größere Abteilung aus. Vier Europäer, sechs ägyptische Offiziere, zweiunddreißig ägyptische Soldaten (hauptsächlich befreite schwarzafrikanische Sklaven), dreißig Steinbrecher, ein griechischer Koch und Kellner und ein Zimmermann gingen am 19. Dezember 1877 an der Küste Midians an Land. Die Gruppe war immens aktiv. Burton schätzte, dass sie in vier Monaten mehr als viertausend Kilometer zurücklegten. Sie begutachtete die Lage von achtzehn alten Siedlungen, aber auch diesmal brachten sie kein Gold mit.
Die Geographen sind sich heute darüber einig, dass Burtons Berichte über Midian sein größter Beitrag zur geographischen Kenntnis Arabiens sind, weit bedeutender als seine erste, viel spektakulärere Reise nach Medina und Mekka. Vordergründig war der Grund für Burtons Reisen nach Nordwestarabien, nach Gold und anderen ökonomisch ausbeutbaren Mineralien zu suchen. Tatsächlich standen für ihn aber immer das wissenschaftliche Studium und die Erforschung der Region im Vordergrund, wie Philip Ward in seiner Einführung zur 1979 erschienenen englischen Ausgabe »Die Goldminen von Midian und die zerstörten midianitischen Städte« wohl zu Recht betont.
Burtons Expedition erforschte, untersuchte und kartierte den tausend Kilometer langen Küstenstreifen des nördlichen Midian. Viele wichtige archäologische Orte, die Überreste von achtzehn Städten und zwanzig Siedlungen wurden identifiziert, und all die vierzig den mittelalterlichen Geographen bekannten Plätze. Sie brachten alte Artefakte und Knochen, prähistorische Muscheln, zahlreiche Exemplare der Flora und Fauna sowie Insekten mit zurück; sie bewiesen die Existenz von wertvollen Mineralien: Schwefel, Salz und Salpeter sowie »gewaltige Ansammlungen von Gips«; sie fanden Achate und Türkise – aber sie fanden kein Gold, wenigstens nicht in den Mengen, von denen Richard Burton überzeugt war, dass sie in den angespülten Sanden existierten. Die Expedition brachte fünfundzwanzig Tonnen Gesteinsproben für metallurgische Analysen mit, die von George Marie ausgewählt wurden, dem für das Projekt durch die ägyptische Regierung ernannten französischen Geologen und Bergbau-Ingenieur. Auch Marie war selbstsicher und davon überzeugt, sie würden die Existenz von Silber beweisen. Der Nachweis von wirtschaftlich ausbeutbaren Silbererzen hätte auch Burton in hohem Maße gefallen. Er hatte eine magische Leidenschaft für das Metall und nutzte es als Gichtmittel. Doch statt des erhofften Reichtums blieben Richard Burton infolge seiner midianitischen Reisen nur Schulden. Der Khedive ließ ihn auf seinen Ausgaben sitzen. Am 26. Juni 1879 musste Ismael I. auf Druck der europäischen Großmächte zugunsten seines Sohnes Taufiq abdanken. Der neue Vizekönig weigerte sich, die finanziellen Verpflichtungen seines Vaters gegenüber Burton anzuerkennen.
Nach dem Erfolg seines Werkes »Die Goldminen von Midian und die zerstörten midianitischen Städte« schuf Richard Burton ein noch substanzielleres Werk: »Das Land Midian«, welches im darauffolgenden Jahr in zwei Bänden erschien. Es beschäftigt sich ausführlich mit drei Reisen – nach Nord-, Zentral- und Südmidian. Es ist voll von sowohl praktischen als auch tiefgründigen Informationen, und es ist mit Zeichnungen, Inschriften und einer detaillierten Karte illustriert. Da Burton nun in der Lage war, die Fahnenauszüge von »Das Land Midian« selbst durchzusehen, wurden die zahllosen Irrtümer und Druckfehler vermieden, welche die ursprüngliche Ausgabe der »Goldminen von Midian« beeinträchtigt hatten.
WO LIEGT MIDIAN?1
Der geographische Ausdruck Midian ist selbst heute noch nicht eindeutig zur Zufriedenheit aller definiert worden. In der Genesis (XXXVII, 28) wurde von den Midianitern gesagt, dass sie Josef von seinen Brüdern gekauft und ihn in Ägypten verkauft hätten. In Exodus (II, 15) wird davon gesprochen, dass Moses in Midian oder dem östlichen Land (östlich, das heißt von Ägypten aus) gelebt habe und dort Zipporah heiratete, eine Tochter des Priesters Jethro. Laut Numeri (XXXI, 22, 50–54) steckten die Hebräer im Jahr 1452 v. Chr. die Städte und die Burgen Midians in Brand und trugen eine herrliche Beute an Gold, Silber, Bronze, Eisen, Zinn und Blei, mit Gefäßen aus Gold, Halsketten und Armbändern, Ringen, Ohrringen und Broschen fort. Zweihundert Jahre später, dem Buch Richter VIII, 24–27 zufolge, als die Midianiter ihre Stärke wiedergefunden hatten, erschlugen mit Gottes Hilfe jüdische Krieger unter Gideon die ismaelitischen Könige Zebah und Zalmunna mit etwa einhundertfünfunddreißigtausend Kriegern und erlangten so viel Gold, dass Gideon, der sich nur einen Goldring von jedem seiner siegreichen Soldaten erbat, siebzehnhundert Schekel Gold erhielt. Gideon schmolz das Edelmetall ein und ließ davon ein Ephod herstellen, ein religiöses Emblem, das später der Gegenstand götzendienerischer Verehrung wurde. Doch dieses Massaker erwies sich für das Königreich Midian als tödlich, und es verabschiedete sich danach alsbald aus der Geschichte.
