von Neuem. Der Zugewinn einer inhomogenen Gruppe ergibt sich aus der Meinungsvielfalt, der Öffnung für unterschiedliche Denkweisen und einer damit verbundenen Experimentierfreudigkeit. Eine inhomogene Zusammensetzung berücksichtigt beide Geschlechter, Jung und Alt, Denker und Macher, Routiniers und Novizen, unterschiedliche Disziplinen, verschiedene Hierarchiestufen und, wenn passend, auch einen Nationalitätenmix.
Drei besondere Faktoren erhöhen den Gruppen-IQ: mindestens zwei Frauen in der Gruppe, einfühlsames Verhalten der Mitglieder und gleichberechtigter Austausch auf Augenhöhe, so die Organisationsprofessorin Anita Woolley.8 Vielredner und Selbstdarsteller hingegen vermindern den Gruppen-IQ, was gleichermaßen für aufgeblasene »Gockel« als auch für »Diven« gilt. Nur-Männer-Gruppen und dabei vor allem Führungskräfte verplempern viel wertvolle Zeit mit Wichtigkeitsgehabe und Positionierungsgerangel. Sie sind deshalb weniger produktiv. Nur-Frauen-Gruppen verbleiben oft zu sehr in einem zögerlichen Konsens. Und Nörgler zerstören jegliche Energie.
Kluge Entscheidungen kann eine Gruppe immer nur dann gut treffen, wenn
Ferner braucht es einen zugleich konstruktiven und respektvollen Umgang. Schließlich muss sich die Gruppe auch treffen können – virtuell und real. Zunehmend wird nämlich erkannt, dass Menschen am besten zusammenwirken, wenn sie sich sehen. Warum das so ist? Worte können lügen. In Gestik und Mimik zeigt sich die wahre Gesinnung. Dies erzeugt in uns Resonanz. Ein gutes Intuitionsradar kann das spüren und decodiert friedliche Absichten oder Ruchlosigkeit. Körpersprachliche Signale können aber nur bei physischer Nähe wirklich gut entschlüsselt werden, weil dann alle Sinne beteiligt sind.
Stimmen die Rahmenbedingungen, dann steigt nicht nur die Aussicht auf eindrucksvolle Erfolge. Es steigt auch die Chance auf den Serendipity-Effekt. Das ist das Stolpern über glückliche Zufälle, was durch die »Weisheit der Vielen« begünstigt wird. Die in der Sharing-Economy sozialisierte junge Generation hat im Übrigen längst verstanden, wie arm man bleibt, wenn man alles für sich behält, und wie reich man wird, wenn man teilt. Das gilt vor allem für Wissen. Es verflüchtigt sich, wenn man es hortet. Wenn Wissen hingegen frei seine Bahnen zieht und sich weitläufig vernetzt, kann dies zu erstaunlichen Fortschritten führen.
Der Unterschied zwischen Book-Smarts und Street-Smarts
Book-Smarts, die High Potentials der Old Economy, werden im Zuge des Wandels von den Street-Smarts abgelöst.9 Book-Smarts sind diejenigen, die Zusammenhänge theoretisch verstehen und ausgezeichnet analysieren. Sie setzen auf Wissen und Logik und malen sich vom Schreibtisch aus eine perfekte Landkarte einer nicht so perfekten Welt. Excelsheets und Dashboards können sie zwar virtuos lesen, das Gesicht ihres Gegenübers jedoch kaum. Im Zahlengeflimmer vor ihrer Nase hat sich der gesunde Menschenverstand verflüchtigt. Balken, Torten und Diagramme sind ihre Realität. Mit dem gleichen Management-Standardrepertoire, das alle von der Uni her kennen, wird die gesamte Unternehmenswelt unreflektiert überschwemmt. Denn ja, leider schicken die meisten Business-Schools und BWL-Fakultäten ihre Absolventen noch immer mit Methoden von anno dazumal in eine sich drastisch verändernde Wirtschaft.
Book-Smarts werden zunehmend von Street-Smarts abgelöst.
»Ich mach mein Studium nur zu Ende, weil in allen Stellenausschreibungen, die mich interessieren, ein abgeschlossenes Studium Voraussetzung ist. Ich kann aber 90 Prozent von dem, was ich da lerne, niemals brauchen«, erzählt uns Laura. Was für eine Verschwendung! Und es kommt noch schlimmer. »Die Anforderungen, die ihr an uns junge Leute stellt, sind ganz enorm: ein abgeschlossenes Studium, beste Noten, Auslandserfahrung, ein breites Wissen, Kreativpotenzial. Sind wir dann bei euch, werden wir als Erstes zurechtgestutzt und sollen uns an haarklein vorgeschriebene Abläufe halten, die aber nur auf dem Papier gut funktionieren.« Das sagt Sven, damit das Generationendilemma auf den Punkt bringend.
