Charles Dickens

Dickens' Geschichten über Kinder, für Kinder erzählt


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aber Mr. Clennam erriet es wegen des Namens "kleine Mutter" und der Zuneigung der armen Kreatur zu Amy.

      Eines kalten, nassen Abends gingen Amy und Maggie zu Mr. Clennams Haus, um ihm dafür zu danken, dass er Edward aus dem Gefängnis befreit hatte; als sie ihn wieder verließen, stellten sie fest, dass Amy um diese Uhrzeit nicht mehr nach Hause gehen konnte, da das Tor bereits verschlossen war. Sie versuchten, in Maggies Wohnung zu gelangen, aber obwohl sie zweimal klopften, schliefen die Leute. Da Amy sie nicht stören wollte, liefen sie die ganze Nacht umher, und saßen sogar einmal vor dem Tor des Gefängnisses.

      "Es wird bald vorbei sein, meine Liebe", sagte die geduldige Amy zu der zitternden und wimmerten Maggie.

      "Oh, für dich ist das alles schön und gut, Mutter", sagte Maggie, "aber ich bin ein armes Ding, erst zehn Jahre alt."

      Dank Mr. Clennam änderte sich das Schicksal der Familie bald ganz entschieden, denn nicht lange nach dieser elenden Nacht entdeckte er, dass Mr. Dorrit Eigentümer eines großen Anwesens war, und sie wurden sehr reich.

      Aber die kleine Dorrit vergaß nie, ganz im Gegensatz zum Rest der Familie, die Freunde, die trotz ihrer Armut immer nett zu ihnen gewesen waren; und als Mr. Clennam selbst im Marshalsea einsitzen musste, kam die kleine Dorrit, um ihn zu trösten und ihm Mut zuzusprechen; nach vielen Schicksalsschlägen wurde sie schließlich seine Frau, und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage.

      IV. DER SPIELZEUGMACHER UND SEINE BLINDE TOCHTER

      Caleb Plummer und seine blinde Tochter lebten allein in einer kleinen, zerbrochenen Nussschale von einem Haus. Sie waren Spielzeugmacher, und ihr Haus, das so klein war, dass man es mit einem Hammer zertrümmern und in einem Karren wegfahren hätte können, klebte wie ein Fliegenpilz auf dem Anwesen der Herren Gruff & Tackleton, den Spielzeughändlern, für die sie arbeiteten – wobei Letztgenannter Gruff und Tackleton in einer Person war.

      Ich sage, dass Caleb und seine blinde Tochter dort lebten. Eigentlich lebte aber nur Caleb dort, während seine Tochter in einem verzauberten Palast lebte, den die Liebe ihres Vaters für sie erschaffen hatte. Sie wusste nicht, dass die Decken rissig waren, der Putz herunterfiel und die Hölzer schon verrotteten; dass alles um sie herum alt und hässlich und armselig aussah, und dass ihr Vater ein grauhaariger, gebeugter alter Mann und der Meister, für den sie arbeiteten, hart und brutal war; du lieber Gott, nein, sie stellte sich ein hübsches, gemütliches, kleines Heim vor, Zeichen der Fürsorge eines netten Meisters, einen klugen, flotten, vornehm aussehenden Vater und einen hübschen und edel aussehenden Spielzeughändlers, der geradezu ein Engel der Tugend war.

      Das war alles Calebs Werk. Als seine blinde Tochter noch ein Baby gewesen war, hatte er in seiner großen Liebe zu und in seinem Mitleid mit ihr beschlossen, dass er ihr den Verlust ihres Augenlichts in einen Segen verwandeln und ihr Leben so glücklich wie möglich machen würde. Und sie war glücklich; sie sah alles mit den Augen ihres Vaters, in dem regenbogenfarbigen Licht, das er mit so viel Sorgfalt und Freude hegte und pflegte.

      Caleb und seine Tochter arbeiteten zusammen in ihrem Arbeitszimmer, das ihnen auch als Wohnzimmer diente; und was war das für ein seltsamer Ort. Dort befanden sich Häuser, fertige und unfertige, für Puppen aller Lebenslagen. Mietskasernen für Puppen mit bescheidenen Mitteln; Küchen und Einzelwohnungen für Puppen der unteren Klassen; großartige Stadthäuser für Puppen der gehobenen Gesellschaft. Einige dieser Etablissements waren bereits mit Blick auf die Bedürfnisse von Puppen mit wenig Geld eingerichtet worden; andere konnten auf Zuruf mit Regalen, Stühlen und Tischen, Sofas, Bettgestellen und Polstermöbeln allererster Güte eingerichtet werden. Die Vertreter des gehobenen und niederen Adels, für deren Gebrauch diese Puppenstuben geplant waren, lagen hier und da in Körben und starrten unbeirrt an die Decke; aber um ihrem Stand in der Gesellschaft Ausdruck zu verleihen und sie bei Ihresgleichen zu halten (was sich im wirklichen Leben als überaus schwierig erwies), hatten die Schöpfer dieser Puppen der Natur etwas nachgeholfen, denn sie wollten sich nicht auf Merkmale wie Satin, Baumwolldruck oder Lumpenkleider verlassen, sondern hatten Unterschiede kreiert, die unmissverständlich waren. So hatte die Puppendame von hohem Rang perfekt gearbeitete Gliedmaßen aus Wachs, aber das galt nur für sie und andere Puppen ihrer Klasse; die nächste Klasse auf der sozialen Skala war aus Leder gefertigt, und die nächste aus grobem Leinen. Was die einfachsten Puppen betraf, so hatten diese gerade mal Streichhölzer als Arme und Beine – und lagen sie einmal an ihrem Platz, gab es keine Möglichkeit mehr, dort herauszukommen.

