ich war entzückt, die beiden homosexuellen Herren an meiner Seite sprangen geradezu hysterisch auf: »Oh, mon dieu, c‘est Ooto!«
Dem Namen „Ooto“ schenkte ich keine besondere Beachtung. Aber wow, was ich wusste war, dass mir noch nie in meinem Leben ein so charismatischer Mann über den Weg gelaufen war, wie dieser. Als nächstes kam er die Treppe hinunter, was wiederum ein atemberaubender Anblick war. Unten angekommen, wurde dieser Ooto überschwänglich begrüßt. Er parlierte in perfektem Französisch.
»And who are you?«, wandte er sich mir zu.
So lupenrein sein Französisch auch war, seinem Englisch entnahm ich, dass es sich vermutlich um einen deutschen Otto handelte.
»Hey, bist du Deutscher?«, wollte ich es in meiner unbändigen Neugier genau wissen.
»Ja, bin ich. – Und, was machst du hier?«
»Ich laufe für so ‘nen deutschen Typen, so ‘ne deutsche Marke, Otto Kern.«
Daraufhin grinste er amüsiert: »Ja geil, dann seh‘n wir uns ja morgen, das bin ja ich.«
Ja genau, verarsch‘ mich, fiel mir dazu nur ein. Dabei war ich ja auch in Deutschland schon für ihn auf Messen gelaufen – aber eben unbekannterweise. Klar, dass der Groschen bei mir recht schnell fiel. Aber wie schicksalhaft, oder? Typisch Sarah.
Der weitere Abend verlief noch lustig, und Otto Kern persönlich fuhr mich anschließend nachhause. Ganz Gentleman, fragte er, ob er mir beim Aufsperren helfen dürfe, worauf ich trotz eines leichten Schwipses erwiderte, dass ich das gerade noch alleine schaffen könne. So trennten sich unsere Wege an diesem Abend, nicht ohne Verabredung für den folgenden Tag auf der Messe.
Zum Abendessen in einem Restaurant wurde ich eigens von seinem Chauffeur abgeholt. Ich erschien am reservierten Tisch, und da saßen sie schon: Otto Kern, acht Leute aus seinem Frankreich-Team und … ja, und eine hochschwangere Frau genau ihm gegenüber. Ein einziger Platz war noch frei – direkt neben ihm. Heilige Guacamole, dachte ich mir schon kurz darauf, weil der weitere Abend unangenehm zu verlaufen versprach. Otto Kern war mir unübersehbar zugetan, und die Dame in anderen Umständen amüsierte das ganz und gar nicht. Und dann kannte ich sie auch noch, aus dem Fernsehen nämlich. Ein Megastar in Frankreich, sie hatte unter anderem mit Louis de Funès in diesen Gendarmen-Filmen mitgespielt. Außerdem strahlte sie überall in Frankreich von den Werbeplakaten einer Zigarettenmarke. Erst später sollte ich erfahren, dass Ottos Begleiterin zwar von ihm schwanger war, eine auf Gegenseitigkeit beruhende Liebesbeziehung aber nicht mehr bestand und beide auch nicht verheiratet waren.
Ein Wiedersehen feierten Otto und ich dann während der nächsten Modemesse in Düsseldorf. Dort klärte er mich auch darüber auf, dass die Begleiterin aus dem Restaurant in Paris von ihm schwanger war, er jedoch nicht den Wunsch gehabt hätte, Vater zu werden. Außerdem hätte er die Beziehung mangels Liebe für beendet erklärt. Er legte mir gegenüber auch großen Wert darauf zu betonen, dass er gut zu dem Kind sein würde und es diesem auch finanziell an nichts fehlen würde. Es sollte kein Lippenbekenntnis sein. Otto und ich kamen zusammen, und als der kleine Otto Amadeus schließlich auf die Welt kam, schloss ich diesen zauberhaften Jungen sofort in mein Herz. Jahre später war Otto Amadeus dann auch bei der Geburt meines ersten Kindes dabei. Er gehörte eben genauso zu uns wie auch Ottos Tochter Candy aus erster Ehe. Wir wurden eine tolle Patchworkfamilie.
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