Kevin Behr

Projekt Phoenix


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heruntergekommen bin. Ich wollte Sie fragen, ob Sie mir die nächsten paar Tage ausdrucken können. Aber das ist jetzt ja nicht machbar. Ich werde das den Supporter, der sich um Ihren Laptop kümmert, machen lassen. Manchmal dauert es Wochen, bis die E-Mail-Administratoren solche Aufgaben abarbeiten.«

      Wochen? Das ist inakzeptabel. Ich schaue auf meine Uhr und entscheide, mich später darum zu kümmern. Ich bin sowieso schon zu spät.

      »Versuchen Sie Ihr Bestes«, sage ich. »Ich bin bei Pattys Enterprise-Change-Management-Meeting. Wenn Sie etwas brauchen, rufen Sie mich an, okay?«

      Zehn Minuten zu spät schlüpfe ich zu Pattys Meeting in den Raum, denn ich gehe davon aus, dass entweder ein Haufen Leute ungeduldig auf mich wartet oder das Meeting schon in vollem Gange ist.

      Stattdessen sehe ich nur Patty, die am Konferenztisch sitzt und an ihrem Laptop arbeitet.

      »Willkommen zum CAB, Bill. Ich hoffe, du findest noch einen freien Stuhl«, sagt sie.

      »Wo sind die alle?«, frage ich.

      Ich bin perplex. Als ich noch die Midrange-Gruppe leitete, hat keiner in meinem Team die Change-Management-Meetings verpasst. Denn hier haben wir die ganze Arbeit koordiniert und organisiert, um sicherzustellen, dass wir uns nicht selbst ins Knie schießen.

      »Ich habe dir doch gestern schon erzählt, dass das Change-Management hier etwas lasch gesehen wird«, sagt Patty seufzend. »Manche Gruppen haben ihren eigenen Change-Management-Prozess, so wie ihr. Aber die meisten tun gar nichts. Der Ausfall gestern ist doch der beste Beweis dafür, dass wir auf Firmenebene so etwas benötigen. Momentan weiß die linke Hand nur sehr selten, was die rechte tut.«

      »Was ist also das Problem?«, frage ich.

      Patty schürzt die Lippen. »Ich weiß es nicht. Wir haben einen ganzen Haufen Leute zum ITIL-Training geschickt, sodass sie sich mit den ganzen Best Practices vertraut machen konnten. Wir haben uns Berater ins Haus geholt, die uns dabei halfen, das Ticket-System durch ein ITIL-konformes Change-Management-Tool zu ersetzen. Die Leute sollten ihre Change Requests dort eintragen und sich genehmigen lassen. Aber nach zwei Jahren haben wir nur einen tollen Prozess auf dem Papier, dem keiner folgt, und ein Tool, das keiner nutzt. Wenn ich die Leute dränge, es zu verwenden, erhalte ich nur Beschwerden und Ausreden.«

      Ich nicke. ITIL steht für die IT Infrastructure Library, in der viele Best Practices und Prozesse rund um IT dokumentiert sind. Aber das ITIL-Programm steht in dem Ruf, nur die eigene Zeit zu verschwenden.

      Ich ärgere mich, dass Wes nicht da ist. Ich weiß, dass er zu tun hat, aber wenn er nicht hier ist – warum sollten seine Mitarbeiter dann kommen? Solche Aktivitäten müssen von oben kommen – und auch durchgehalten werden.

      »Nun, sie können sich bei mir beschweren und ihre Ausreden vortragen«, sage ich bestimmt. »Wir starten den Change-Management-Prozess neu. Mit meiner vollen Unterstützung. Steve hat mir aufgetragen, dafür zu sorgen, dass die Leute sich auf Phoenix konzentrieren können. Solche Ausfälle wie gestern mit dem SAN sorgen dafür, dass wir Teile von Phoenix nicht rechtzeitig bereitstellen konnten, und jetzt müssen wir dafür bezahlen. Wenn jemand bei einem Change-Management-Meeting nicht dabei sein will, braucht dieser Jemand anscheinend ein wenig Unterstützung. Durch mich.«

      Als Patty mich bei der Erwähnung von Phoenix verwirrt anschaut, beschreibe ich ihr kurz, wie Wes und ich den Morgen damit verbracht haben, uns überfahren zu lassen. Sarah und Chris saßen am Steuer, aber Steve war auch dabei und spornte sie an, uns umzunieten.

      »Das ist nicht gut«, sagt sie missbilligend. »Kirsten ist auch überfahren worden, oder?«

      Ich nicke, will aber nicht mehr sagen. Ich mochte schon immer den Spruch aus Der Soldat James Ryan: »Es gibt eine Befehlskette: Man meckert nach oben, nicht nach unten.«

      Stattdessen bitte ich sie, mir den aktuellen Change-Prozess zu beschreiben und zu erklären, wie er sich mit den Tools automatisieren lässt. Das klingt alles vernünftig. Aber es gibt nur eine Möglichkeit, zu sehen, ob der Prozess funktioniert.

