Sie hatte von seinem ausladenden Gang gesprochen. Damit hatte sie recht. Jahrelang hatte er diese Schwelle nicht ein einziges Mal mit der ihm so eigenen Langsamkeit überschritten, sondern mit einem Tritt, der genau für ihr Ohr gedacht war, und nie hatte er, selbst wenn sein Herz am schwersten war, den leichten Schritt vergessen, der ihr so fröhlich und mutig erschien.
"Da haben wir's", sagte Caleb und ging ein oder zwei Schritte zurück, um seine Arbeit besser begutachten zu können; "so nah an der Wirklichkeit wie ein Halfpence einem Sixpence. Wie schade, dass sich die ganze Vorderseite des Hauses auf einmal öffnet! Wenn es nur eine Treppe gäbe und echte Türen zu den Zimmern, durch die man hineingehen könnte! Aber das ist das Schlimmste an meinem Beruf.. Ich mache mir ständig etwas vor und betrüge mich selbst."
"Du sprichst so leise. Bist du nicht müde, Vater?"
"Müde", sagte Caleb aufbrausend, "was sollte mich ermüden, Bertha? Ich war noch nie müde. Was bedeutet dieses Wort?"
Um seinen Worten mehr Ausdruck zu verleihen, nahm er die Pose zweier kleiner, gähnender Figuren auf dem Kaminsims ein, deren Torsos in einem ewigen Zustand der Müdigkeit versunken zu sein schienen, und summte dazu ein kleines Lied. Es war ein Trinklied, etwas über einen glänzenden Becher, und er sang es so übertreiben unbekümmert, dass es sein Gesicht tausendmal hagerer und nachdenklicher aussehen ließ als je zuvor.
"Was! Du singst ja!", sagte Tackleton, der Spielzeugverkäufer, für den Caleb arbeitete, und steckte den Kopf durch die Tür. "Verflucht! Ich kann nicht singen."
Niemand hätte jemals gedacht, dass Tackleton singen kann. Er hatte keineswegs das, sagen wir mal so, passende Gesicht dafür.
"Ich kann es mir nicht leisten zu singen", sagte Tackleton. "Ich bin froh, dass es dir anscheinend anders geht. Ich hoffe, du schaffst es auch, hin und wieder zu arbeiten. Kaum Zeit für beides, sollte ich meinen?"
"Wenn du ihn nur sehen könntest, Bertha, wie er mir zu grinst!", flüsterte Caleb. "So ein Scherzbold! Wenn man ihn nicht kennen würde, könnte man meinen, er meint es ernst, nicht wahr?"
Das blinde Mädchen lächelte und nickte.
"Ich danke Ihnen für das Bäumchen, das schöne Bäumchen", antwortete Bertha und zeigte ihm eine kleine, blühende Rose. Caleb hatte ihr dazu eine Geschichte vorgeschwindelt, die sie glauben ließ, die Rose sei das Geschenk ihres Herrn – obwohl Caleb selbst auf ein oder zwei Mahlzeiten verzichtet hatte, um sie kaufen zu können.
"Der Vogel, der singen kann, aber nicht will, muss zum Singen gebracht werden, sagt man", murmelte Tackleton. "Was ist mit der Eule, die nicht singen kann und nicht singen soll und trotzdem singt; gibt es etwas, dass man dagegen machen kann?
"Wie sehr er mir gerade zuzwinkert!", flüsterte Caleb seiner Tochter zu. "Ach, du meine Güte!"
"Immer fröhlich und unbeschwert!", rief die lächelnde Bertha.
"Oh! Du bist ja auch da, nicht wahr?", antwortete Tackleton. "Arme Idiotin!"
Tackleton glaubte wirklich, dass sie eine Idiotin war, und begründete diesen Glauben, ich kann nicht sagen, ob bewusst oder unbewusst, damit, dass sie ihn mochte.
"Nun! Da du schon mal da bist – wie geht es dir?", fragte Tackleton auf seine übliche, mürrische Weise.
"Oh! Nun ja, ganz gut. So glücklich, wie Sie mich gemacht haben. So glücklich, wie Sie die ganze Welt machen würden, wenn Sie nur könnten!"
"Arme Idiotin!", murmelte Tackleton. "Keinen Funken Vernunft! Keinen Funken!"
Das blinde Mädchen nahm seine Hand und küsste sie, hielt sie für einen Moment fest und legte sie zärtlich an ihre Wange, bevor sie sie losließ. In dieser Handlung lag eine so unaussprechliche Zuneigung und eine so inbrünstige Dankbarkeit, dass selbst Tackleton gerührt war und nicht ganz so knurrig wie üblich sagte: "Was ist denn jetzt schon wieder los?"
