Anke van Beekhuis

Wettbewerbsvorteil Gender Balance


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LeserInnen auf vielen lesenswerten und gefälligen Pfaden zu der Erkenntnis, dass sie jetzt zwar eine ungefähre Ahnung haben, wie komplex ein Thema ist, aber ohne tatsächliches Engagement von Beratern (idealerweise der Autorin bzw. des Autors selbst) hoffnungslos verloren sind.

      Ich bin selbst Berater und kann diesen Kunstgriff rein menschlich (und monetär) gut nachvollziehen. Dennoch bleibt dabei auch in mir eine gewisse Leere zurück, wenn ich so manches Buch zu klar abgegrenzten Themen lese und mir nur deren Komplexität vor Augen geführt werden. Ich möchte – und damit stehe ich sicherlich nicht alleine da – Antworten, Lösungen, Ansätze, Ideen und vor allem die Aussicht, dass ich ein Thema (mit wessen Hilfe auch immer) erfolgreich verstehen und in der Praxis umsetzen kann. Aus diesem Grund schätze ich die Bücher meiner Branchenkollegin Anke van Beekhuis sehr, da sie nicht nur Wissen bzw. eine schier unglaubliche Anzahl von Praxiserfahrungen teilt und dabei keine Tabus scheut, sondern weil ihre Hauptbotschaft positiv und konstruktiv ist: »Lernen Sie zu verstehen und treffen Sie dann die richtigen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt!« Gerade bei einem Thema wie Gender Balance, bei dem in der öffentlichen Wahrnehmung Fakten auf Halbwissen und leider Gottes auf sehr viel puren Unsinn treffen, ist es wichtig, authentisch aufzutreten und die Dinge beim Namen zu nennen. Schließlich geht es hier um Menschen, um Emotionen und vor allem um Befindlichkeiten. Wir reden hier über Fairness und gewachsene Ungleichgewichte. Und glauben Sie mir: Obwohl dies nicht eines meiner Fachgebiete ist, kann ich Ihnen sagen, dass es schon eine Herausforderung ist, dieses Thema in einer Runde überhaupt anzusprechen. Denn hier treffen augenblicklich und sprichwörtlich Welten aufeinander. Anke van Beekhuis will mit ihrem Buch diese Welten zusammenführen. Das tut sie auf eine derart kluge und einfühlsame Weise, dass sich vielleicht auch hartnäckige Vorurteile und Haltungen im Licht dieser Erkenntnisse auflösen lassen. Und sie macht vor allem in Ihren Ausführungen vor nichts halt. Das bedeutet: Ganz mutige Vorstände, Führungskräfte und Firmenchefs könnten – so wage ich, hier zu behaupten – nur anhand dieses Buches damit beginnen, ihr Unternehmen in ein neues Zeitalter zu führen. Ganz ohne Geld für BeraterInnen auszugeben. Unerhört eigentlich!

      Dieses Buch kommt ohne Schuldige, Buhmänner und Schwarz-Weiß-Muster aus. Auch das betrachte ich bei diesem Thema als großartige Leistung. Es holt alle Beteiligten (und das sind so gut wie alle) dort ab, wo sie stehen, und bietet eine gemeinsame Entwicklung an. Auch das ist unerhört – eigentlich!

      Und was für mich als Berater sehr wichtig ist: Anke van Beekhuis verspricht keine Patentlösungen, sondern sie animiert zu achtsamem, bewusstem Selbstdenken und vor allem zu einer grundlegenden Ehrlichkeit sich selbst und anderen gegenüber. In Zeiten von Fake News, Brustgeklopfe und dem schönen Schein eigentlich am unerhörtesten von allen genannten Aspekten! Aber genau darum authentisch, glaubwürdig und immens wichtig! Denn Gender Balance funktioniert nur ehrlich … oder gar nicht.

      Ich freue mich, dass mit diesem Buch nun endlich eine Publikation vorliegt, die mit Fakten, Zahlen und tatsächlichen Erfahrungen arbeitet. Denn ExpertInnen zu diesem Thema, die diese Bezeichnung auch nachweislich verdienen, sind in Mitteleuropa rar gesät. Und ich kann Ihnen ganz im Vertrauen und in bester BeraterInnen-Tradition noch verraten, dass dieses Thema ganz schön komplex ist. Aber ich verspreche Ihnen auch, dass Sie am Ende dieses Buches nicht nur die Welt, sondern auch Ihr Unternehmen in einem ganz anderen Licht sehen werden.

       Matthias Kolbusa

       Management-Experte, Denker, Redner, Autor und Unternehmer

I.Antiquierte Vorstellungen und überholte Strukturen

       Sexismus und Stereotype – tief eingeprägt und einfach nicht loszuwerden

      Salzburg, Sommer 1999. Ich bin Baustellenleiterin im Heizungs-, Sanitär- und Lüftungsbereich und auf dem Weg zu einer Baustelle. Vor Ort treffe ich einen Kollegen. Wir steigen gemeinsam die Stufen in den ersten Stock hinauf. Wo wir auch hinkommen – es »grüßen« mich Kollegen und Arbeiter. Als Frau bin ich eine »Exotin« auf der Baustelle, aber auch lange genug im Geschäft, um keine Unbekannte mehr zu sein. Dennoch ist es kein Spaziergang. Hier treibe eine Frau ihr Unwesen, höre ich hinter meinem Rücken. Ich habe mich an das Gerede gewöhnt, mein Kollege hingegen hat es bisher meist belächelt und nicht geglaubt, dass ich einen schweren Stand in der »Männerwelt Baustelle« habe. Er schätzt mich – so wie die anderen Kollegen im Büro – als erfahrene Technikerin. Dort ist das Mann-Frau-Verhältnis kein Thema. Dort verliere ich normalerweise auch keine großen Worte darüber, was mir bei meinen regelmäßigen Baustellenbesuchen so alles unterkommt. Schließlich will ich nicht als Weichei gelten.

