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Cys vs. Silvers – River und Armand
Ein Roman von Hanna Julian
Impressum
© dead soft verlag, Mettingen 2020
© the author
Cover: Irene Repp
http://www.daylinart.webnode.com
Bildrechte:
© Kiselev Andrey Valerevich – shutterstock.com
© Denis Simonov – shutterstock.com
1. Auflage
ISBN 978-3-96089-407-0
ISBN 978-3-96089-408-7 (epub)
Inhalt:
Die Menschheit ist nach der Invasion der Silvers am Ende. In dieser dystopischen Welt bilden sich Gangs, die weder Recht noch Gesetz kennen. River Ward erleidet als Kind bei einem Initiationsritus fürchterliche Verbrennungen. Um sein Leben zu retten, wird er in einen Cyborg umgewandelt und gegen die Silvers in den Kampf geschickt. Doch River kann dem Krieg entfliehen und sucht Zuflucht auf dem ehemaligen Kreuzfahrtschiff „Cyborg Horizon“.
Dort trifft er auf Armand und sein Glück scheint perfekt. Doch die „Cyborg Horizon“ ist nicht das, was sie zu sein scheint.
Prolog
»Lasst den Jungen durchs Feuer gehen!« Derk, der Anführer des Manhattan Clans, hatte diese Worte wie eine Portion Kautabak ausgespien. Er war ein echter Hüne, den korpulenten Körper in Leder gehüllt. Seine Haut war mit satanischen Symbolen tätowiert: umgedrehte Kreuze, die Zahl 666, Pentagramme. Am Hals ein gekreuzigter Engel mit nach oben angenagelten blutigen Flügeln, die über Derks Kehlkopf zusammenstießen – Relikte aus einer Vergangenheit, die noch religiös geprägt gewesen war. Auch wenn diese Zeichen inzwischen unwichtig waren, demonstrierten sie doch, wie Derk schon früher zu Werten und Normen gestanden hatte. Er hatte sie verhöhnt, denn sein ganzes Leben lang war er keinerlei Regeln gefolgt, sondern hatte stets seine eigenen gemacht. Was er sagte, hatte Gewicht bei denen, die, ebenso wie er, Outlaws waren. Und heute zählten seine Worte mehr denn je, denn die einstige Ordnung der Welt existierte nun nicht mal mehr für diejenigen, die ihr immer willig gefolgt waren. Inzwischen gab es völlig andere Regeln, die von brutalen Anführern wie Derk festgelegt wurden, und es gab kaum jemanden, der sich diesen mächtigen Bossen widersetzte.
Die Worte, die Derk soeben ausgesprochen hatte, waren keine Metapher, sondern eine Anweisung an seine Gefolgsleute. River spürte, wie er gestoßen wurde. Ein paar nachdrückliche Schubser der Männer reichten aus, um ihn in die gerade noch sichere Zone zu bringen. Dahinter begannen die Wände aus verschlingenden Flammen, die von Türmen aus alten Möbeln, Matratzen und hunderten von Büchern gespeist wurden. River hatte diesen Moment ebenso herbeigesehnt, wie er ihn fürchtete. Nun gab es kein Zurück mehr. Die Hitze brannte bereits unangenehm auf seinem Gesicht. Nur ein winziger Vorgeschmack auf das, was kommen würde.
»Lauf, Kleiner! Lauf oder stirb!«, rief ein Mann, der seitlich stand. Es war ein stämmiger Kerl, der wie die anderen bei Rivers Initiation zusah. River konnte an seinem Blick erkennen, dass er danach gierte, zu erfahren, ob das schmächtige Kind den Einführungsritus überleben würde. Doch dann wurde der Mann herumgerissen und ein anderer küsste ihn hart.
»Nicht jetzt. Nicht jetzt!«, wehrte der Stämmige ab.
