Doris Bolten

Sammy, das kämpfende Herz


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dass die erste Autofahrt besonders wichtig sei. Dieses Erlebnis würde den Hund im Hinblick auf die Frage prägen, ob er Autofahrten mögen oder nicht mögen würde. Da wir viel unterwegs waren, sollte unser Hund sinnvollerweise autotauglich sein.

      So fuhren wir mit – ungelogen! – dreißig Stundenkilometern nach Hause, immer darauf bedacht, dass sich der Welpe nicht vielleicht übergeben müsste. Wie die anderen Verkehrsteilnehmer auf unseren »Geschwindigkeitsrausch« reagierten, muss ich nicht erwähnen – das war uns aber damals völlig gleichgültig.

      Zu Hause angekommen stellten wir Sammy erst einmal bei meinen Schwiegereltern vor. Der kleine Kerl wirkte in der riesigen großen Küche dort völlig verloren. Ein dunkler Fleck auf weißen Fliesen. Er schaute in alle Richtungen, um herauszufinden, wo er denn hier gelandet sei.

      Ich nahm ihn schnell wieder auf den Arm und sprach leise mit ihm. »Hier wohnen nur Oma und Opa, du wohnst gleich nebenan.«

      Dort setzte ich Sammy in der Diele ab und ließ ihn erst einmal die Umgebung erschnüffeln. Ich zeigte ihm, wo das Wasser stehen würde. Und dann kam auch der große Augenblick, dass ihn in sein neues Körbchen setzte. Das Handtuch lag dort schon bereit.

      Er setzte sich auf und begutachtete seine neue Umgebung. Sie schien ihm zu gefallen – denn als erstes markierte er mal sein neues Revier.

      Tja, mein Fehler. Wäre ich eben mit ihm rausgegangen. Aber das würde ich schon hinbekommen …

      Ich hatte drei Wochen »Erziehungsurlaub« genommen, um meinem neuen »Baby« Manieren beizubringen. Die ersten Nächte, so war das mit meinem Mann Ralf vereinbart, würde ich im Wohnzimmer auf dem Sofa schlafen. Ich wollte da sein, wenn Sammy wach würde und raus müsste. Ich hatte auch wildeste Befürchtungen, er würde seine Mama vermissen und weinen. Aber das war völlig unnötig – er fühlte sich von Anfang an wohl bei uns.

      Um Mitternacht gab es die letzte Runde, dann erst wieder um sechs Uhr. Dazwischen schlummerte Sammy wie ein kleines Baby. Er vermisste seine Mutter nicht ein einziges Mal. Das Handtuch entsorgte ich bereits nach drei Tagen.

      Ich schlief auf dem Sofa, Sammy in seinem Körbchen. Manchmal nahm ich ihn auch zu mir mit aufs Sofa. Dann lag er in meinem Arm und schlief tief und fest. Sobald er wach wurde, lief ich mit ihm auf dem Arm hinaus, damit er dort seine Geschäfte erledigen konnte.

      Nach etwa drei Wochen war er – bis auf seltene Ausnahmen – stubenrein. Und es gab von Anfang an »feste Zeiten«.

      Damals arbeitete ich noch ganztags, und so sprachen wir uns mit meinen Eltern ab, dass ich Sammy morgens bringen und Ralf ihn mittags abholen würde. Ralf war im Kundendienst tätig und den ganzen Tag mit dem Auto unterwegs. Dank unserer Schleichfahrt, nachdem wir Sammy beim Züchter abgeholt hatten, gab es keine Probleme, mit ihm Auto zu fahren.

      Aber nach einigen Wochen ging mir das Arrangement irgendwie gegen den Strich. Immerhin war ich jetzt Hundemama und sollte mich um mein Baby kümmern. Aber wie, wenn ich den ganzen Tag arbeitete?

      Es war schnell klar – eine Halbtagsstelle musste her. Ich besprach dies mit meinem Mann, der mich sehr bei dieser Idee unterstützte, und nach nicht allzu langer Zeit wurde ich auch fündig: sechs Stunden täglich, jeweils wechselnd vormittags oder nachmittags.

      Die neue Zeiteinteilung mit der Versorgung unseres Hundebabys in Einklang zu bringen, war schnell geregelt. Wir wohnten ja in direkter Nachbarschaft zu meinen Schwiegeraltern: diese bewohnten das Haupthaus – gemeinsam mit meiner Schwägerin und deren Labrador –, im Anbau lebten wir. Der Garten wurde gemeinsam genutzt. – Auch wenn manch einer Zweifel daran haben mag: es klappte wirklich ausgezeichnet. Immerhin hatte ja jeder seine eigenen vier Wände und eine Haustüre, die man hinter sich schließen konnte. Es gab also keinen Grund, warum es nicht prächtig funktionieren sollte.

      Nur mir ging es nicht wirklich gut dabei, weil ich meinen Schatz doch immer wieder zu Hause lassen musste. Aber mitnehmen ging nun mal nicht – leider.

