Ebd., S. 557.
[13] William Gibson: The Recombinant City. A Foreword. In: Samuel R. Delany, Dhalgren, Vintage Books, New York, USA 2001, S. XI–XIII hier: S. XI. Das Vorwort erschien zuerst 1996 in der Dhalgren-Ausgabe der Wesleyan University Press.
[14] Beide Texte wurden mehrfach ins Deutsche übertragen und erschienen übersetzt von Waltraud Götting in: Samuel R. Delany, Treibglas. Erzählungen vom Rand der Wirklichkeit, Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 1982.
[15] »Er hatte gewußt, daß er schmutzig war, doch dieser ungeheure Dreck hier im Wasser war schon erstaunlich«, S. 177.
[16] Vgl. hierzu etwa: »Maus schlenderte neben Hölle³ dahin, und sein Stiefelabsatz klapperte und sein nackter Fuß klatschte«. Samuel R. Delany, Nova, Bastei Lübbe, München 1981, S. 16. Schmutz findet sich als (marginales) Element auch in den beiden weiter oben genannten Erzählungen.
[17] Vgl. S. 10 und S. 391f.
[18] Delany hat diesen Gedanken in Triton beträchtlich weiterentwickelt: »Das Buch schildert eine Gesellschaft, in der jeder über sein Geschlecht, seine sexuelle Orientierung und über die Gesetze, denen er unterliegt, selbst entscheiden kann.« Guido Sprenger, E-Mail an den Verfasser vom 22. Mai 2020.
[19] Die Verwendung des Begriffs »Nigger« wird unterdessen speziell in der US-amerikanischen Öffentlichkeit kritisch bewertet. Annette Charpentier: »Nicht, dass es damals kein Problem war, aber die Rezeption war nicht so ›woke‹ wie heute, vierzig Jahre später.« Entsprechend wäre die Verwendung der Vokabel nur noch mit Erklärung denkbar: »Das würde auch für eine bearbeitete Neuausgabe von Dhalgren gelten.« E-Mail an den Verfasser vom 21. Mai 2020.
[20] Eine biographische Anspielung: »Samuel R. Delany muss aufgrund seiner (relativ) hellen Hautfarbe immer wieder betonen, dass er Schwarzer ist.« Jürgen Joachimsthaler: Dynamisierung der Bilder, Zeichen und Imagines. Wie Anm. 2, S. 77.
[21] Vgl. S. 94, S. 601, S. 877.
[22] Vgl. hierzu S. 333 und S. 1011. Die kursive Passage (»Der Himmel ist gestreift …«) entspricht im Original exakt der Formulierung am Romanende. Vgl. Samuel R. Delany, Dhalgren, Vintage Books, New York 2001, S. 261 und S. 801.
[23] Das Motiv des zweiten Erdmonds findet sich auch in: Peter Handke, Mein Jahr in der Niemandsbucht, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1994.
[24] In der Realität wäre dies Apollo XVI (1972).
[25] Vgl. S. 83, S. 679, S. 682 und S. 745. Vgl. zudem »Grendal, Grendal, Grendal …« auf S. 863 bzw. »Grendalgrendalgrendalgrendalgrendalgren …« und die nachfolgende Erklärung auf S. 865.
[26] Vgl. S. 981.
[27] Vgl. S. 813–818.
[28] Die Ausgaben 1992 und 2012 enthalten ein Vorwort von Delany.
[29] Vgl. hierzu: Samuel R. Delany, The American Shore. Meditations on a Tale of Science Fiction by Thomas M. Disch – »Angoulême«, Dragon Press, Elisabethtown 1978; Neuausgabe Wesleyan University Press, Middletown 2014. Die Studie beschäftigt sich mit der zuerst in New Worlds Quarterly 1 (1971) abgedruckten Kurzgeschichte Angoulême, die das 5. Kapitel des Romans 334 bildet.
Jasper Nicolaisen
In den Verliesen der Skienze Fickizion
Science Fiction und queere Räume
Meine erste Begegnung mit der Science Fiction fand im Arbeitszimmer meines Vaters statt. Hier gab es ohnehin die seltsamsten Dinge: einen Pfeifenhalter (obwohl mein Vater nicht rauchte), halb leere Zigarettenpackungen (obwohl mein Vater angeblich nicht rauchte), einen Degen und eine READER‘S DIGEST-Buchreihe über die Geschichte des Wilden Westens mit grausamen, blutigen Bildern, die ich mir gerne schaudernd betrachtete.