      Nun erlebt mein Kollege zum ersten Mal hautnah, was einer Frau auf einer Baustelle widerfährt: wenig Originelles, viele Klischees von anzüglichen Bemerkungen über Blicke bis zu Pfiffen. Und dies trotz baustellenüblichem Outfit, das alles andere als weibliche Reize zur Geltung bringt. Selbst als wir mit einem Architekten sprechen, kommen aus dem Hintergrund sexistische Bemerkungen – unverhohlen, laut, dumm. Mein Kollege schaut mich erwartungsvoll an, auch der Architekt ist irritiert. »Wollen Sie nichts sagen?«, fragt er. Ich antworte ruhig und gelassen: »Glauben Sie wirklich, das würde irgendetwas ändern?« Er überlegt kurz: »Wahrscheinlich nicht.«

      Wir setzen die Begehung der Baustelle fort – vorbei an vollgekritzelten und beschmierten Baustellenwänden. Immer wieder zu sehen: Genitalien und nackte Frauenkörper. Neben einer Kritzelei steht mein Name. Die beiden Männer sind irritiert und flüchten sich in eine überbetont normale Fortsetzung unserer technischen Gespräche.

      Wir kommen im Treppenhaus zum Stehen und diskutieren angeregt. Plötzlich zucken wir alle zusammen, als ein Schraubendreher Millimeter von mir entfernt auf dem Estrich aufschlägt. Wir blicken nach oben. Aus dem zweiten Stock schiebt sich ein Kopf über das Geländer. Dann eine Hand. Ein Arbeiter zeigt mir grinsend den Mittelfinger. Das verstört nun auch meine beiden Begleiter nachhaltig. Plötzlich wird die Mann-Frau-Problematik zum brennenden Thema der Unterhaltung. Es geht so weit, dass mein Kollege mir rät, die Baustelle nicht mehr allein zu besuchen. Der Architekt pflichtet ihm bei. Auch als wir zurück ins Büro kommen, ist das Thema noch heiß. Die anderen Kollegen wundern sich vor allem über meine Ruhe und Gelassenheit – noch mehr, als ich von weiteren Vorfällen aus der Vergangenheit erzähle, die noch eindeutiger und unangenehmer sind. Die Tatsache, dass ich gelernt habe, damit zu leben, und nicht versuche, etwas zu ändern, das offensichtlich nicht zu ändern ist, verwirrt und beeindruckt die anderen. Auch, wenn das für meine Kollegen etwas Neues ist: Ich bin seit jungen Jahren beinahe täglich damit konfrontiert.

      Von irgendwelchen Regeln oder Verboten will ich nichts hören. Ich möchte anspruchsvolle Projekte betreuen. Dafür habe ich gekämpft, nun will ich mir das nicht streitig machen lassen – schon gar nicht aus Fürsorge oder Rücksichtnahme. Stolz? Mut? Dummheit? Ich weiß es nicht. Aber der beschriebene Tag verändert auch für mich vieles. Ich beschließe, anderen einfach nicht mehr zu erzählen, wann ich bei einer Überprüfung der Lüftungsanlage alleine im vierten Untergeschoss auf der Baustelle unterwegs bin. Und das, obwohl mir klar ist, dass ich – wenn mir ein Mann in solchen Momenten zu nahekommen sollte – alleine auf mich gestellt wahrscheinlich körperlich unterlegen bin.

      Selbstredend muss sich keiner meiner männlichen Kollegen jemals Gedanken machen, wenn er mit Arbeitern alleine ist. Bei der Begegnung unter Männern gibt es keine Respektlosigkeiten und keine Übergriffe. Und auch, wenn ich gelernt habe, diesen Unterschied zu akzeptieren, so trifft mich die Erkenntnis, wie verschieden die Gegebenheiten sind. Ich muss jederzeit damit rechnen, dass die Grenzen nicht eingehalten werden und der eine oder andere eine Handlung ausführt, die im günstigsten Fall nicht korrekt und im ungünstigsten Fall wirklich gefährlich ist.

      Eine große Rolle spielt in diesem Zusammenhang natürlich auch das Thema »Alkohol«: Egal ob bei Weihnachtsfeiern oder Dachgleichen: Zu viel Alkohol kann die Stimmung kippen und manche Hemmungen fallen lassen. Gleichzeitig ist es aber wichtig, mit den Kollegen zu feiern, um – nun ja – dazuzugehören. Trotzdem trinke ich niemals mit – und muss dennoch den Schein wahren. Ab und zu lasse ich mich von den Arbeitern in ein Lokal einladen. Meistens bestelle ich hier Bacardi-Orange oder