Hans-Uwe L. Köhler

Zugabe!


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      Wie alles begann!

      Stellen Sie sich einmal vor, liebe Leserin, lieber Leser, Sie hätten eine Reise hinter sich, die vierzig Jahre gedauert hat. Nach diesen vierzig Jahren kommen Sie zurück zu Ihrer Familie und Ihren Freunden und Sie veranstalten gemeinsam ein Fest. Was wäre wohl die Frage, die man Ihnen auf diesem Fest am häufigsten stellen würde?

      »Erzähl doch mal – wie ist es gelaufen, wie fing alles an, was hast du erlebt?« Und es mag sein, dass es einige spannende Ereignisse auf dieser Reise gab, die sich gut als Anekdote eignen und die weiterleben sollten. Ich selbst habe den Eindruck, dass meine Umgebung zunehmend an meinen Erfahrungen als Trainer oder Redner interessiert ist. Als ich meine Reise mit 29 Jahren begann, hatte ich noch nichts Wesentliches erfahren – wie denn auch?

      Ich werde Ihnen auf den folgenden Seiten von meinen Erfahrungen berichten – aber nur, wenn ich sie für hilfreich halte. Viel aufregender ist doch die Frage, welche weiteren Ziele auf dieser Reise eine Rolle spielen sollten. Ich werde mit Ihnen kein Jubiläum feiern und Ihnen auch keine Diashow mit den Stationen meiner Reise zeigen. Aber ich hätte Lust, Ihnen davon zu berichten, was geschehen ist und welche Konsequenzen das für meine weitere Reise hat. Und da ich vermutlich Ihnen gegenüber einen zeitlichen Erfahrungsvorsprung habe, möchte ich die Dinge so mit Ihnen besprechen, dass Sie einen echten Nutzen für sich daraus ziehen können.

      »Herr Köhler – wie sind Sie das geworden – Trainer und Redner?«

      Es gab schon in der Schule manchmal Sprüche über mich wie »Der wird mal Bundeskanzler!«. Das hing weniger mit einer großen Klappe zusammen – denn die hatte ich eigentlich nie –, als vielmehr mit meiner Fähigkeit, laut zu träumen. Außerdem hatte ich schon immer den Drang, den Dingen auf den Grund zu gehen: Warum ist etwas so und nicht anders? Mich trieb die Neugier an, der Wissensdurst, die Dinge verstehen zu wollen.

      Zunächst ging ich auf die Hauptschule, wie die meisten Kinder in dieser Zeit. Mein Berufswunsch war ein bisschen schwierig: Ich wollte zur See fahren. Doch das haben mir meine Eltern schlussendlich ausgeredet. Der nächste Wunsch war Schriftsetzer. Der Eignungstest bei der Berufsberatung ergab jedoch, dass ich die Voraussetzungen für diesen Beruf nicht erfüllte. Mein Vater sagte damals zu mir: »Geh doch mal zu Herrn Richter, der ist Dentist, und lass dir vom Beruf des Zahntechnikers erzählen.« Und tatsächlich hat mir das, was ich von Herrn Richter hörte, gefallen. Ich fand einen kleinen Betrieb in Hannover, in dem ich ein einwöchiges Praktikum machte und danach einen Lehrvertrag bekam. Doch kurz nach Ablauf der Probezeit eröffnete mir mein Lehrmeister, dass ich eigentlich nur durchschnittlich begabt sei.

      Obwohl ich erst fünfzehn Jahre alt war, wusste ich ganz genau, dass ich mit Durchschnittlichkeit in meinem Leben nichts erreichen würde. Doch eines war mir klar: Durchschnitt ist nicht dein Schicksal, Hans-Uwe L. Köhler!

      Was sollte ich jetzt machen? Mit fünfzehn?

      Die Antwort schien ganz einfach zu sein: Jetzt machst du erst einmal deine Lehre zu Ende und dann siehst du weiter.

      Dieses »Weitersehen« fiel in eine unglaubliche Zeit – am kürzesten mit dem Begriff »68 er« umschrieben. Es war die Zeit der Studentenrevolte, der sexuellen Befreiung, der Rolling Stones und der Beatles. Haschisch und Vietnamkrieg, Notstandsgesetze und Mao Zedong, Che Guevara und Minirock – und ich mittendrin!

      Natürlich war ich auch politisch aktiv. Rot. Tiefrot! Ich wurde Mitglied bei den Jungsozialisten und engagierte mich für Terre des hommes; ich leitete eine Jugendgruppe, um mit ihr ein Theaterstück aufzuführen, und organisierte sonntags eine Disko für Rentner. Meine Tage waren randvoll ausgefüllt; alles, was geschah, hatte eine politische Dimension. Das zumindest glaubten wir damals.

      Doch eine Sache bedrückte mich sehr: meine geringe Bildung. Der Hauptschulabschluss reichte nur in dem kleinen Bauerndorf, aus dem ich kam. Eines war klar: Ich musste etwas unternehmen. Also ging ich zur Abendschule, um dort die Mittlere Reife zu machen. Doch nach einem halben Jahr war damit Schluss. Tagsüber arbeiten, abends auf die Schule, nachts Schularbeiten und am nächsten Tag wieder? Ich schaffte das nicht und gab auf. (Ich bewundere heute noch jeden, der das hinbekommt!)

