bereits in meinem ersten Buch, lasse ich auch diesmal andere zu Wort kommen. Ich habe prominente und kompetente Köpfe um Statements zum Thema Klartext gebeten. Deren Meinungen gebe ich hier ungefiltert wieder und erlaube mir im Gegenzug, zu den Meinungen meiner Gastautoren auch selbst wieder einen Standpunkt einzunehmen. Denn Klartext heißt für mich immer Dialog. Ansagen von oben nach unten sind für mich Tacheles, aber nicht Klartext. Ich werde darauf zurückkommen.
In diesem Sinn wünsche ich mir, dass das Buch Sie dazu anstiftet, Dialoge zu führen, miteinander zu sprechen. Mehr noch, dass es Widerspruch provoziert und Widerspruchsgeist lockt. Denn wie heißt es so schön: Wo alle einer Meinung sind, wird meistens gelogen.
Also, bleiben wir ehrlich. Reden wir Klartext. Los geht’s!
← Ihr Dominic Multerer
Koblenz, im Frühjahr 2015
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»Das Ziel muss heißen: Klartext im ganzen Unternehmen und nach außen.«
Dominic Multerer
KAPITEL 1
OHNE KLARTEXT GEHT ES NICHT
Was haben der Fußballer Thomas Müller, der russische Präsident Wladimir Putin und Gertrud Steinbrück, die Ehefrau des gescheiterten Kanzlerkandidaten der SPD, gemeinsam? Auflösung: Über alle drei war in der letzten Zeit in den Medien zu lesen, sie hätten jetzt mal Klartext geredet.
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Sportler erklären, warum es gerade mit den Toren beziehungsweise den Medaillen nicht läuft. Politiker lassen die Diplomatie sausen und reden offen über ihre Machtansprüche. (Da tun dann alle ganz überrascht, wenn sie lesen, dass Politiker machtgeil sind!) Prominenten-Gattinnen erklären heulend, wie schwer es ihr von Ehrgeiz zerfressener Partner im Leben angeblich immer hatte. Ist das Klartext? Was glauben Sie?
Alle reden Klartext – von wegen!
Wahnsinn, wer in Zeitungen, in Magazinen, im Fernsehen, im Radio oder im Netz in den letzten zwei, drei Jahren so alles Klartext geredet haben soll: Horst Heldt und Jürgen Klopp, Bob Geldof und Jennifer Lawrence, Bundespräsident Gauck und Papst Franziskus. Außerdem: »Der Bruder von Jesus«, »Obamas Sprecher« und »Chinas Notenbank«. Irgendwo im Netz heißt es sogar: »Die Community redet Klartext« – zum Thema »Körper, Sex und Liebesfrust«. Frust? Ja, genau: Frust! Das ist überhaupt das Stichwort. Immer wenn irgendwo – angeblich – Klartext geredet wird, scheint der Frustpegel schon am Anschlag. Oder täusche ich mich?
Vorschlag: Ich hole mir eine Apfelschorle, bevor ich weiterschreibe, und in der Zwischenzeit googeln Sie einmal »Klartext«. Na los, ran an die Tasten! Was springt Sie da im Netz so an? Ich bin gleich wieder da.
Und? Was haben Sie gefunden? Wahrscheinlich gar nichts, oder? Weil Sie nämlich nicht mitgemacht haben. War mir aber sowieso klar, dass Sie nicht wirklich googeln. Und es ist auch egal. Ich jedenfalls habe einmal ausführlich online recherchiert. Folgendes ist mir dabei aufgefallen:
1. Klartext reden ist nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Denn sonst stünde es ja nicht in der Zeitung, wenn jemand Klartext geredet hat. Bis gestern Nebeltext, heute plötzlich Klartext. Sensation!
2. Klartext steht oft in einem negativen Zusammenhang: Alkoholoder Drogenabhängige, Durchgeknallte oder missratene Jugendliche gründen Selbsthilfegruppen mit dem Namen »Klartext«.
3. Klartext kommt ins Spiel, nachdem der Schuss lang nicht gehört wurde. Das Kind liegt im Brunnen und jetzt reden wir mal Klartext. Während wir untergehen, sprechen wir noch mal drüber, wie es sich anfühlt.
Was ist Klartext?
Wenn Sie nur Negatives mit Klartext verbinden, dann fordere ich Sie auf umzudenken. Stellen Sie sich Michael Douglas im Film Wall Street vor, wie er nicht sagt: »Gier ist gut«, sondern: »Klartext ist gut.« Oder stellen Sie sich etwas anderes vor, ist mir gleich.
Hier ist meine Meinung zu Klartext und die ist unabhängig davon, was heute in der Zeitung steht. Also:
1. Ohne Klartext geht es nicht. Klartext muss die Regel sein, nicht die Ausnahme. Raus aus den Schlagzeilen – rein in den (Business-)Alltag.
