nimmt man eine Beobachtungsperspektive ein, durch die Abstand zu äußeren und inneren Geschehnissen entsteht. Der Gedankenstrom verlangsamt und fokussiert sich. Selbst schwierigen Themen, starken Gefühlsregungen oder belastenden Gedanken kann man sich aus dieser Distanz heraus leichter zuwenden, sie ausreichend würdigen und auf diese Weise loslassen. Belastendes wird wahrgenommen, beobachtet und gewürdigt.
Positive Effekte und Kontraindikationen
Bereits die ersten Schritte auf dem Weg der Achtsamkeit können viele Vorteile mit sich bringen. Dafür genügen schon wenige Minuten täglich über den Zeitraum einiger Wochen, bis sich eine gewisse Routine in der Übungspraxis eingestellt hat. Grundsätzlich kann jeder Mensch Achtsamkeit praktizieren, auch völlig unabhängig von spirituellen Lehren. Zu beachten ist jedoch, dass im Falle psychischer Probleme keine Achtsamkeitsübungen ohne vorherige Absprache mit einem Arzt oder Therapeuten praktiziert werden sollten. Die Hinweise und Vorschläge in diesem Buch beziehen sich auf Anwender in einer psychisch stabilen Verfassung.
Achtsamkeit ...
• macht das Hier und Jetzt erlebbar.
•lässt die Gedanken zur Ruhe kommen.
•trägt zu Stressabbau und Ausgeglichenheit bei.
•hat mit Zulassen und Loslassen zu tun.
•macht wohltuende Stille erlebbar.
•bringt bewusste Erfahrungen mit sich.
•hat keinen Leistungsanspruch.
Viele Techniken der Achtsamkeit stammen aus der fernöstlichen, insbesondere aus der buddhistischen Tradition. Achtsamkeit lässt sich auch ohne spirituelle Zielsetzung praktizieren. Die Wirksamkeit ist wissenschaftlich erwiesen.
1.3 Die Bedeutung von Achtsamkeit im Business
Das Leben in unserer westlichen Gesellschaft ist hochkomplex, von Terminen, Stress und Hektik bestimmt. Vor lauter Meetings, E-Mails, Kundengesprächen, Trainings und anderen Aufgaben vergessen wir manchmal, das Leben bewusst zu genießen. Wer erst auf den Feierabend wartet, um mit dem richtigen Leben endlich beginnen zu können, verpasst jede Menge Möglichkeiten. Auch im Arbeitsalltag gibt es viele Momente, die wir bewusst erleben und genießen können.
Ein positiver Nebeneffekt von Achtsamkeit ist, dass sich der Gestaltungsraum für das Leben erweitert. Wer Achtsamkeit praktiziert, fühlt sich nicht mehr so abhängig von äußeren Ereignissen, anderen Menschen und inneren Befindlichkeiten. Das gilt auch für die Arbeit. Ein Forschungsteam um die Psychologin Ute Hülsheger hat herausgefunden, dass Achtsamkeit auch bei der täglichen Arbeit nützlich ist: Wer im anstrengenden Job achtsamer war oder sich Achtsamkeit antrainierte, war weniger erschöpft und mit seinem Beruf zufriedener.
Formen von Achtsamkeit
Um Achtsamkeit zu praktizieren, gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. In der sogenannten formalen Praxis lässt man sich für eine längere Zeitspanne recht intensiv auf die Erfahrungen ein. Diese Form ist eine Vertiefung, die der Erweiterung des Bewusstseins und eines ganzheitlichen Erlebens dient. Dazu ist eine Rückzugsmöglichkeit notwendig, in der man ungestört seine Übungen im Sitzen oder Liegen durchführen kann. Dennoch braucht die Einübung von Achtsamkeit auch den Erfahrungsraum des Alltags. Gerade die täglichen Routinen eignen sich, um hin und wieder in einem Zustand von Achtsamkeit verrichtet zu werden.
Die informelle Praxis wird während des Alltags durchgeführt, am besten gleich einige Tage hintereinander. Man kann achtsam den Computer einschalten, achtsam die Druckerpatrone austauschen, achtsam die Büropflanze gießen und in der Pause sogar achtsam eine Zigarette rauchen. Die Praxis der Achtsamkeit schärft das Bewusstsein dafür, was wohltuend ist und was nicht. Zentral ist dabei jedoch der Wille, sich auf die Übungen einzulassen und regelmäßig zu üben. Mit der Zeit werden schädliche Erfahrungen immer häufiger vermieden und Wohltuendes vertieft.
