Perry Rhodan

Perry Rhodan Neo Paket 24


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worden war – und im Stil eines jeden einzelnen dieser Reiche. Hätte es in Terrania keine Baubehörde und keine Vorschriften gegeben, würde es dort vielleicht ähnlich aussehen.

      Nathalie war schon immer schlecht darin, bei sich aufzuräumen.

      Thora musste sich daran erinnern, dass ihre kleine Tochter mittlerweile eine Frau von vierzig Jahren war – und sie musste sich eingestehen, dass sie keine Ahnung hatte, wer diese Frau eigentlich war.

      Wenn Thora die Augen schloss, sah sie noch immer Nathalie das Kind vor sich, das einen Wutanfall nach dem nächsten durchlitt, weil die Welt einfach nicht begriff, was Nathalie von ihr wollte. Die Schülerin, die mit wehenden Fahnen Klasse für Klasse übersprang und allerorten Ratlosigkeit, manchmal Angst hinterließ. Die junge Frau, die vor zehn Jahren von ihrer Reise nach Olymp einfach nicht wiederkam und spurlos verschwand. Wahrscheinlich fiel es leicht, unterzutauchen, wenn man ein Genie mit fast unbegrenzten Ressourcen und nur wenigen Freunden war. Eins war in jedem Fall gewiss: Nathalie hatte sich dieses Schicksal selbst ausgesucht, und sie musste es von langer Hand geplant und vorbereitet haben.

      »Sie hat auch mich getäuscht, weißt du«, murmelte Perry Rhodan, gleichermaßen in den Anblick der wild wuchernden Märchenstadt vor dem Fenster versunken.

      »Ich weiß.« Er war nicht das erste Mal auf Olymp. Er hatte sogar schon Audienzen bei Anson Argyris absolviert. Und mochte ihr Mann noch so besonnen wirken im Vergleich mit ihr selbst, mochte er seine Tochter gleichfalls über alles lieben – Thora kannte seinen Stolz, und sein Stolz war verletzt. Vielleicht wahrte er nur deshalb besser die Fassung, weil er länger als sie Gelegenheit zum Gespräch mit Nathalie gehabt hatte.

      »Es hat Nat keine Freude bereitet«, beteuerte Farouq, der mit seinem Bruder auf der mittleren Sitzbank saß.

      »Red keinen Schwachsinn!«, erwiderte Thora scharf. »Natürlich hat es ihr Spaß gemacht. Genau wie euch. Sich verkleiden, die Leute täuschen und hinters Licht führen? Ihr seid doch alle gleich.«

      »Mom!«, protestierte Tom.

      »Heute seid ihr erwachsen und könnt tun und lassen, was ihr wollt«, sagte Thora bestimmt. »Aber erzählt mir nichts über meine Kinder. Die kenne ich besser als ihr!«

      Dann kam vor ihnen der Kaiserpalast in Sicht – der »Taj Argyris«, wie manche ihn mit leichtem Spott nannten. Eine alabasterfarbene Hybride aus terranischer Mogularchitektur und arkonidischem Khasurn, zeitlos, zwischen den Welten gefangen wie seine Erbauerin. Ein Traumschloss. Ein Elfenbeinturm.

      Thora konnte nicht anders: Sie war stolz auf ihre Tochter. Ihre kleine Nat, die einen ganzen verdammten Planeten regierte – und bloß eine Handvoll Leute wusste davon. Sie hätte es im Spiel der Kelche weit gebracht.

      Deine Tochter braucht Arkon ebenso wenig, wie sie die Erde braucht, konstatierte der Logiksektor. Sie passte in keine der beiden Welten – also hat sie sich ihre eigene geschaffen.

      Der Gleiter ging innerhalb der Palastmauern auf einem kleinen, von Gärten umgebenen Landefeld nieder. Das Glasdach hob sich, Blütenduft und der Klang von Wasserspielen schmeichelten Thoras Sinne. Mit stoischer Miene wartete der Pilot, bis sie ausgestiegen waren, dann schloss er das getönte Dach ohne ein Wort.

      »Und jetzt?«, fragte Thora herausfordernd, denn sie wurde das Gefühl nicht los, dass Nathalie sogar in diesem Moment noch mit ihnen spielte. Dass sie das Treffen herauszögerte, ihren Reichtum zur Schau stellte. Vögel sangen in den Bäumen, und irgendwo wurde eine echte oder virtuelle Leier geschlagen.

      »Herzlich willkommen!«, erklang eine Stimme vom Kopf einer Treppe. Dort stand ein hagerer Mann in höfischer Tracht, wie er vor drei- oder vierhundert Jahren in den Schlössern und Burgen Europas gelebt haben mochte. Konterkariert wurde der historische Eindruck lediglich von der huschenden Schar kleiner Robotwesen, die wie Ungeziefer seine Knöchel umspielten und seinen Rocksaum erklommen. »Mein Name ist Jerome Fascal. Bitte folgen Sie mir – der Kaiser empfängt Sie jetzt.«

      Der Kaiser?, dachte Thora irritiert. Kennt er tatsächlich die Identität seines Herrn nicht – oder ist es ihm nur verboten, die Maskerade zu brechen?