2. Klartext ist nicht negativ, sondern produktiv. Klartext kann wehtun, aber das macht nichts. Am Ende profitieren alle von Klartext.
3. Mit Klartext kann man nicht früh genug anfangen. Harte Worte mitten in der Krise sind meistens Tacheles, aber kein Klartext.
Sie haben doch gegoogelt? Sie haben wirklich mitgemacht? Und Sie haben positive Beispiele für Klartext gefunden? Stimmt, die gibt es ja Gott sei Dank auch. Es gibt positive Ansätze, wo Klartext willkommen ist. Ja, wo Klartext geradezu eingefordert wird. Beispiel: »Belegschaft fordert Management auf, endlich Klartext zu reden.« (Beachten Sie aber auch bei diesem Satz das Wörtchen »endlich« – warum wurde bisher kein Klartext geredet?) In Diskussionen fällt manchmal der Satz: »Jetzt reden Sie mal Klartext!« Oder es wird von Politikern gefordert, dass sie Klartext reden sollen. Mein Eindruck dabei ist erstens: Auch das kommt immer sehr spät – wenn schon so viel Nebel im Raum ist, dass keiner mehr was sieht. Und zweitens: Die Aufforderung nutzt selten etwas. Das Rumgeeiere geht trotzdem weiter.
Das führt mich geradewegs zu der Frage, was denn inhaltlich meistens dahintersteckt, wenn Medien behaupten, dass jemand – angeblich – Klartext geredet hat. Ich will es nicht übertreiben mit den Generalisierungen, aber oft handelt es sich doch um genau dieselbe heiße Luft, mit der wir in den Nachrichten, in Talkshows oder auf Pressekonferenzen ohnehin die ganze Zeit angeföhnt werden. Im Kampf um die Aufmerksamkeit von Zuschauern, Zuhörern und Lesern wird dann frech behauptet, das sei Klartext. Ist es nur leider nicht.
Klartext als Dienstleistung
Bevor ich tiefer in die Analyse einsteige, warum Klartext zwar nötig, aber offensichtlich so schwierig und so selten anzutreffen ist, noch zu einem Phänomen, das ich besonders witzig finde: die stillen Genießer von Klartext im Management. Diese heimlichen Liebhaber reden nicht etwa mit ihren Mitarbeitern Klartext. Auch nicht mit ihren Kollegen im Management-Team und schon gar nicht öffentlich. Nein, sie holen sich ein, zwei Mal im Jahr für teures Geld einen Coach. Von dem verlangen sie, dass er mit ihnen Klartext redet. Aber bitte erst die Tür zumachen! Und am besten noch den Schlüssel rumdrehen.
Hinter verschlossenen Türen soll der Coach den Topmanager kritisieren – etwas, das die Duckmäuser in seiner Firma sich schon lange nicht mehr trauen. So ein prominenter Supercoach kassiert auf C-Level schon mal 5000 Euro oder noch mehr für ein, zwei Stunden Klartext. Ist das nicht lustig? Manche Manager kaufen für einen Riesenhaufen Kohle das ein, was sie mit Mitarbeitern, Kollegen und der Öffentlichkeit jeden Tag erleben könnten, wenn sie nur wollten. Zum Wohle ihrer Firma und aller übrigen Beteiligten.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Sich einen Sparringspartner für Klartext zu holen, kann für Manager ein sinnvoller erster Schritt sein. Ich biete das sogar selbst an! Nur muss das Ziel heißen: Klartext im ganzen Unternehmen und nach außen. Und nicht Klartext als heimlicher Drogenkonsum einmal im Jahr.
Warum ist Klartext bloß so schwer?
Wenn Leute irgendetwas nicht gern tun, dann gibt es dafür zwei mögliche Gründe:
Entweder sie vermeiden es, weil es wirklich schlecht, schmerzhaft, gefährlich oder zumindest stark angsteinflößend ist. So gehen im Sommer zum Beispiel nur wenige Leute bei uns in Koblenz im Rhein baden. Mit gutem Grund, denn die Wasserqualität ist in den letzten Jahren zwar viel besser geworden, im Vergleich mit einem klaren Badesee in der Eifel aber immer noch eklig. Und die Strömung am Mittelrhein kann gefährlich werden. Fallschirmspringen auf der anderen Seite ist zwar nicht wirklich gefährlicher als Autofahren, aber den meisten Leuten macht so ein Sprung zu viel Angst und deshalb lassen sie es. Das ist okay, denn außer dem Nervenkitzel bringt es ja nicht viel, aus einem fliegenden Flugzeug zu springen.
Angst oder Blockade?
Der