester wird ebenfalls froh sein, wenn dieser Tag vorüber ist.«

      Die Korvette setzte zur Landung an. Sie fanden sich in der ihnen vom Kommandanten genannten Schleuse ein und verabschiedeten sich von der Besatzung. Ein privater Gleiter des Kaisers holte sie ab.

      Ein privater Gleiter von Nathalie, korrigierte Thora in Gedanken.

      Der Pilot war so wortkarg, ausdruckslos und präzise in seinen Bewegungen, dass Thora beinahe Zweifel hatte, ob er ein Mensch war und keine Maschine. Schweigend nahmen die vier Passagiere hinter ihm unter dem getönten Glasdach Platz und blickten während des Flugs aus dem Fenster auf Trade City hinaus.

      Thora sah das Labyrinth der Depotstadt, in der ungezählte, für den Transmittertransport bestimmte Container auf ihre Entstofflichung warteten. Sah die Stahl- und Glaskreationen neureicher Architekten wie gleißende Blumen in dieser Wüste durcheinandergewürfelter Industriebauten aufragen. Sie sah Einflüsse von Arkon, dem untergegangenen Archetz,