„Wie geht es mir?“
Selten machen wir uns bewusst, in welcher körperlichen oder seelischen Verfassung wir uns gerade befinden. Dabei beruhen gute Arbeitsergebnisse, erfolgreiche Abschlüsse und auch ein angenehmes Miteinander zu einem erheblichen Anteil auch darauf, dass wir im Einklang mit uns selbst sind. Machen Sie sich daher hin und wieder bewusst, wie es Ihnen geht. Dabei geht es nicht darum, eine Bewertung vorzunehmen – wie „Mir geht es gut“ oder „Mir geht es schlecht“ –, sondern die Zustände genauer zu beschreiben.
Eine klassische Übung zum achtsamen „Durchspüren“ des Körpers stammt ursprünglich aus der Vipassana-Tradition und wurde unter der Bezeichnung „Bodyscan“ allgemein bekannt. Beim Bodyscan wird die Aufmerksamkeit entweder in liegender oder in sitzender Position auf die verschiedenen Körperbereiche gerichtet und alle Regungen werden gleichmütig wahrgenommen, ohne sie zu bewerten.
Aber es muss ja nicht gleich ein umfangreicher Bodyscan sein. Spüren Sie für die ersten Versuche, Achtsamkeit zu praktizieren, hin und wieder in sich hinein, indem Sie sich fragen: „Wie geht es mir gerade?“
Wenn Sie beginnen, mit Achtsamkeit zu experimentieren, sollten Sie damit anfangen, weitere Fragen zu Ihrer Befindlichkeit zu stellen, wie die folgenden:
●„Bin ich gerade eher wach oder eher müde?“
●„Bin ich energiegeladen und voller Tatendrang oder eher abgeschlagen und erholungsbedürftig?“
●„Bin ich offen für Kommunikation oder eher nicht?“
●„Fühle ich mich unter Zeitdruck oder eher geduldig?“
●„Bin ich von einem Termin abhängig, den ich einhalten muss, oder darf ich mir gerade Zeit lassen?“
Vielleicht haben Sie Hunger, Durst, Lust auf frische Luft oder Bewegung? Dann nehmen Sie diese Bedürfnisse einfach wahr oder erlauben Sie sich diese sogar!
Beispiel: Die Gedanken beruhigen
Martins Gedanken kreisen bereits seit einer Woche um das Meeting am morgigen Tag. Er ist Architekt und muss seinem Auftraggeber mitteilen, dass dessen Vorstellungen nicht so kostengünstig zu realisieren sind, wie es geplant war. Nun sorgt er sich darum, dass er die Notwendigkeit der zusätzlichen Investition vielleicht nicht verständlich vermitteln kann, und darum, dass der Auftraggeber eventuell abspringen und er daraufhin vielleicht gar keine weiteren Aufträge mehr von ihm erhalten könnte. Früher hat er in einer solchen Situation nächtelang nicht geschlafen, heute hilft ihm die Konzentration auf den gegenwärtigen Moment dabei, damit umzugehen.
Sich achtsam auf den Tag einstimmen
Der Morgen ist eine gute Gelegenheit, sich achtsam auf den Tag einzustimmen. Schon beim Aufstehen, unter der Dusche, beim Frühstück oder auf dem Weg zur Arbeit können Sie Achtsamkeit praktizieren. Dabei ist es nicht wichtig, ein Ziel zu erreichen, sondern es geht um das Erleben des Augenblicks.
Die folgenden Übungen lassen sich auch auf viele andere Situationen übertragen:
●Beim Laufen: Wenn Sie zu Fuß zur Arbeit gehen, suchen Sie sich eine andere Strecke aus als gewöhnlich. Schauen Sie bewusst auf Ihre Umgebung, die Beschaffenheit des Weges und spüren dabei, wie Ihre Füße den Kontakt zum Boden aufnehmen. Nehmen Sie den Geruch wahr, der in der Luft liegt, und achten Sie auf die Geräusche, die Sie begleiten.
●Vor dem Autofahren: Wenn Sie mit dem Auto fahren, steigen Sie achtsam ein und spüren einen Augenblick in sich hinein. Machen Sie sich bewusst, in welcher Stimmung Sie sich gerade befinden und welche Erfahrung Sie gerade in diesem Augenblick machen. Dann erst fahren Sie los.
●Am Arbeitsplatz: Bevor Sie sich Ihren Tätigkeiten zuwenden, begrüßen Sie achtsam einen Kollegen, indem Sie im Gespräch ganz präsent sind.
Achtsamkeit ist eine konzentrierte Form der Aufmerksamkeit, bei der das aktuelle Erleben bewusst wahrgenommen wird, ohne es zu bewerten.