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      Sammy ca. 12 Wochen alt: Der erste Kampf mit einem Kauknochen

      Aber bekanntlich spielt das Leben gerne nach seinen eigenen Regeln – und es ergab sich eine bessere Lösung.

      Ralfs Firma, die er gemeinsam mit seiner Schwester leitete, wurde größer, die Aufträge wurden zahlreicher und die Büroarbeit nahm entsprechend zu. Was lag also näher, als sich in seiner Firma zu betätigen? Der Vorteil dabei war, dass ich Sammy mit ins Büro nehmen konnte. Alle wären zufrieden und ich glücklich, den ganzen Tag mit meinem Baby zusammen sein zu können.

      Dabei war eines meiner Talente gefordert: Es bedeutete zeitlichen Organisationsbedarf. Morgens um 5.30 Uhr ging der Wecker, bereits um 6.30 Uhr war ich mit Sammy unterwegs. Um 7.45 Uhr ging es ins Büro und ab dem Feierabend um 13 Uhr konnte ich meinen Pflichten als Hausfrau und Hundemama nachgehen.

      Sammy fand von Anfang an in Bonny, dem Hund meiner Schwägerin, eine Freundin. Bonny übernahm auch die Rolle einer Erziehungsmanagerin. Leider verstarb Bonny, als Sammy gerade drei Jahre alt war. Anderthalb Jahre später kam Finja als Sammys neue Freundin ins Spiel. Doch dazu später mehr.

      Zuerst genossen wir also die Zeit mit unserem Sonnenschein.

      Da Sammy im Herbst zu uns gekommen war, war er nicht sehr begeistert, wenn ich bei jedem Wetter mit ihm hinausging. Aber was sein musste, musste eben sein.

      Daher stammte allerdings seine Abneigung gegen Regen. Wie eine Primadonna tänzelte er über den Gehweg, penibel jeder Pfütze ausweichend. Wenn es stark regnete, schüttelte er sich auf einem Weg von hundert Metern mindestens fünfzehn Mal. Und »kräftig schütteln« bedeutet bei einer Französischen Bulldogge, dass der ganze kleine Körper vibriert und mit allen vier Beinchen abzuheben scheint. Ein lustiger Anblick.

      Lange Spaziergänge waren bei schlechtem Wetter auch nicht angesagt. Nachdem alle »Geschäfte« erledigt waren, wurde der Rückwärtsgang eingelegt: nix wie nach Hause.

      Ich hatte ihm von Anfang an beigebracht, dass er nach jedem Gassigang in der Diele sitzen blieb und wartete, bis ich ihn sauber gemacht hatte. Was hieß: die Schnauze wurde abgeputzt, die Nasenfalten gereinigt, der Pullermann trockengelegt und nicht zuletzt der Popo abgeputzt. Wer die Heckansicht eines Bullys kennt, weiß, dass da mal was »hängen bleiben« kann.

      Nach diesem Reinigungsvorgang rannte Sammy in die Küche, zu einem ganz bestimmten Schrank. Dieser Schrank war wie eine Wundertüte, alle erdenklichen Leckerchen lagen darin. Und er wusste, wenn ich egal was auch immer mit ihm angestellt hatte, gab es »lecker«. Und ich habe zeit seines Lebens so einiges mit ihm angestellt …

      Leider war Sammy von Anfang an immer etwas kränklich. Als er gerade zwei Monate bei uns war, hatte er sich eine winterliche Erkältung zugezogen – mit leichtem Husten und laufender Nase, wie bei einem Kleinkind.

      Meine damalige Tierärztin empfahl, da er noch so jung war, Dampfbäder zu machen, am besten mit Meersalz. Ich besorgte eine Spülschüssel, in die ich heißes Wasser einließ und Meersalz hinzugab. Dann stellte ich die Schüssel auf den Boden, zwischen meine Beine und hob Sammy auf meinen Armen über die Schüssel, mit einem großen Badetuch über uns beide geworfen. Das schien ihm zu gefallen, denn er schaute mich jeden Tag erwartungsvoll an.

      Nachdem wir die Dampfbäder mehrfach wiederholt hatten, ging seine Erkältung vorüber. Der Kampf war gewonnen. Danach musste ich die Schüssel nur in die Hand nehmen, schon stand er erfreut neben mir.

      Unglücklicherweise blieb es nicht bei dieser anfänglichen Erkältungsgeschichte.

      Die Bullys haben ja ein ausgesprochen knautschiges Gesicht, und die Nasenfalten bedürfen einer intensiven Pflege – was ich auch erst lernen musste. Sobald sich in diesen Falten Feuchtigkeit sammelt und nicht gleich wieder getrocknet wird oder insgesamt eher vernachlässigt wird, nisten sich Bakterien ein und es kann zu einer Entzündung kommen, die sich nur sehr schwer behandeln lässt.

      Mit Sammy konnte man aber alles machen. Ich