      Ich sage: »Setze ein weiteres CAB-Meeting für Freitag an. Gleiche Uhrzeit. Ich werde eine E-Mail an alle CAB-Verantwortlichen schicken und sie wissen lassen, dass das verpflichtend ist.«

      Als ich zu meinem Büro zurückkehre, sitzt Ellen an meinem Schreibtisch, über meinen Laptop gebeugt, und schreibt mir eine Notiz.

      »Ich hoffe, es läuft wieder alles?«, frage ich.

      Als sie mich hört, zuckt sie zusammen. »Mein Gott, hast du mich erschreckt«, sagt sie lachend. »Der Support hat dir einen Ersatzlaptop dagelassen, weil sie deinen normalen nicht wieder zum Laufen bekommen haben – auch nicht nach einer halben Stunde.«

      Sie zeigt auf die andere Seite meines Schreibtischs, und ich muss zwei Mal hinsehen. Mein Ersatzlaptop scheint nahezu zehn Jahre alt zu sein – er ist doppelt so groß wie mein alter und sieht dreimal so schwer aus. Der Akku wurde mit Klebeband gesichert, und die Hälfte der Tasten auf der Tastatur ist von der langen Nutzung abgescheuert.

      Einen Moment frage ich mich, ob das ein Scherz sein soll.

      Ich setze mich hin und öffne meine E-Mails, aber alles ist so langsam, dass ich mehrfach glaube, der Rechner sei abgestürzt.

      Ellen sieht mich mitfühlend an. »Der Supporter hat gesagt, das sei alles, was heute zur Verfügung stünde. Mehr als 200 Leute haben ähnliche Probleme, und viele haben überhaupt keinen Ersatz bekommen. Anscheinend haben alle mit deinem Laptopmodell diese Probleme, weil ein Security-Patch eingespielt wurde.«

      Ach ja. Heute ist Patch Tuesday, da werden von John und seinem Team die Sicherheitspatches der wichtigsten Programme eingespielt. Und wieder sorgt John bei meinem Team für große Probleme und Ausfälle.

      Ich nicke nur und danke ihr für die Hilfe. Nachdem sie weg ist, setze ich mich hin und schreibe eine E-Mail an alle CAB-Verantwortlichen, wobei mein Drücken der Tasten oft zehn Sekunden und mehr brauchen, bis sie auf dem Bildschirm Spuren hinterlassen.

      Von: Bill Palmer

      An: Wes Davis, Patty McKee, IT Operations Management

      Datum: 3. September, 14:43

      Wichtigkeit: Hoch

      Betreff: Verpflichtendes CAB-Meeting am Freitag, 14 Uhr

      Ich habe heute am wöchentlichen CAB-Meeting teilgenommen und war ausgesprochen verärgert, dass ich neben Patty der einzige Teilnehmer war – insbesondere angesichts des vermeidbaren gestrigen Ausfalls, der durch Änderungen ausgelöst wurde.

      Ab sofort müssen Manager (oder ihre Vertreter) an allen angesetzten CAB-Meetings teilnehmen und die ihnen zugewiesenen Aufgaben erledigen. Wir werden den Change-Management-Prozess bei Parts Unlimited wiederbeleben und ihn bis zum letzten Buchstaben befolgen.

      Jeder, der versucht, das Change-Management zu umgehen, muss mit disziplinarischen Maßnahmen rechnen.

      Am Freitag um 14 Uhr wird es ein verpflichtendes CAB-Meeting geben. Wir sehen uns dort. Wer Fragen oder Bedenken hat, kann mich gerne anrufen.

      Vielen Dank für die Unterstützung

      Bill

      Ich drücke auf »Senden« und warte 15 Sekunden, bis die E-Mail tatsächlich meinen Postausgang verlässt. Fast sofort klingelt mein Handy.

      Es ist Wes. Ich sage: »Ich wollte dich gerade wegen der Laptops anrufen. Wir brauchen Ersatz für unsere Manager und Mitarbeiter, damit sie ihre Aufgaben erledigen können.«

      »Ja, ja, da sind wir schon dran. Aber deswegen rufe ich gar nicht an. Und auch nicht wegen Phoenix«, sagt er genervt. »Es geht um deine Mail zum Change-Management: Ich weiß, du bist der Boss, aber du solltest doch wissen, dass die IT beim letzten Change-Management-Bekehrungsversuch komplett zum Erliegen kam. Keiner – und ich meine wirklich keiner – konnte irgendetwas erledigt bekommen. Patty bestand darauf, dass jeder