1988 zum ersten Mal in einem Wettkampf anstelle des damals gängigen Parallelstils seine Sprungski im V-Stil einsetzte. Wenngleich sich die Umstellung auf diesen Stil für die Skispringer als durchaus kompliziert darstellte, waren die erzielbaren Sprungweitenvorteile so groß, dass sich dieser Stil bereits zwei Jahre später im Starterfeld vollständig durchgesetzt hatte (vgl. Nedo (2016)).
Die oben erwähnten Überlegungen zur Co-Creation von Sportprodukten führen direkt zu einer weiteren Differenzierungsmöglichkeit von Innovationen, die sich auf das Verhältnis zwischen Innovator und Nutzer bezieht. Auch dies klang bereits in den vorigen Ausführungen an. In den letzten Jahren hat sich zunehmend ein Forschungsstrang entwickelt, der sich diesen sogenannten User Innovations (nutzerbasierte Innovationen) widmet, also solchen Innovationen, die durch Nutzer selbst entwickelt werden. Zwar sind die Forschungsstränge zu Co-Creation und User Innovations nicht auf den Sport beschränkt und auch nicht aus diesem entstanden, nutzerbasierte Innovationen erscheinen aber gerade mit Blick auf die sporttypische Co-Creation besonders naheliegend.
Zu Beginn der wissenschaftlichen Forschung zu nutzerbasierten Innovationen um das Jahr 1975 wurde das Phänomen, dass Nutzer zu Innovatoren werden, eher als kuriose Ausnahme gedeutet (vgl. von Hippel (2005), S. 63). Im Sport existierten zu dieser Zeit mit der Entwicklung des Skateboardens, des Surfens und des Windsurfens jedoch bereits innovative Sportarten und -geräte, die in hohem Maße durch Nutzer selbst entwickelt wurden und die in den Folgejahrzehnten zu einer Multimillionen-Dollarindustrie heranwuchsen (vgl. Shah (2000), S. 4). Die Bedeutung nutzerbasierter Innovationen hat insbesondere durch die zunehmende Entwicklung von Hard- und Software und die Fähigkeiten von Personen zur Nutzung neuer Kommunikationsmedien, über welche sie ihre Innovationstätigkeiten kombinieren und koordinieren, zugenommen (vgl. von Hippel (2005), S. 64).
Nutzerbasierte Innovationen lassen sich nicht immer klar von unternehmensinduzierten Innovationen trennen, nicht nur, weil bestehende Unternehmen benötigte Innovationen zur eigenen Nutzung entwickeln können, sondern auch, weil entwickelnde Nutzer Unternehmen gründen können, um ihre Innovation weiter voranzutreiben. Beispielsweise finden sich in den Anfängen des Skateboardens, Surfens und Windsurfens viele Beispielen, in denen Entwickler erst anschließend kleine Lifestylefirmen gründeten, die die Innovationen produzierten und verkauften. Shah ((2000), S. 7 f.) bezeichnet diese Innovationen als User-Manufacturer Innovations. Darüber hinaus finden nutzerbasierte Innovationen bzw. Teilaspekte davon im Rahmen von sogenannter Open Innovation Verwendung, bei welcher Innovationsprozesse von Organisationen systematisch nach außen geöffnet werden, beispielsweise zur Generierung von Ideen (vgl. Vahs/Brem (2015), S. 245;
1.5 Aspekte und Typen sportbezogener Innovationen
Auch im Kontext Sport beginnen Innovationen derzeit, sich in der wissenschaftlichen Literatur Aufmerksamkeit zu verschaffen. Im Zuge dessen haben sich auch sportspezifische Kategorisierungsmodelle entwickelt, die verschiedene Innovationen anhand bestimmter Merkmale in Kategorien einteilen. So identifiziert Tjønndal (2017, S. 298 ff.) basierend auf einem Literaturreview acht verschiedene Aspekte von Sportinnovationen bzw. Innovationen im Sport5.
Technologische Aspekte von Sportinnovationen betreffen die (Weiter-)Entwicklung von Geräten im Sport. Sie können u. a. darauf gerichtet sein, die Leistung von Athleten zu verbessern, wie dies beispielsweise im Falle der Klappschlittschuhe im Eisschnelllauf zu beobachten war. Genauso gut kann es sich aber auch um Innovationen handeln, die nicht direkt die Sportausübung betreffen, beispielsweise die Einführung neuer Kommunikationsplattformen (Twitter etc.) im Sportjournalismus (vgl. Tjønndal (2017), S. 298).
