in sein Geburtshaus werfen, während sich die Mutter des Stars meistens in der Bügelkammer einschloss.
Nachdem Lukas sich zurückgezogen hatte, übernahm Vater Max Adelhofer die Führungen. Am Schluss verkaufte er im Erdgeschoss massenweise Poster von Robert und Pins mit dem Logo seiner Show.
»Mama, jetzt machst dir keine Sorgen wegen dem Lukas, der wird schon auftauchen, er is’ halt einfach nimmer so zuverlässig wie früher. Nachher bei der Pressekonferenz is’ er bestimmt da. Kannst es dir ja im Fernsehen anschauen, wennst magst.«
»Na, Bub, des mach ich lieber ned, weißt, ich mag halt ned an des denken von damals. Bist a guter Bub, ich bin stolz auf dich, wie du des gschafft hast mit dem Fernsehen.«
»Ja, ja, Mama, Servus, bis bald, gell, ich komm die Woch’ runter.«
Unglücklich legte Rosa Adelhofer den Hörer auf die Gabel und ging zurück in die Küche. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Sie wollte zwei Söhne mit netten Schwiegertöchtern, Enkelkinder, die bei ihr auf dem Schoß saßen und ihre Kuchen aßen. Stattdessen blieb ihr nur der Lukas, von dem sie nicht genau wusste, was eigentlich mit ihm los war – bloß, dass er viel trank und nichts mehr mit seinen alten Freunden aus Rosenheim zu tun hatte. Das erzählten sich die Leute beim Bäcker und beim Metzger im Dorf. Lukas selber kam kaum noch zu ihr in die Küche. Sie hörte ihn nur nachts oft. Dann stand er fluchend vor seiner Zimmertür im ersten Stock und bekam den Schlüssel nicht ins Schloss.
Und der Robert lebte sowieso weit weg da in München, arbeitete beim Fernsehen. Anscheinend war er richtig berühmt. Aber ihr Robert war er auch nicht mehr, die beiden Söhne hatten nichts mit den Buben gemeinsam, die früher zu ihr in die Küche gerannt waren und geschrien hatten:
»Mama, Mama, komm, erzähl uns a Gschicht.«
Auf der Bank vor dem Kachelofen saßen sie in die Kissen gekuschelt, Robert hatte sich – teilweise mit Gewalt – den besseren Platz erobert, und Rosa hatte erzählt, was ihr gerade eingefallen war, von Feen und Königen, von Drachen und Helden.
Rosa Adelhofer holte ein Taschentuch aus ihrer Schürze, wischte sich die Tränen ab und begann, einen Kuchen zu backen – wie immer, wenn ihr Leben dunkel war.
Dienstagnachmittag,
München Innenstadt
Danke, Birgit, dachte Katharina, als sie mit einem Glas Champagner in der Hand im gelben Salon des Hotels Bayerischer Hof stand, umgeben von lauter schönen, bestens gekleideten und maßlos wichtigen Menschen. Mit ihrer »Die kann man zu jedem Anlass tragen«-Jeans, dem Blazer und der Seidenbluse war ihr Outfit auf der Skala der auf dieser Veranstaltung vertretenen modischen Offenbarungen zwar relativ weit unten angesiedelt, aber zumindest noch im grünen Bereich. Der gelbe Salon war einer der vielen edlen Räume, die Münchens bekanntestes Luxushotel zu bieten hatte. Schwere gelbe Brokatvorhänge und französische Paneele wirkten auf Katharina wie aus der Zeit gefallen. Eher aus dem Jahr 2019 stammte das an einer Seite aufgebaute und bisher noch völlig unberührte Buffet. Die offizielle Buchvorstellung war zwar seit einer guten halben Stunde vorbei, jetzt wurde es allerdings für die meisten Journalisten erst richtig interessant.
Vorhin hatten sie alle nur dagesessen und Adelhofers kurzen Zitaten aus seinem Buch gelauscht. Glückliche, bayerische Kindertage, eiskalte Nächte in seinem einsamen Bergwinter im Bereich des Watzmann – genauer legte er sich zu seinem Aufenthaltsort nicht fest – und sein einziges großes Lebensziel: die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Das Ganze wurde garniert mit einführenden und abschließenden Worten von Manager Achim Wedel, die so salbungsvoll waren, dass Katharina den Eindruck gewann, Adelhofer solle als Mischung aus dem Papst, Reinhold Messner und Günther Jauch rüberkommen.
Achim Wedels Äußeres hingegen würde nach Katharinas Dafürhalten zu einem Zuhälter passen: blonde gegelte Haare, dicker Siegelring, satinglänzendes rosa Sakko.