      Man kann durchaus sagen, dass meine berufliche Prognose nicht so optimistisch klang. Aber glauben Sie nicht, dass ich mich jetzt besonders anstrengte, jedenfalls nicht in meiner zahntechnischen Ausbildung. Mir war alles andere viel wichtiger, ich wollte mich ausprobieren und das fand (noch) nicht im Beruf statt.

      So schrieb ich ein Theaterstück – das nie zur Aufführung kam. Ich verfasste Gedichte und Kurzgeschichten, von denen tatsächlich eine in der Neuen Osnabrücker Zeitung und in der Neuen Hannoverschen Presse veröffentlicht wurde. Ich trat im Folklore-Club Hannover in der Mehlstraße auf. Und ich tingelte ein wenig mit Gunter Gabriel durch schicke Bars. Er sang Protestsongs und ich trug Gedichte vor – von Georg Kreisler.

      Dann ging es um die Wehrpflicht. Und wieder gab es für mich keinen geraden Weg, sondern ein Hin und Her zwischen den Möglichkeiten, Zeitsoldat zu werden oder den Kriegsdienst zu verweigern. Ich entschied mich für den allgemeinen Wehrdienst, wurde Sanitäter und nutzte diese Zeit ausschließlich dafür, ein wenig älter zu werden – denn ich wusste immer noch nicht, wohin die Reise gehen sollte.

      Wer mich damals erlebte, wurde aus mir nicht schlau. Keine wirkliche Perspektive, stattdessen ein ständiger Wechsel und viele fantasievolle Träumereien. Aber ich weiß noch genau, dass ich mich trotz der scheinbaren Orientierungslosigkeit in dieser Zeit absolut glücklich fühlte.

      Dann kam es zu einer für mich entscheidenden Begegnung: Ich lernte als Tramper in Uniform (das war zwar verboten, dafür fand man aber sehr schnell eine Mitfahrgelegenheit) den Verkaufsleiter von Ytong-Gasbeton kennen, Heinz-Georg Tiessler. Auf seine Frage, was ich denn nach der Dienstzeit machen wolle, sagte ich: »Ich werde Schriftsteller!« »So jung wie Sie sind? Wie soll das denn gehen?« Aus diesem ersten Kontakt entstand eine jahrelange Freundschaft. Zunächst gab mir Tiessler ein Buch zu lesen: Management by Objectives von Georg S. Odiorne. »Führen mit Zielen«! Das war genau mein Thema.

      Ich musste lernen, mich selber zu führen – und das durch das Setzen von Zielen. Was für eine geniale und einfache Idee!

      Mich inspirierte dieser Gedanke und so formulierte ich ein Stellengesuch »Junger, ideenreicher Zahntechniker sucht …«. Und dann geschah etwas Unglaubliches: Ich bekam tatsächlich 72 Angebote. Allerdings bezog sich nur ein einziges auf das Wort »ideenreich«. Und das war der Weg. Ich lernte meinen nächsten Chef, Hans Egger, kennen. Er stellte mir folgende Aufgabe: »Ich will mit meinem Betrieb die Nummer 1 in Süddeutschland werden. Trauen Sie sich das zu?« Mir war klar, wenn ich jetzt nein sagen würde, wäre diese Chance vertan. Also habe ich ja gesagt. Nach einem zweistündigen Gespräch hatte ich den Job, ein sehr gutes Gehalt – und jede Menge Probleme!

      Ich sollte diesen Betrieb und seine Leistungen verkaufen – und das unter Einsatz des gesprochenen und geschriebenen Wortes. Das war meine Chance, mit gerade mal 22 Jahren! Stellt sich nur die Frage: Wer war hier der Verrückte? Der Unternehmer, der so ein Greenhorn einstellte, oder der junge Typ, der sich den Job zutraute? Wenn ich das nicht hinkriegen würde, würde man mich sofort feuern. Doch dieses Worst-Case-Szenario hat mich weder bedrückt noch eingeengt. Ich fühlte mich nicht unter Druck. Es war Teil des Spiels.

      Die neue Tätigkeit und die Probleme, die damit zusammenhingen, zwangen mich dazu, enorm viel zu lernen. Dabei stieß ich auf ein besonderes Ärgernis: In fast jeder Fortbildung saßen Vertreter aller möglichen Branchen und Berufe, sodass die jeweiligen Referenten möglichst allgemeingültig sprechen mussten. Und das empfand ich als absolut unbefriedigend.

      Damit möglichst viele Mitarbeiter von den teuren Seminaren profitierten, hatten wir folgende Idee: Wer eine Fortbildung besucht hatte, musste die Inhalte des Seminars kurze Zeit später für die Kollegen zusammenfassen, damit auch sie etwas davon hatten. Dabei entdeckte ich mein Talent, komplexe Zusammenhänge in klare Strukturen zu bringen und damit das Wissen schnell