Gaby konnte dazu etwas sagen. Sie wusste, dass Peggy charakterlich, von Anfang an, eine Hündin war, die gern im Mittelpunkt stand. Durch Belohnungen hatte Wiebke sie abgerichtet. Sie wollte den Erfolg mit ihr. Wiebke sah sich immer etwas im Schatten von Detlev, der als erfolgreicher Arzt die Karriereleiter erstürmte. Deshalb ging Wiebke gern mit Peggy auf Ausstellungen. Dort bekam Wiebke Anerkennung. Es war mehr Zufall gewesen, dass Wiebke zugestimmt hatte, mit Peggy zu einer Welpenausstellung zu fahren. Eigentlich war eine andere Hündin dafür vorgesehen. Aber die war krank geworden. So bat der Züchter Wiebke mit Peggy mitzukommen. Gaby erinnerte sich, wie begeistert Wiebke heimgekommen war. Sie fand die anderen Hundebesitzer so freundlich und hatte sich gut mit ihnen verstanden. Sie konnte mitreden. Das gefiel ihr. Wenn sie mit Detlev unterwegs war, dann trafen sie sich meistens mit seinen Arztkollegen. Da schwieg Wiebke größtenteils. Was hätte sie als kleine Krankenschwester auch schon groß mitreden können? Auf den Hundeausstellungen war es anders. Da ging es nur um Hunde, und die Hundefreunde waren unter sich. Alle ermutigten Wiebke, mit Peggy weiterhin Ausstellungen zu besuchen. Sie gaben ihr Tipps, die sie gewissenhaft umsetzte. So gewann Peggy Preis um Preis. Daheim reihte sich Pokal an Pokal. Auch in Detlevs Bekanntenkreis fand Wiebke jetzt Anerkennung.
»Ja, so war es«, sagte Gaby leise. »Am Anfang stand nur die Hundeliebe. Gaby ist eine Hundenärrin, wie sie im Buch steht. Schon als wir noch zusammen zur Schule gingen, träumte sie von einem Hund. Ihre Eltern erlaubten es nicht. Später, als sie volljährig war, waren wir in der Ausbildung und sie konnte keinen Hund haben. Dann lag ein Züchter auf ihrer Station. Er schenkte ihr einen Welpen. Das war Peggy, und alles nahm seinen Lauf. Und jetzt muss sie sich entscheiden, Mann oder Hund, eine Frau sein, an der Seite eines erfolgreichen Facharztes, mit einer schönen Villa und der Gewissheit, dass sie später einmal ihren Kindern alles geben könnte, was sie wollten und brauchten, gleich wie teuer es auch sein würde oder weiterhin nur eine Hundebesitzerin. Das ist keine leichte Entscheidung, besonders, da sie Detlev wirklich liebt.«
Die alte Wanduhr im Wirtsraum der Berghütte schlug Mitternacht. Die Hüttengäste hatten sich schon auf den Hüttenboden oder in die Kammern zurückgezogen. Das Feuer im Kamin war heruntergebrannt. So gingen sie alle schlafen.
Peggy kuschelte sich an das Fußende von Gabys Bett und schlief gleich ein. Gaby lag noch eine Weile wach und dachte an Wiebke. Sie überlegte, wie sie an ihrer Stelle entscheiden würde. Dabei wuchs die Sehnsucht, einen Mann kennenzulernen, den sie lieben würde wie Wiebke ihren Detlev, auch wenn er seine Fehler hatte. Lieber einen Mann mit Fehlern als kein Mann, dachte Gaby. Außerdem, welcher Mensch war schon perfekt? Wiebke war es auch nicht. Es ist einfach nur schlecht gelaufen mit den beiden, dachte Gaby. Sie hoffte, dass Detlev ein Einsehen haben würde und die beiden eine Lösung finden würden. Wenn nicht, dann würde sie Peggy behalten. Sie würde es wie Wiebke machen und Peggy tagsüber zum Züchter in den Vorort bringen, wenn sie Dienst hatte.
Außerdem war sich Gaby sicher, dass Wiebke nach ihrer Heirat im Krankenhaus kündigen würde. Die Freundin könnte dann gelegentlich zu ihr in die Wohnung kommen und bei Peggy sein.
*
Toni fuhr am nächsten Vormittag ins Forsthaus, die Kinder abholen, die eine Nacht bei ihren Freunden Paul und Ulla im Forsthaus verbracht hatten. Auf dem Weg dorthin hielt Toni kurz vor der Tierarztpraxis von Doktor Beate Brand an. Die junge gutaussehende Tierärztin belud im Hof ihr großes Auto. Toni parkte dahinter und stieg aus seinem Geländewagen.
»Grüß Gott, Beate! Ich freue mich, dich zu sehen. Hast einen Augenblick Zeit für mich?«
»Für dich doch immer, Toni! Grüß Gott! Gibt es etwas mit Bello?«
Toni rieb sich das Kinn.
