Nataly von Eschstruth

Vae Victis - Band I


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noch unter einem Joch seufzen, welches selbst bei den Barbaren in Russland, Afrika und Amerika so lange schon aufgehoben wurde ...“

      „Ah!?“ —

      „Ich meine die Sklaverei, Graf!“

      Sie lachte, und die beiden Herren lachten unwillkürlich mit; nur Gräfin Malva blickte stumm und ernst von der Orange, welche sie just schälte, empor.

      „Sie haben recht, mein gnädiges Fräulein,“ zuckte Bonaventura die Achseln; „die Ketten, welche auf dem Standesamt geschmiedet werden, sind nicht immer Rosenketten, und doch zeugen sie von dem Bedürfnis gerade der zivilisierten Welt, dass sie in ihrem fieberhaften, wüsten Drang nach Freiheit der Handschellen noch viel mehr bedarf, wie die Naturvölker. Ich bin überzeugt, dass sich im schwarzen Erdteil noch nie eine Sittenkomödie voll Ehebruch, Leichtsinn und Unmoral abgespielt hat, wie sie in den hochkultivierten Sodoms und Gomorras bei uns leider an der Tagesordnung sind!“

      „Wohl möglich! Die Gesetze der ‚Wilden‘ sind derart, dass sie jede Poesie bereits in der Knospe ersticken —“ versuchte Fräulein von Heym mit ihrem überlegenen Lächeln zu scherzen. „Wenn eine Zuludame ihrem Gatten langweilig wird, oder wenn er merkt, dass ihre zärtlichen Gefühle gegen ihn erkalten, so verarbeitet er sie zu Beefsteak, ohne damit irgendeinem Strafgesetzbuch zu nahe zu treten —“

      „Vor 50 Jahren, ja, da war es vielleicht noch so!“

      „Und wenn es sich an bewohnten Küstenstrichen scheinbar geändert hat — wer kontrolliert im tiefsten Landesinnern die Gesetze? — Aber wie dem auch sei! — Soll ich einmal freiwillig den Nacken vor einem ‚Herrn und Gebieter‘ beugen, so muss er in der Tat der Herrlichste von allen sein, ein Übermensch an Schönheit, Geist, Energie und Wissen —! Ich sprach diese Ansicht schon zu oft aus, als dass sie nicht allgemein bekannt geworden wäre! Nun erwartet man voll Spannung meine Wahl, diesen Gott unter Menschen kennen zu lernen —“

      „Da müssen Sie freilich mit der Laterne suchen, um der verblüfften Welt solch ein Unikum zu präsentieren!“

      „Wirklich, Graf?“ Fräulein Ellinor lehnte momentan schmachtend den Kopf zurück und liess die weissen Zähne durch die Lippen blinken, wie eine Wölfin, welche sich sonnt; dabei tauchte ihr Blick sekundenlang tief, tief in den ihres Gegenübers, dass Bonaventura jäh das Blut in das Gesicht schoss — schon aber, ehe ein anderer diese ‚Funkentelegraphie‘ bemerken konnte, sanken die müden Augenlider wieder verschleiernd nieder, und Fräulein von Heym fuhr träumerisch fort: „Ich glaubte es lange Zeit, gleich Ihnen — aber ich wurde dennoch zu anderer Ansicht bekehrt.“

      Hochheim machte eine hastige Bewegung: „Hört, hört! Geständnisse einer schönen Seele! An die Gläser, meine Herrschaften, der unbekannte Gott soll leben!“

      Klingend trafen sich die hohen Champagnerkelche, und als Völkern den seinen gegen den des Fräulein Ellinor neigte, zuckte ihre kleine Hand so auffällig empor, dass ein paar perlende Tropfen über den Rand sprühten.

      „Verschütteter Wein? — Ist das nicht ein Aberglauben? Was bedeutet er?“ fragte der Graf, mehr höflich, wie interessiert.

      „Glück, viel Glück!“ — Fräulein von Heym sagte es langsam mit absonderlicher Betonung, und wieder traf ihr Blick Bonaventura, „wenn wir aufgeklärten Menschen überhaupt noch von Aberglauben reden dürfen!“

      „Erlaubt ist, was gefällt!“ lachte Völkern nervös und wandte sich zu Malva, „lassen Sie die Probe machen, Komtesse, ob auch Ihre gütige Hand des Glückes Füllhorn ausschüttet!“

      Sehr ruhig und ernst hob Gräfin Kettenau das Glas.

      Kein Zittern und Beben verriet die Erregung, unter welcher sie während der letzten Minuten gelitten; — kaum, dass die Kelche hörbar zusammenklangen.