      In Caleb Plummers Zimmer befanden sich neben den Puppen noch verschiedene andere Musterexemplare seines Handwerks. Es gab einige Archen Noahs, in denen allerdings Vögel und Tiere mit Sicherheit seltene Gäste gewesen wären, das kann ich versichern; man hätte sie bestenfalls über das Dach hineinpferchen und dann in die einzelnen Abteilungen schütteln und stoßen können. Die meisten dieser Archen Noahs hatten Klopfer an den Türen; vielleicht nicht gerade passend für eine Arche, da auf dem Meer vermutlich wenig morgendliche Besucher und Briefträger vorbeikommen dürften, und doch eine nette Verzierung an der Außenseite des Bauwerks. Es gab Unmengen kleiner Spieluhren in Form von Karren, die, wenn sich die Räder drehten, ausgesprochen melancholische Musik spielten. Viele kleine Fiedeln, Trommeln und ähnliche Folterinstrumente; Kanonen, Schilder, Schwerter, Speere und Kanonen ohne Ende. Man fand kleine Stehaufmännchen in roten Reiterhosen, die unaufhörlich irgendwelche Hindernisse hinaufstolperten und auf der anderen Seite Kopf voran herunterfielen; und es gab Tiere aller Art, insbesondere Pferde aller Rassen, vom gefleckten Fässchen auf vier Stiften, mit einer kleinen Pelerine als Mähne, bis zum edlen Schaukelpferd.

      "Du warst gestern Abend in deinem schönen neuen Mantel im Regen unterwegs", sagte Bertha.

      "Ja, in meinem schönen neuen Mantel", antwortete Caleb und warf einen Blick auf die Stelle, an der ein grob gearbeitetes Kleidungsstück aus Sackleinen zum Trocknen aufgehängt war.

      "Wie froh ich bin, dass du ihn gekauft hast, Vater."

      "Und obendrein von einem Schneider! Von einem recht modischen Schneider; ein leuchtend blaues Tuch, mit glänzenden Knöpfen; das ist ein viel zu guter Mantel für mich."

      "Zu gut!", rief das blinde Mädchen, das kurz lachen musste und in die Hände klatschte; "als ob irgendetwas zu gut für meinen hübschen Vater sein könnte, mit seinem lächelnden Gesicht, den schwarzen Haaren und seiner aufrechten Gestalt, als ob irgendetwas zu gut für meinen hübschen Vater sein könnte!"

      "Aber ich schäme mich fast, ihn zu tragen", sagte Caleb und beobachtete die Wirkung seiner Worte auf ihr strahlendes Gesicht. "Ich höre die Jungen und die Leute hinter mir sagen: 'Hallo-o! Was für ein Geck!', und ich weiß nicht, in welche Richtung ich schauen soll. Und als mich der Bettler letzte Nacht nicht in Ruhe lassen wollte; als ich sagte, ich sei ein ganz gewöhnlicher Mann, antwortete er: 'Nein, Euer Ehren! Euer Ehren, sagen Sie das nicht!' Ich war ziemlich beschämt. Ich denke wirklich, dass ich nicht das Recht habe, ihn zu tragen."

      Glückliches, blindes Mädchen! Wie fröhlich sie doch war!

      "Ich sehe dich, Vater", sagte sie und umklammerte ihre Hände, "so klar, als hätte ich die Augen, die ich nie haben will, wenn du bei mir bist. Ein blauer Mantel – !"

      "Leuchtend blau", sagte Caleb.

      "Ja, ja! Leuchtend blau", rief das Mädchen aus und wandte ihm ihr strahlendes Gesicht zu, "die Farbe, an die ich mich gerade noch erinnern kann; die Farbe, die der gesegnete Himmel hat! Du sagtest mir, dass er schon immer blau war! Ein leuchtend blauer Mantel – "

      "Maßgeschneidert", warf Caleb ein.

      "Ja! Maßgeschneidert", rief das blinde Mädchen und lachte herzhaft; "und darin steckt du, mein lieber Vater, mit deinen fröhlichen Augen, deinem lächelnden Gesicht, deinem ausholenden Gang und deinem dunklen Haar; so jung und schön siehst du aus!"

      "Hallo-o! Hallo-o!" sagte Caleb. "Ich werde gleich verlegen."

      "Ich glaube, das bist du schon", rief das blinde Mädchen und zeigte in ihrer Fröhlichkeit auf ihn. "Ich kenne dich, Vater! Ha, ha, ha! Ich habe dich erwischt, nicht wahr?"

      Aber