Unter den zahlreichen Taschenbüchern war auch ein gelb-schwarzes – heute würde ich sagen, eine Diogenes-Kurzgeschichtensammlung –, auf deren Cover ein Mensch neben einem Wesen abgebildet war, das Insektenaugen und -fühler auf einem Menschenkopf spazieren trug. Beide Figuren waren schwarz-weiß, für meine damaligen Begriffe – ich war gerade zur Schule gekommen – also alt. Dennoch ging es, wie mein Vater mir erklärte, in den Geschichten um die Zukunft.
»Kannst du lesen, was da steht?«, fragte er.
Natürlich konnte ich, ich war eins dieser früh bebrillten Kinder, die schon lesen können, bevor sie in die Schule kommen. Unter anderem hatte ich, ebenfalls im Arbeitszimmer meines Vaters, auf der Schreibmaschine eine Zeitung auf schönem grünen Papier verfasst, freilich in einer Sprache, die nur ich verstand, aber das war völlig egal. Die Idee, etwas anzufassen, was andere aufmerksam lasen, war viel wichtiger als der Inhalt. Der Wunsch, mit anderen in Kontakt zu sein, die mir ähnlich waren, also die Ideen in meinem Kopf teilten, war die Triebfeder dieser Veröffentlichung in Kleinstauflage, die zunächst nur meinen Vater erreichte.
»Skienze-fickizion« las ich also auf dem Taschenbuch mit den alten Bildern aus der Zukunft, und das heiße, so mein Vater »Wissenschaftsausdenkerei«. Mir gefiel das auf Anhieb. Dass man sich Wissenschaften und ihre Erkenntnisse einfach ausdenken konnte, das war ja noch viel besser, als Zeitungen in ausgedachten Sprachen zu schreiben. Ich verspürte ein Gefühl grenzenloser Verheißung. Es gab Leute, die sich von ausgedachten Wissenschaften erzählten und damit in Büchern landeten, ganz in der Nähe meiner Zeitung, die nichts mitteilen wollte als: Sprich mit mir, ich suche dich.
Das galt zunächst meinem Vater, der offensichtlich Geheimnisse hatte – ein rauchender Degenkämpfer! – und irgendeinen Teil seiner Existenz außerhalb der Familie führte, wie auch ich bereits spürte, dass meine überbordende Phantasie, mein Mitteilungsdrang und das noch nicht zu benennende Gefühl, dass ich nicht glauben wollte, dass die alltägliche Welt die einzig mögliche oder gar richtige für mich war, mich unweigerlich verquer machen würden.
Im Laufe der Jahre dehnte ich dieses Werben auf andere Bewohner*innen abseitiger Räume aus, zu denen ich dringend gehören wollte. Zunächst war es die Stadtbibliothek in unserer Nachbarschaft, wo ich nicht nur stapelweise Comics und die gesamten Klassiker der SF und Fantasy vorfand – ich war inzwischen zehn oder elf –, sondern im Lichthof, unter dessen selten gestutztem Grün die Statue eines schlafenden Kindes in der Obhut eines wachsamen Hirschen von einer Künstlerin stand, für die es sicher der größte Auftrag ihres Lebens gewesen war, die Bibliothekarinnen, die mir die glücklichsten Menschen auf der Welt zu sein schienen. Sie waren tagein, tagaus von Büchern umgeben und bedienten die glänzenden fotografischen Maschinen, die die Lochstreifen in den Laschen hinten in den Buchdeckeln dokumentierten, sodass ich gemahnt werden konnte, wenn ich das dort vermerkte Datum überschritt (ich wurde oft gemahnt). Es kam mir keineswegs merkwürdig vor, dass ich, der Junge, wie sie sein wollte. Ihre Blusen und Perlenketten kamen mir wie die einzig passende Uniform für den Dienst in einer Flotte von Perry Rhodans, Yoko Tsunus und Zyklotropen