      „Nein — das Glück erweist sich Ihnen widerspenstig, Gräfin!“ lächelte Ellinor mit einem scharfen Zug um die Lippen. „Man muss ihm sehr tyrannisch den Fuss auf den Nacken setzen, will man es sich untertan machen. — Apropos — Sie weilen schon längere Zeit in der Residenz?“

      „Seit zwei Jahren!“ lautete die beinahe tonlose Antwort.

      „Sie kommen auch von dem Gut Ihres Herrn Bruders hierher, nur um die Geselligkeit mitzumachen?“

      Die tiefblauen Augen schlugen mit klarem, stolzem Blick voll auf.

      „Doch nicht, Fräulein von Heym! So verschwenderisch gehe ich nicht mit der Zeit um. Ich weile hauptsächlich meiner Malstudien wegen hier!“

      „Ah — Sie malen? — Aus Passion?“

      Die Frage wurde mit so sanfter, teilnehmender Stimme gestellt, dass man die Taktlosigkeit im ersten Moment gar nicht heraushörte. Malva zerteilte sehr gelassen die goldene Frucht auf ihrem Teller, nur ihr zartes Gesichtchen schien noch um einen Schein bleicher zu werden.

      „Doch nicht. Ich hoffe, meine Kenntnisse später zu verwerten und recht viel Geld mit den Bildern zu verdienen.“

      „Ah, wie interessant! Was malen Sie? Stillleben? Landschaften?“ —

      „Beides.“

      „Scharmant! Darf ich Sie wohl einmal in Ihrem Atelier besuchen? Ich beabsichtige nämlich, mir eine Villa hier im Tiergarten zu kaufen und dieselbe sehr luxuriös und künstlerisch auszustatten! Nur die ersten und besten Meister bzw. Meisterinnen! Wie stolz würde ich sein, auch etliche Ihrer Kunstwerke in den Salons aufhängen zu können!“

      Die leise, schmachtende Stimme klang wirklich sehr liebenswürdig und schmeichelhaft; darum war Völkern etwas überrascht, als Malva sehr kühl ablehnend den Kopf schüttelte mit der Bemerkung, so hohen Ansprüchen seien ihre fürs erste noch recht bescheidenen Leistungen nicht gewachsen.

      Warum das? Wenn sie doch mal drauf angewiesen war, Geld zu verdienen, sollte sie diese gute und gewiss seltene Gelegenheit doch beim Schopf fassen!

      Ein wenig gesprächiger, wie zuvor, wandte er sich an Ellinor, das Thema auf moderne Malerei lenkend; Hochheim und Malva sassen als wortkarge Zuhörer beiseite.

      Endlich war das Souper beendet, und Bonaventura bot seiner Partnerin den Arm, sie in den Tanzsaal zurückzuführen.

      Sonst hatte sein Blick stets tief in den ihren getaucht, er hatte meist die Blumen, welche die Tafel schmückten, schnell zusammengerafft, sie mit vielsagendem Lächeln in ihre Hand zu legen — heute war er zerstreut und sichtlich schlecht gelaunt; nicht einmal, dass er wie sonst flüsterte: „In diesem Tanz sind keine Extratouren gestattet.“

      Im Gegenteil, als Graf Hochheim nach etlichen Runden sich vor Malva verneigte, nickte er nur zustimmend mit dem Kopf: „Selbstredend gestatte ich, bester Graf!“ — Und als das Paar in dem bunten Schwarm davonwirbelte, schritt er gedankenvoll Fräulein von Heym entgegen.

      Diese flog von einem Arm in den anderen, und schon vor Völkern standen bereits wieder zwei neue Tänzer, welche auf das Goldfischchen warteten.

      Ein Garde-Ulan und ein Garde-Kürassier mit sehr klingenden Namen.

      Alle drei Herren verneigten sich à tempo, und — o Wunder — die vielumworbene Millionenerbin nickte dem Letztgekommenen zu und sagte huldvoll: „Ah — der Walzer, welchen ich Ihnen versprochen, Herr von Völkern!“

      Das war ein Triumph, und weil die Eitelkeit die Achillesverse des jungen Grenadiers war, so blitzte sein Auge siegesbewusst auf, und etwas erregter wie sonst legte er den Arm um das „Rokokopüppchen“, wie ein paar Heiratsaspiranten enthusiastisch das Goldfischchen benannt.

      Und während sie tanzten, blickte Ellinor zu ihm auf und hauchte: „In den nächsten Tagen erwarten wir Gäste bei uns im Palasthotel zum Diner — ich würde mich sehr freuen, wenn Sie Tante Geldern Ihren Besuch machten.“

      „Ich werde nicht ermangeln, der Gräfin meine Aufwartung zu machen und mich nach dem Befinden des gnädigen Fräuleins zu erkundigen.“ —

      Als er an seinen Platz zurückschritt, begegnete ihm Hochheim.

      „Na,