Innovationen im Sport können darüber hinaus mit institutionellen Veränderungen verknüpft sein, insbesondere mit neuen Wegen, den Sport zu organisieren. Beispiele hierfür sind die Einrichtung neuer Dachverbände, Clubs, Richtlinien oder Regeln, aber auch die Einführung neuer Arten, Sportaktivitäten zu finanzieren oder die Zuschauer in Sport einzubeziehen (vgl. Tjønndal (2017), S. 299). Relativ radikale institutionelle Veränderungen spielten sich beispielsweise im deutschen Profifußball mit der Ausgliederung der Lizenzspielerabteilungen in Kapitalgesellschaften ab, die der DFB mit Beschluss vom 24.10.1998 den eingetragenen Vereinen – in engen Grenzen – erlaubte. Ausgegliedert wurden jedoch in der Folge nicht nur Lizenzspielerabteilungen in den Clubs, auch der DFB selbst gründete einen neuen Verband, welcher als neuer Mitgliedsverband im DFB zum 01.07.2001 den Betrieb der beiden Bundesligen übernahm. Die Entscheidung kam unter hohem Druck der Bundesligavereine zustande. Die Belange des finanziell attraktiven Profifußballs wurden nunmehr innerhalb des Ligaverbands unter den 36 Mitgliedern, also den Clubs der beiden Bundesligen, und nicht mehr unter allen ca. 26.500 Mitgliedsvereinen innerhalb des DFB geregelt. Littkemann, Brast und Stübinger attestieren dem DFB dadurch einen enormen Machtverlust und deuten die Amateurvereine als die großen Verlierer, weil sie noch stärker in die Abhängigkeit der Profivereine geraten (vgl. Littkemann/Brast/Stübinger (2003)).
Das Beispiel ist in vielerlei Hinsicht relevant, will man die Besonderheiten von Innovationen im Sport verstehen. Es zeigt unter anderem, wie Innovationen nicht nur demokratischen Aushandlungsprozessen unterliegen, sondern auch, wie sie von besonderen Machtverteilungen bzw. der Art und Weise, wie Macht und Druck ausgeübt werden können, abhängen. Natürlich spielen Aushandlungsprozesse und Macht auch außerhalb des Sports eine Rolle, beispielsweise wenn die Marktmacht eines Unternehmens es erleichtert, ein Produkt am Markt durchzusetzen oder die Kompetenzverteilung bei Führungskräften es erlaubt, über die Einführung innovativer Prozesse innerhalb des Unternehmens zu entscheiden. Wenn aber – etwas überspitzt formuliert – mehr als 26.500 formal gleichgestellte Beteiligte eine Entscheidung treffen, die 36 von ihnen besserstellt und den Rest davon schlechter, dann ist dies schon eine sehr besondere Situation, die man verstehen muss, um Innovationsmanagement im Sport erfolgreich umsetzen zu können. Das Beispiel zeigt aber auch, wie innerhalb des Sports Innovationen durch Verbandsregeln eingeschränkt sein können, in diesem Fall insbesondere durch die Vorgaben des DFB an die Wahl der Rechtsform für die Kapitalgesellschaft und die genaue Ausgestaltung der Beziehung zum Mutterverein.
Der ein oder andere mag daran zweifeln, dass es sich bei diesen Vorgängen um eine Innovation handelte – schließlich existierten Kapitalgesellschaften zum Zeitpunkt dieser Entscheidung bereits seit langer Zeit. Man könnte dies also auch als ein Beispiel der Organisationsentwicklung oder des Change Managements deuten. Verdeutlicht man sich aber, wie tief verankert das Vereinswesen damals im Profisport in Deutschland war und selbst im hochkommerzialisierten Männerfußball zumindest im Hintergrund bis heute ist – noch immer sind dort die Lizenzspielerabteilungen an einen Mutterverein gekoppelt, noch immer gibt es vielbeachtete Mitgliederversammlungen in den Profisportvereinen, bei denen auch Belange des Profibereichs umfassend diskutiert werden und noch immer existieren in der 1. Fußballbundesliga eingetragene Vereine – dann können die dargestellten Veränderungen durchaus als radikal neu eingestuft werden.
Die Literatur ist sich diesbezüglich jedoch nicht einig. Teichmann schlussfolgert