Der Abgewiesene wurde handgreiflich und riss dem sich Weigernden das Hemd vom Leib, während er mit der anderen Hand eine halbleere Flasche Bourbon umklammerte. Der Stämmige wehrte sich, und fast hatte er sich schon entwunden, doch die Umstehenden halfen dem Angreifer, den nun halb Entblößten auf die Knie zu zwingen. Sie hielten ihn fest, während der Gewinner den Mann zwang, den Mund aufzumachen. Er kippte ihm Whiskey in den Rachen, dann öffnete er lachend seine Hose. »Blas mir einen! Wenn du mich beißt, schneide ich dir die Kehle durch«, drohte der Mann und schlug die Flasche entzwei, um seinem Opfer das scharfkantige Glas an den Hals zu halten. Der ergab sich seinem Schicksal und war seinem Bezwinger zu Willen. Rivers Blick richtete sich wieder auf den schmalen aber langen Tunnel, der durch das Feuermeer führte. Das Ende war weit entfernt und verschwand in den Rauchschwaden, die River bereits schmerzhaft in die Augen stachen und seine Kehle zuschnürten. Der Junge musste sich jetzt einzig und allein auf diese Herausforderung konzentrieren. Denn so wenig, wie man hier ein Nein in Sachen Sex akzeptierte, so wenig würde man ihm eine Rückkehr auf sicheres Terrain gestatten. Laufen oder sterben – möglicherweise beides. Es gab kein Entrinnen. Keinen Ausweg. Kein Leben ohne Schmerz und Narben. River lief los. Von den Seiten packte ihn die Hitze und ließ ihn fortan nicht mehr los. Sie stopfte sich ihn in ihren Leib, fraß ihn auf und verdaute ihn, während der Junge versuchte, auf den Beinen zu bleiben. Neben ihm loderte es unaufhaltsam. Das Feuer griff verheerend nach ihm, warf Blasen und ließ seine zarte Haut zu einer stinkenden, schmerzenden Kruste werden. Rivers Arme standen in Flammen, als er die Hälfte des Höllentunnels passiert hatte. Seine Ohren waren verschmort. Die zuvor ungewöhnlich langen und schön geschwungenen Wimpern, seine schmalen Augenbrauen und blonden Kopfhaare existierten nicht mehr. Doch seine Füße trugen ihn ins Zentrum des Nichtswerdens. River wusste, dass er sterben würde. In wenigen Minuten war er nur noch ein verkohlter Leichnam, von dem die Ratten nach Erlöschen des Feuers die wenigen verdaulichen Reste nagen würden. Die flammende Bücherwand zu seiner Rechten war beinahe heruntergebrannt. Ein kurzer Lufthauch erfasste ihn, schenkte ihm ein paar Sekunden Kraft, sich weiterzubewegen. River trat gegen ein Buch, das den Flammen getrotzt hatte. Obwohl er seine Augen kaum öffnen konnte, las er den Titel: „Das Paradies der Überlebenden“. Was für ein Schwachsinn! Es gab kein Paradies … Und wenn alles so weiterging wie bisher, würde es auch keine Überlebenden geben. Die Menschheit war am Ende. Vernichtet von Wesen, die sie wie Müll von ihrem eigenen Planeten fegen würden. Sie hatten ihr Ziel bereits fast erreicht – und die noch Übriggebliebenen hatten keine bessere Strategie entwickelt, als sich gegenseitig das Leben zur Hölle zu machen. Und genau durch eine dieser Höllen lief er nun. River trat das Buch ins Feuer. Es sollte brennen, so wie er. Heute würde keiner von ihnen überleben … heute nicht, und niemals mehr. Er spürte nicht, dass er weinte. Er fühlte nicht mehr den Boden unter seinen Füßen. River bemerkte nicht, dass ein Turm aus lodernden Aktenschränken neben ihm zu Boden ging und ihn nur knapp verfehlte. Er lief weiter, einfach nur, weil es nichts anderes mehr gab. Erst als Hände nach ihm griffen, an ihm rissen, ihm auf den verbrannten Rücken klopften und Whiskey auf seine versengte Haut geschüttet wurde, ergriff ihn erneut der Schmerz. Unendlich groß. Viel größer, als er es ertragen konnte. River fiel. Man ließ ihn liegen, enttäuscht von seinem wenig heroischen Auftreten.
»Was sollen wir jetzt mit dem Kind tun?«
»Wieder ins Feuer schmeißen. Ist ohnehin so gut wie tot«, schlug einer der Männer vor.
»Lasst Derk entscheiden. Er wird gleich hier sein.«
»Bis der kommt, ist der Knabe hin. Von dem Kerlchen ist doch nichts mehr übrig, was man lebendig nennen könnte. Er sieht aus wie ein Bratwürstchen, das man auf dem Grill vergessen hat.« Die Männer lachten.
River atmete. Es fiel schwer. So schwer! Man starrte ihn an, verhöhnte ihn. Einige spuckten aus, weil er unerträglich stank. Ihm war selbst übel davon, aber er war zu schwach, um sich zu übergeben. Er dämmerte weg – endlich, der Tod. Ein Fußtritt beförderte ihn ins Bewusstsein zurück. River konnte die Augen nicht öffnen, aber er erkannte Derks Stimme.
»Bringt ihn zu Frankenstein.«
1. Kapitel
Frankenstein … Phil!
River riss die Augen auf. Wieder dieser fürchterliche Traum, der die Geschehnisse aus seiner Kindheit mit jeder Nacht erneut in sein Gedächtnis einbrannte. Offensichtlich gab es kein Mittel dagegen, also musste er diese unmenschlichen Schmerzen und die Verachtung der Männer, von denen er damals gehofft hatte,