Richard de Hoop

Spitzenteams der Zukunft


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mit passablem Können, kommen dagegen im Zusammenspiel an Grenzen. Entweder es passt – oder eben nicht.

      Virtuosität in der Musik ist für mich die perfekte Metapher für das, was auch die Mitspieler in den Teams der Zukunft auszeichnen wird. Diese Teams werden flexibel, intelligent, vielseitig, kooperativ und sich selbst organisierend sein. Virtuosen im Business besitzen eine extrem hohe Anpassungsfähigkeit. Sie finden sich schnell in jedes Team ein. Sie sind in der Lage, mit ganz unterschiedlichen Menschen zusammenzuarbeiten. Auch dann, wenn die anderen in ihren Talenten nicht genauso weit entwickelt sind wie sie in ihren. Und selbst dann, wenn es große Unterschiede beim kulturellen Hintergrund oder den Wertvorstellungen gibt. Die Wirtschaft der Zukunft hat solche Teamvirtuosen dringend nötig. Denn zukünftig bleiben Teams immer kürzer zusammen. Schon heute sind Mitarbeiter in Unternehmen manchmal Mitglied in mehreren Teams gleichzeitig und müssen immer wieder umschalten.

      

»Du musst dein Instrument lernen. Dann üben, üben, üben. Und dann, wenn du schließlich da oben auf der Bühne stehst, vergiss das alles und hau einfach rein!«

      Charlie Parker, Jazzlegende

      Was macht einen Virtuosen nun eigentlich so anpassungsfähig? Auch das sind in der Musik und in Teams der Wirtschaft ähnliche Eigenschaften. Da sind zunächst die eigenen voll entwickelten Talente. Virtuosen sind echte Könner. Im Team heißt das: Sie kennen ihre bevorzugten Teamrollen und beherrschen diese annähernd perfekt. Wenn Sie mein erstes Buch Macht Musik gelesen haben, dann kennen Sie bereits die acht Teamrollen nach Meredith Belbin und auch die acht Musikinstrumente, die ich als Metapher für diese Rollen verwende. Sollte das Instrumentenmodell für Sie neu sein, erfahren Sie im nächsten Kapitel das Wesentliche darüber. Sie können dann online einen kostenlosen Selbsttest machen. Für den Augenblick genügt, wenn Sie sich vorstellen, dass Belbin von den »funktionalen Rollen« in Unternehmen – wie »Abteilungsleiter« oder »Assistent« – sogenannte »Teamrollen« unterschieden hat, die das soziale Verhalten im Team beschreiben. Da gibt es dann zum Beispiel einen »Tempomacher«, einen »kritischen Denker« oder einen sensiblen »Teamplayer«.

      Teamvirtuosen wissen nicht nur, welche Teamrollen ihnen am meisten liegen und wie gut sie darin jeweils sind, sie kennen auch die bevorzugten Rollen und Fähigkeiten aller anderen Teammitglieder. Das ist jetzt auch wieder exakt so wie in der Musik! Ein Virtuose weiß nämlich durch Zuhören genau, mit welchen Mitspielern er es zu tun hat – und stimmt sich dann präzise mit ihnen ab. Teamvirtuosen im Business finden mit Leichtigkeit in jedem Team ihren Platz und sorgen gemeinsam mit den anderen für bestmögliche Ergebnisse. Sie kennen ihre zwei bis drei bevorzugten »Instrumente« – sprich: Teamrollen – und sind in der Lage, je nach Situation zwischen diesen Rollen zu wechseln. Gleichzeitig wissen sie, welche Teamrollen die anderen Teammitglieder gerade einnehmen und in welche anderen Rollen diese bei Bedarf wechseln könnten.

      Lara zum Beispiel ist mit am besten in einer Teamrolle, die ich »Klavier« nenne – sie versteht es hervorragend, das Potenzial anderer Teammitglieder zu entdecken und zu aktivieren. Gleichzeitig ist sie eine tüchtige Arbeiterin. Diese Fähigkeit hat in meinem Modell der »Bass«. Schließlich versteht sie es auch sehr gut, zu kommunizieren und in Konflikten zu vermitteln. In diesen Momenten ist sie eine virtuose »Geige«. Noch sind echte Teamvirtuosen eher selten. Lara ist für mich ganz klar eine Virtuosin auf ihren drei Instrumenten. Deshalb möchte ich Ihnen von ihr und ihrer Arbeit noch mehr erzählen.

      Relight my fire: Von der Pleitetruppe zum Spitzenteam

      »Das sind Nerds hier! Das sind medizinische Nerds!« – so ungefähr lautete Laras Diagnose, als sie ihren Job als Verwaltungsleiterin in der Privatklinik angetreten hatte. Der medizinische Direktor, ein weltweit angesehener Professor, hatte sich und sein Ärzteteam mit modernster Technik umgeben. Das Problem: Die millionenteuren Geräte einer – sorry – deutschen Firma waren extrem störanfällig. Auf Deutsch gesagt: ständig kaputt! Außerdem waren die Service- und Wartungsverträge so schlecht, dass es kaum Möglichkeiten gab, vom Hersteller Abhilfe zu verlangen. Die Klinik mochte ein medizinischer Leuchtturm sein, war aber durch die Fehlinvestition gleichzeitig ein betriebswirtschaftlicher Schrotthaufen. Wegen ihrer langen Erfahrung im Gesundheitswesen wusste Lara genau, wie solche Situationen typischerweise entstehen. Wo es kein echtes Team gibt, wo jeder sein Süppchen kocht und auf eigene Faust Dinge durchsetzt, ohne sich mit den anderen abzustimmen, da droht irgendwann Chaos. Hier hatten es die medizinischen Nerds offensichtlich nicht für nötig befunden, sich bei ihren Anschaffungen von Kollegen mit besseren betriebswirtschaftlichen und juristischen Kenntnissen unterstützen zu lassen.