Jedenfalls waren Adelhofer und sein Wedel umlagert von einer hin- und herwogenden Blase aus Kameras, Aufnahmegeräten und Mikrofonen. Katharina schaute sich die Hektik aus der Ferne an. Alle wollten die exklusive Aussage, das exklusive Bild. Und letztlich würde am nächsten Tag in jeder Zeitung dasselbe stehen, in jedem Fernsehsender dasselbe Bild gezeigt werden und in jedem Radiosender derselbe O-Ton kommen. Chancen auf die Exklusivstory würden nur die haben, die nachher am Buffet oder noch später nach drei bis vier Gläsern Sekt Adelhofer in ein Gespräch verwickeln konnten. Und genau das würde sie versuchen müssen, überlegte Katharina gerade, als sie das fleischgewordene Hindernis dieses Plans auf sich zusteuern sah. Horst Riebelgeber von der »Abendausgabe«, der Mann für alle Fälle von Münchens größter Boulevardzeitung.
Wenigstens nicht das graue Polyesterhemd, konstatierte Katharina und hoffte, dass der leichte Baumwollanzug, in den sich Riebelgeber zur Feier des Tages geworfen hatte, das Geruchsproblem, das er normalerweise für seine Umwelt darstellte, lindern würde.
»Man merkt eben, wer die echten Profis sind. Nur Anfänger stellen sich in den Pulk«, begrüßte Riebelgeber Katharina und zog das obligatorische karierte Stofftaschentuch aus seiner Hosentasche, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Das Haar klebte ihm fettig am Kopf und Katharina fühlte sich eingehüllt in eine Wolke aus »ungewaschen«, wie sie diese Duftmarke gerne beschrieb.
»Auf die eigentlich interessante Frage kriegen die sowieso keine Antwort«, sagte Riebelgeber mit einer wegwerfenden Geste in Richtung der Kollegen.
»Hm«, murmelte Katharina vage und versuchte, durch ein paar kleine Schritte rückwärts aus Riebelgebers Dunstkreis zu fliehen.
»Du glaubst doch nicht, dass die nur irgendeinem von diesen Lutschern erzählen, wo Lukas Adelhofer heute war. Der Mann hat Robert letztlich berühmt gemacht, hat für ihn Verträge mit Fernsehen und Printmedien abgeschlossen, hat alles für ihn getan und ist heute bei dieser Pressekonferenz nicht anwesend. Da muss ich nachher wohl dem Achim ein bisschen auf die Pelle rücken.«
Armer Achim, dachte Katharina.
»Wenn ich dem sage, was bei uns im Giftschrank für ein Artikel auf Veröffentlichung wartet, wird er bestimmt gesprächiger sein.«
»Was für ein Artikel?«, fragte Katharina scheinheilig und dankte insgeheim bereits Birgits Hacker-Fertigkeiten.
»Das musst du schon selbst recherchieren, der kleine Hinweis vom lieben Horst sollte genügen. Ich werde jetzt was essen.«
Tatsächlich war inzwischen die Journalisten-Fragestunde zu Ende und wurde von der Schlacht ums kalte Buffet abgelöst. Katharina entdeckte Robert Adelhofer bei der Sushi-Station. Ihre eigene Abneigung gegen rohen Fisch musste sie ignorieren. Sie drängelte sich durch das Gewühl, um einen Platz in Adelhofers Nähe zu ergattern. Nachdem sie einer Blondine aus Versehen auf den Fuß getreten war und die daraufhin einen spitzen Schrei ausstieß, hatte Katharina ihr Ziel unfreiwillig erreicht: Alle Umstehenden inklusive Robert Adelhofer drehten sich nach ihr um. Er musterte sie mit einem interessiert-süffisanten Lächeln und steuerte mitsamt seinem Sushi-Teller auf sie zu. »Frau Langenfels, wie schön, ich hatte gehofft, dass Sie kommen würden. Allerdings hätte ich nicht vermutet, dass Sie sich in die Niederungen der Lebensbeichte eines Buben aus den Bergen begeben, als seriöse Journalistin. Freut mich natürlich sehr!«
Adelhofer kannte sie also, vermutlich von der Medell-Sache. Die Blondine warf giftige Blicke zu ihr herüber. Adelhofer sah das und drehte ihr den Rücken zu. »Kommen Sie, Frau Langenfels, das reicht für zwei. Begleiten Sie mich nach nebenan, da haben wir unsere Ruhe.«
Adelhofer steuerte auf eine kleine Tür direkt hinter dem Buffet zu, die von einem Sicherheitsbeamten bewacht wurde. Der ließ ihn sofort durch und verzog keine Miene, als Adelhofer mit einem genuschelten »die Dame gehört zu mir« Katharina hinter sich herlotste.
Die Tür fiel ins Schloss und Katharina befand sich allein mit Robert Adelhofer in einem kleinen Raum, der sie an ihre einstige Lieblingsfernsehserie »Das Haus am Eaton Place« erinnerte. Schwere, braune Ledersessel, ein Kamin mit einem sicherlich nicht billigen Perserteppich davor, riesige Ölgemälde an den Wänden und dieselben Brokatvorhänge wie im Gelben Salon. Es fehlte nur noch der Butler Hudson, der mit würdigem