»Eigentlich nicht, wenn ich davon absehe, dass Bello etwas verwirrt sein muss, aber das bin ich auch.«
Beate zog die Augenbrauen hoch.
»Wie soll ich das verstehen?«
Toni lehnte sich an das Auto und schob seine Hände in die Taschen seiner ledernen Kniebundhosen. Beate hörte ihm anfangs zu und belud dabei weiter ihren großen Geländewagen. Doch dann stellte sie sich neben ihn und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Toni schilderte ihr eindringlich, wie sich Bello bemüht hatte, Peggy zum Spielen anzuregen.
»Aber die Cairnterrierhündin sitzt nur auf dem Stuhl und schaut ihn verständnislos an. Des musst erleben, Beate. Des ist kaum zu glauben. Der Bello lockt sie, bellt sie an, bringt ihr Bällchen und seinen Lieblingsknochen. Aber nix da, sie spielt die Diva und schaut ihn nur an. Normal ist des doch net, oder? Was sagst du dazu?«
Beate verschränkte die Arme vor dem Körper und dachte einen Augenblick nach.
»Sie ist eben wirklich ein Star, ein Ausstellungshund. Sie kennt das nicht, dass sie mit einem Ball spielen kann. Außerdem hat man ihr vielleicht beigebracht, dass sie andere Hunde, besonders wenn es größere Hunde sind, links liegen lässt. Um mehr zu sagen, müsste ich ausführlich mit der Besitzerin sprechen.«
»Mei, Beate, des ist doch unnormal. Denkst net auch?«
Die Tierärztin lächelte.
»Vielleicht ist ihr Bello einfach nur zu groß. Möglich, dass Peggy sich von einem kleineren Hund zum Spiel verführen ließe. Du sagst, sie hat zweimal geworfen?«
Toni nickte.
»Gut, dann wird sie Kontakt zu Rüden ihrer Rasse gehabt haben. Es kann sein, dass sie mit einem Terrierrüden eher spielen würde.«
»Damit kann ich ihr auf der Berghütte nicht dienen. Ich kenne auch niemanden in Waldkogel, der einen Terrierrüden hat und den ich auf die Berghütte einladen könnte.«
»Du bist nicht nur um das Wohl deiner zweibeinigen Hüttengäste besorgt, jetzt kümmerst du dich auch um die Vierbeiner«, lachte Beate.
»Wenn du es so sehen willst, na gut. Aber es geht mir in erster Linie um Bello. Du müsstest ihn sehen, wie er sich um Peggy bemüht. Zwischendrin schaut er mich verwundert an.«
»Bello ist ja auch beeindruckend groß. Peggy ist vorsichtig. Ich kenne jemanden, einen Kollegen. Er hat einen Cairnterrierrüden. Max heißt er, Max Wallner. Er hat eine Tierarztpraxis in Kirchwalden.«
»Rufe ihn an, Beate, bitte. Lade ihn mit seinem Hund, in meinem Namen, auf die Berghütte ein. Er kann ein Wochenende bei uns verbringen. Er kann heute noch kommen, wenn er es einrichten kann. Dann hat Bello jemanden zum Spielen und wer weiß, vielleicht steigt die Diva dann auch von ihrem Stuhl herunter. Meinst, du kannst deinen Kollegen dazu überreden? Er kann auch gern seine Familie mitbringen.«
»Er hat keine Familie, er ist Junggeselle. Er wird bestimmt kommen. Ich werde ihn nach meinen Hausbesuchen anrufen. Es ist noch früh am Samstagvormittag.« Beate schaute auf ihre Armbanduhr. »Jetzt ist er auf dem Markt zum Einkaufen. Ich rufe dich an, sobald ich ihn erreicht habe.«
»Danke, Beate! Komme doch mit ihm zur Berghütte. Du weißt, du bist uns jederzeit willkommen.«
»Das weiß ich, Toni, aber im Augenblick kann ich an eine Bergtour nicht denken. Auf dem Gestüt gibt es einige Stuten, die kurz vor der Niederkunft stehen, da bleibe ich besser hier. Meistens geht alles seinen natürlichen Gang, aber es kann auch sein, dass ich angerufen werde.«
Beate packte die restlichen Sachen in ihr Auto.
»Toni, ich muss los. Ich werde auf einigen Höfen sehnsüchtig erwartet.«
»Dann will ich dich nicht länger aufhalten. Ich muss auch fahren. Franziska und Sebastian sind im Forsthaus. Ich hole sie ab. Pfüat di, Beate.«
»Pfüat di, Toni!«
Toni stieg in seinen Geländewagen und fuhr davon. Beate ließ es keine Ruhe. Sie ging noch einmal kurz in die Praxis und rief ihren Kollegen Doktor Max Wallner auf dem Handy an. Danach fuhr sie zu ihren Hausbesuchen. Es war Samstag, und nur am Samstag hatten die Nebenerwerbsbauern Zeit. Sie waren froh, dass Beate nach ihrem Vieh sah.
*
Am späten Samstagnachmittag spielten Franziska und Sebastian mit Bello auf dem Geröllfeld.