Die klassischen griechischen und römischen Autoren kannten das Wort Midian nicht, da sie die Region als Bestandteil des Nabatäer-Reiches betrachteten. Flavius Josephus teilte das Gebiet in zwei Midians.
Burton leitete seine Definition Midians von einigen mittelalterlichen arabischen Geographen und einigen Beduinen der Region ab, und er bestätigte, dass Midian im Norden von ’Akabah am Ende des Golfes von ’Akabah begrenzt wird und im Süden von al-Muwailah und dem Wadi Surr. Die Westgrenze ist der Golf selbst, und die östliche Grenze ist die Bergkette, die allgemein als Dschebel Schar’a bekannt ist, welche die Tihama von der Hisma trennt. Nach Burtons Auffassung hat die ganze Meeresküste südlich des Forts von al-Muwailah bis zum Hedschas »absolut keinen Namen«, keinen Oberbegriff.
Er schlug deshalb eine Teilung der Nordwestregion des heutigen Saudi-Arabiens in zwei Teile vor. Das »eigentliche Midian« oder »nördliche Midian« umfasst nach dieser Definition das Gebiet nördlich al-Muwailahs mit einer Küstenlinie von einhundertacht Meilen, während der Begriff »südliches Midian« sich auf den Küstenabschnitt vom Fort von al-Muwailah südlich bis zum Wadi Hamdh (25° 55’ nördlicher Breite), eine Küstenlinie von einhundertfünf Meilen, bezieht. Burton begründet seine Definition damit, dass sein größeres Midian im Altertum von den Nabatäern beherrscht wurde und zum Zeitpunkt seiner Expedition den gleichen Herrscher hatte: den ägyptischen Vizekönig Ismael.
Der berühmte Arabist und Geograph Aloys Sprenger, mit dem Burton einen herzlichen Briefwechsel führte, lehnte übrigens die neue Definition von Midian als neumodisch und zu breit angelegt ab. Doch blieb Burton die Anerkennung seiner Definition nicht versagt, da seine Interpretation der Gebiete Midians von Einrichtungen wie dem Marine-Nachrichtendienst der britischen Admiralität benutzt wurde.
Das Alte Testament erwähnt Goldschürfungen in Saba, Ophir und Havilah (Genesis X, 28–29). Alle diese Orte liegen im südlichen Arabien, und es ist wahrscheinlicher, dass die von Moses und Gideon an sich gerissene Beute an kostbaren Metallen eher durch Handel oder Piraterie erlangt worden war als durch Bergbau. Des Weiteren sind verschiedentlich Goldsande und die Existenz von Goldklumpen überliefert. Der midianitische Bergbau in Saudi-Arabien hatte vermutlich drei Blütezeiten: das Zeitalter von Salomon (961–922 v. Chr.), die Periode des Abbasiden-Kalifats (750–1258 n. Chr.) und die Zeit des saudi-arabischen Bergbau-Syndikats (1939–1954).
ELF SCHREIBTISCHE FÜR DEN ÜBERSETZER IN TRIEST
Nach seinen midianitischen Reisen stattete Burton den Kong-Bergen Westafrikas einen kurzen Besuch ab, um dort die Möglichkeit des Goldabbaus zu überprüfen, aber sein Lebensrhythmus war etwas langsamer geworden.
Zunehmend widmete er sich seinen literarischen Aktivitäten – unter anderem der bereits erwähnten Übersetzung von »Tausendundeiner Nacht«, natürlich wieder mit Fußnoten, welche die Destillation all seines Wissens und seiner Erfahrung enthalten. Er übersetzte in Triest verschiedene hinduistische erotische Erzählungen. In seinem Herrenhaus bei Triest hatte er für jedes Projekt, an dem er arbeitete, einen eigenen Schreibtisch. Es waren insgesamt elf.
Im Jahr 1886 wurde er sehr zu seiner Überraschung durch Queen Victoria geadelt. Er starb am 20. Oktober 1890 in Triest.
Heute, mehr als ein Jahrhundert nach seinem Tod, ist Richard Francis Burton eine Legende. Den Grundstein hierfür legte er, wie geschildert, nach dem Ende seiner Armeelaufbahn: Er wurde ein überaus fruchtbarer Schriftsteller, ein ausgezeichneter Linguist, ein detailbesessener Übersetzer und ein unersättlicher Forscher, der keine Auseinandersetzung, kein noch so großes Wagnis oder Abenteuer scheute.
Von allen Forschungsreisenden