"Bertha", fuhr Tackleton fort, der ausnahmsweise fast ein wenig herzlich klang. "Komm mal her."
"Oh! Ich kann sofort zu Ihnen kommen. Sie brauchen mich nicht zu führen", erwiderte sie.
"Soll ich dir ein Geheimnis verraten, Bertha?"
"Wenn Sie mögen!", antwortete sie begierig.
Wie das schmutzige Gesicht leuchtete! Wie das Licht um den lauschenden Kopf spielte!
"Heute ist doch der Tag, an dem diese kleine – wie heißt sie noch gleich – , diese verzogene Göre, Peerybingles Frau, dir ihren regelmäßigen Besuch abstattet – hier ihr lächerliches Picknick veranstaltet, nicht wahr?", sagte Tackleton, dem seine Abneigung gegen diese Veranstaltung deutlich anzumerken war.
"Ja", antwortete Bertha. "Heute ist der Tag."
"Das dachte ich mir!", sagte Tackleton. "Ich würde gerne auch daran teilnehmen."
"Hörst du das, Vater!", rief das blinde Mädchen freudig.
"Ja, ja, ich höre es", murmelte Caleb mit dem starren Blick eines Schlafwandlers, "aber ich kann es nicht glauben. Das ist nur eine seiner Lügen, daran habe ich keinen Zweifel."
"Weißt du, ich möchte, dass die Peerybingles May Fielding ein wenig besser kennenlernen", sagte Tackleton. "Ich werde nämlich May Fielding heiraten."
"Heiraten!", rief das blinde Mädchen, sichtlich erschrocken.
"Sie ist so eine verdammte Idiotin", murmelte Tackleton, "und ich befürchte, dass sie mich nie verstehen wird. Ja, Bertha! Heiraten! Kirche, Pfarrer, Standesbeamter, Kutsche, Glocken, Frühstück, Brautkuchen, Geschenke, Markknochen, und die ganzen anderen Albernheiten. Eine Hochzeit, verstehst du?; eine Hochzeit. Weißt du nicht, was eine Hochzeit ist?"
"Doch, das weiß ich", antwortete das blinde Mädchen sanft. "Ich verstehe!"
"Wirklich?", murmelte Tackleton. "Das ist mehr, als ich erwartet habe. Nun, aus diesem Grund möchte ich, dass du der Feier beiwohnst und May und ihre Mutter mitbringst. Ich werde noch vor dem Nachmittag das eine oder andere herschicken. Eine kalte Hammelkeule oder eine andere, leckere Kleinigkeit dieser Art. Wirst du mich erwarten?"
"Ja", antwortete sie.
Sie ließ den Kopf hängen, hatte sich weggedreht und stand nun mit verschränkten Händen da und grübelte.
"Ich glaube nicht, dass du das tun wirst", raunte Tackleton und sah sie an, "denn du scheinst ja jetzt schon alles vergessen zu haben. Caleb!"
"Ich schätze, er hat bemerkt, dass ich auch noch hier bin", dachte Caleb. Dann sagte er: "Sir!"
"Pass auf, dass sie nicht vergisst, was ich ihr gesagt habe."
"Sie vergisst nie etwas ", erwiderte Caleb. "Das ist eines der wenigen Dinge, in denen sie wirklich gut ist."
"Jeder Mann glaubt, dass seine eigenen Gänse Schwäne wären", bemerkte der Spielzeughändler achselzuckend. "Armer Teufel!"
Nachdem er sich mit unendlicher Verachtung dieser Bemerkung entledigt hatte, zog sich der alte Gruff & Tackleton zurück.
Bertha blieb, wo er sie verlassen hatte, vollkommen versunken in irgendwelchen Gedanken. Die Fröhlichkeit war aus ihrem nach unten geneigten Gesicht verschwunden, und es wirkte sehr traurig. Drei- oder viermal schüttelte sie den Kopf, als ob sie eine Erinnerung oder einen Verlust beklagen wollte; aber ihre kummervollen Überlegungen fanden keinen Ausdruck in Worten.
"Vater, ich bin so verloren in der Dunkelheit. Ich will meine Augen; meine geduldigen, willigen Augen."
"Hier sind sie", sagte Caleb. "Sie sind immer bereit. Sie gehören mehr dir als mir, Bertha, zu jeder der vierundzwanzig Stunden. Was sollen deine Augen für dich tun, meine Liebe?"
"Sieh dich um, Vater."
"In Ordnung", sagte Caleb. "Kaum gesagt, schon getan, Bertha."
"Erzähl mir, wie es hier aussieht."
"Es ist fast wie immer",