In größeren Unternehmen haben die meisten Abteilungsleiter noch nie mit Kunden gesprochen. Deshalb fallen viele Entscheidungen auch so theoretisch aus. Sogar im Marketing sitzen fast ausschließlich Book-Smarts. Ihre Kunden kennen sie nur noch von Charts. Endlos brüten sie über Daten und nennen das »Customer-Insights«. Wie es den Menschen im wahren Leben ergeht, das haben sie nie erforscht. Wenn Messe ist, engagieren sie schicke Hostessen, statt sich selbst ins Kundengetümmel zu stürzen. Dafür ist ihnen ihre Zeit viel zu schade. Doch zu einem Street-Smart kann man nur werden, wenn man rausgeht zum Kunden und dessen Lage wirklich hautnah durchlebt. So hat ein Hersteller von Inkontinenzprodukten seine Manager angewiesen, eine Woche lang rund um die Uhr Erwachsenenwindeln zu tragen und diese auch zu verwenden.
Mit Lehrbuchwissen kommt man heute nicht weit. Die Wirklichkeit ist immer anders.
Street-Smarts sind diejenigen, die sich auf dem Weg durch den Dschungel nicht auf eine Landkarte verlassen. Sie wissen, dort hilft sie rein gar nichts. Sie leiten Lösungen aus bereits gemachten Erfahrungen ab oder konsultieren ihr Netzwerk, quasi das Wissen der Straße. Und dieses steht nicht im Wöhe, der Bibel der Betriebswirtschaftslehre. Mit Lehrbuchwissen kommt man heute nicht weit. Denn die Wirklichkeit ist immer anders. Und Street-Smarts wissen das ganz genau. Sie sind umtriebig, unbekümmert, einfallsreich und situationserprobt. Sie sind veränderungsinteressiert und komplexitätserfahren. Genau das ist es, was die Next Economy braucht.
Natürlich ist Bücherwissen nicht grundsätzlich schlecht – danke übrigens, dass Sie dieses Buch lesen. Problematisch ist nur, wenn man abstrakte Kenntnisse wie eine Schablone benutzt, anstatt sich Gedanken darüber zu machen, wie man das erlernte Vorgehen auf eine jeweilige Situation passgenau überträgt. So wie die gleiche Arznei nicht für alle Krankheiten taugt, so kann nicht die gleiche Managementtechnik für alle Unternehmen die richtige sein.
Die Book-Smarts, Stubenökonomen nennt man sie auch, agieren in einer abgeschotteten Welt. Sie analysieren und analysieren. Und das dauert und dauert. So verplempern sie wertvolle Zeit, die in Zukunft niemand mehr hat. Außerdem hocken sie auf Know-how, das in der Next Economy kaum noch was wert ist. Zu schnelllebig sind die benötigten Expertisen. Niemand ist heute mehr ausgebildet. Wenn Wissen schneller veraltet als jemals zuvor, dann ist Vorratslernen nur noch marginal sinnvoll. Die Herangehensweise ans Lernen ändert sich demgemäß gerade fundamental. Selbstbefähigung und permanenter Entwicklungswille sind fortan ein Muss, sowohl in Bezug auf fachliche Tiefe als auch breit angelegt und vernetzt. »T-shaped« werden solche Personen genannt. Sie vereinen in sich, symbolisiert durch das T, Fähigkeiten von Spezialisten und von Generalisten.
Wer sein Qualifizierungsniveau nicht ständig durch eigenen Antrieb erhöht, entsorgt sich in Zukunft selbst. Den Street-Smarts kann das nicht passieren. Werden Informationen benötigt, um an ein neues Thema heranzugehen, dann warten sie nicht bis zum nächsten Lehrgang. Sie starten vielmehr flugs eine Onlinerecherche. Alles Wesentliche steht längst im Web. »YouTube das mal!« ist heute ein gängiger Spruch – und symptomatisch für neue Formen der Selbstlernkompetenz. Wer die klügsten Fragen ans Internet stellt und weiß, wo man am besten sucht, der gewinnt. 62 Prozent der Wissensarbeiter kümmern sich selbst um ihre Weiterbildung und 59 Prozent entwickeln ihre Themengebiete in ihrer Freizeit weiter, so die Wissensarbeiterstudie 2017.10
Disruption oder Selbstdisruption? Sie haben die Wahl
»Disruptiv« bedeutet, dass ein bestehendes Geschäftsmodell,