      Ihr Mann und ihre Söhne nickten ihr stumm zu. Allem Anschein nach kannten sie den bizarren Lakaien bereits.

      Thora hob stolz das Kinn und ließ sich von Fascal führen, über marmorne Treppen und durch farbenprächtige Säulengänge, vorbei an mechanischen Skulpturen sowie Dienerschaft und Wachen in samtenen Uniformen. Unwillkürlich musste sie daran denken, wie Nathalie damals im Lakeside Institute Passagen aus Tschaikowskis »Nussknacker« nach Gehör nachgespielt hatte. Diese Gänge schienen ihr wie eine Kulisse aus diesem Ballett zu sein. Ein Nussknackerpalast.

      Dann schwang eine schwere, zweiflügelige, mit Messing beschlagene Holztür vor ihnen auf, und aus einer weiten, goldglänzenden Halle kam ihnen ein großer Mann mit langem, dunklem Haar entgegen. Sein imposanter Bart war zu zwei Zöpfen geflochten, die an den Epauletten seines roten Rocks befestigt waren. Seine Beine steckten in Seidenhosen und Lederstiefeln, an seinen Fingern gleißten juwelenbesetzte Ringe. Er sah aus wie ein Feldherr, ein Superverbrecher, ein Freibeuter. Er sah aus wie alles, was Nathalie als Kind gern gespielt hatte.

      Aus Gewohnheit schien er kurz darauf zu warten, dass man den Kopf vor ihm neigte. Dann stolzierte er weiter wie ein alter Haudegen, der alle in seine großen Arme schließen wollte, und blieb doch abermals stehen, als müsste er selbst überlegen, was die Etikette für einen Fall wie diesen vorsah.

      Die Tür schloss sich, nun waren allein sie mit dem Herrn der goldenen Halle.

      Eine Familie – zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder vereint ...

      Ein seltsam weicher Ausdruck trat in seine großen Augen.

      »Hallo, Mom«, sagte Anson Argyris.

      4.

      Männer bei der Arbeit

      Der Fußweg endete vor einem Tor in einer Mauer, hinter der sich die struppigen Bäume von Reginald Bulls Garten erhoben. Eine Weile stand Perry Rhodan vor dem Eingang und wartete auf Antwort, doch weder der Bewohner noch das Haus reagierten auf das Betätigen der Sprechanlage. Vielleicht schlief das Haus komplett, oder nur die Türklingel war abgestellt. Vielleicht schlief Bull. Andererseits war es helllichter Tag, und nach Auskunft der Flotte war Bull zu Hause.

      Rhodan hatte nicht schlecht gestaunt, als er mit dem Flottenkommando Kontakt aufgenommen und sein alter Schulfreund Marcus Everson das Gespräch entgegengenommen hatte. Alt im Wortsinn – tiefe Falten zeichneten sein Gesicht. Zwar hatte Everson bereits in der Vergangenheit das Amt des Stellvertretenden Systemadmirals ausgeübt, aber das war lange her.

      »Reginald hat sich seit Tagen nicht mehr blicken lassen.« Aus Eversons Stimme hatte kein Vorwurf geklungen. »Bitte richte ihm aus, dass wir uns langsam Sorgen machen.«

      »Danke, Marcus. Es tut gut, dich zu sehen.«

      »Ebenso, Perry.«

      Rhodan lauschte. Nur das Rauschen der Blätter, ein paar Vögel, der ferne Verkehr ... Dann glaubte er, aus Richtung des Hauses ferne Geräusche zu hören.

      Er wusste, dass Bulls Sicherheitssysteme nicht die besten waren. Aber falls er einen Alarm auslöste, wäre das durchaus peinlich. Rhodan sprang in die Höhe, drückte sich an der Mauer hoch und schwang sich darüber.

      Das Grundstück war groß, aber nicht riesig. Eine Rasenfläche mit ein paar Bäumen, ein kleiner, trockener Pool, in dem sich Blätter sammelten, und Bulls privates Landefeld, daneben die große Garage. Ähnlich wie Rhodans eigenes Grundstück, aber etwas pragmatischer und in den zurückliegenden Monaten augenscheinlich schlecht gepflegt.

      Rhodan folgte dem Weg zum Haus und klopfte. Keine Reaktion. Das Eingabefeld für den Öffnungscode neben der Tür jedoch leuchtete grün. Allmählich machte sich auch Rhodan Sorgen. Dass Bull für niemanden erreichbar war, sich aber in einem unverschlossenen Haus versteckte, war nicht gut. Er drückte die Tür auf und trat ein.

      »Reg?«

      Ein dicker Geruch