      Lara agierte in dieser Situation von Anfang an offensiv. Ruhig, sachlich und ohne vorwurfsvollen Ton konfrontierte sie alle mit dem mangelnden Teamgeist. Sie machte klar, wie die Probleme hätten verhindert werden können, wenn alle sich im entscheidenden Moment gefragt hätten: Wen brauchen wir noch? Wessen Talente sind nötig? Wer kann helfen? Laras erster großer Erfolg war, dass alle bereit waren, sich der Misere zu stellen. Weil sie selbst offen, ehrlich und frei von Vorwürfen war, nahmen sich die anderen an ihr ein Beispiel. Bereits hier zeigte Lara, wie virtuos sie die Teamrolle »Klavier« beherrscht, zu der es gehört, mit natürlicher Autorität das Team im Griff zu haben und auf neue Ziele auszurichten.

      Als Nächstes stellte Lara allen Mitarbeitern ihren radikalen Lösungsansatz vor: den Anbieter wechseln und noch einmal komplett neue Geräte anschaffen – obwohl das die finanzielle Situation kurzfristig sogar noch verschärfen würde, obwohl die bestehenden Geräte noch fast neu waren und obwohl klar war, welchen Ärger mit dem bisherigen Lieferanten das geben würde. Lara kommunizierte ihren Plan klar und transparent an alle. Sie glaubte fest an diesen Befreiungsschlag. Doch sie verschwieg niemandem die Risiken. Vor allem verschwieg sie nicht, dass dieser Plan eine Zeit lang Einschränkungen an anderen Stellen bringen würde. Alle sollten die Wahrheit kennen. Und dann sollten alle mitentscheiden.

      Lara nahm sich Zeit für viele Gespräche. Nacheinander stellte sie allen im Haus Fragen wie: Seid ihr opferbereit? Wollt ihr diesen Weg gehen? Oder wollt ihr, dass wir es anders versuchen? Hat jemand eine bessere Idee? Schließlich stimmten alle dem Plan zu. Auch diejenigen, die für die aktuelle Misere verantwortlich waren. Sie fühlten sich nicht an den Pranger gestellt. Niemand zeigte mit dem Finger auf sie. Sie konnten sicher sein: Es geht ausschließlich um eine Lösung. Und: Das Vertrauen ist nicht erschüttert! Jeder hat bis jetzt so gehandelt, wie er glaubte, es sei das Beste. Jetzt machen wir es gemeinsam noch besser. Die Vergangenheit lassen wir ruhen. So ging der Plan schließlich auf. Lara hatte sich bei allen ein Ja abgeholt. Jetzt zogen alle an einem Strang. Die Krisensituation und die Notwendigkeit, dass alle Opfer bringen mussten, schweißte die Belegschaft erst recht zusammen. Nach drei bis vier Jahren ging es der Klinik wirtschaftlich so gut, dass das Management über einen zweiten Standort nachdachte.

      Die eigenen Fähigkeiten kennen, die Fähigkeiten der anderen kennen und dann beides einsetzen – das ist das Erfolgsrezept von Teamvirtuosen. Lara wusste, dass sie sehr gut Menschen zusammenbringen und auf ein gemeinsames Ziel einschwören kann. Ihr war auch klar, dass sie eine hohe soziale Kompetenz besitzt und in Konflikten ausgleichend wirkt. Diese Fähigkeiten setzte sie ein, um beim Turnaround ihrer Klinik die Führung zu übernehmen. Ihre ruhige Selbstgewissheit sorgte dafür, dass alle – auch die Medizinprofessoren – ihre Autorität anerkannten.

      Ein weiterer Baustein für Laras Erfolg bestand darin, dass sie einen Grundkonflikt auf der Ebene der Teamrollen erkannte: Da gab es die hochintelligenten, innovativen Mediziner, die ziemlich eigensinnig agierten und sich mit den anderen zu wenig abstimmten. Dieses Verhalten ist in meinem Modell typisch für die kreative, aber eigenbrötlerische »Gitarre«. Auf der anderen Seite gibt es im Gesundheitswesen viele praktisch eingestellte, disziplinierte Arbeiter. Diese »Bässe« ergreifen kaum die Initiative und rufen deshalb auch selten laut »Stopp!«, wenn etwas schiefläuft.

      Lara hat nicht irgendwelche Teams geformt, sondern welche, in denen jetzt die früher fehlenden »Instrumente« gespielt werden. Sie wusste, dass einerseits mehr Kommunikation, andererseits mehr kritisches Hinterfragen nötig war. Im Team sollten zukünftig Instrumente wie »Trompete« oder »Harfe« erklingen, die genau für solche Eigenschaften