Frank Wilmes

Ein letzter Frühling am Rhein


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      Frank Wilmes

      Ein letzter Frühling am Rhein

      Kriminalroman

      Zum Buch

      Seelentod Kilian Stockberger, Leiter der Mordkommission Düsseldorf, und sein Team, ermitteln im Fall eines getöteten Models. Das populäre Werbegesicht lebte in einem Luxusdomizil am Rhein. Intensive Gespräche mit Nachbarn, Freunden und Personen aus ihrem beruflichen Umfeld zeigen den Beamten das Psychogramm eines Menschen auf, der zwischen Melancholie und Promi-Partys schwebte. Wem vertraute die Tote? Und wie gingen ihre Vertrauten damit um? Die Modewelt – eine verworrene Gesellschaft aus Wahn und Selbsterhöhung, aus frivolem Bürgertum und Boheme. Kommissar Stockberger ermittelt in einem mondänen Umfeld. Dabei schaut er in den Abgrund einer zerstörten Seele und gerät einem unglaublichen Mysterium auf der Spur. Doch erst der Hinweis eines Zeugen weist ihm den richtigen Weg und führt zu einem dramatischen Finale – an einem erstaunlichen Ort.

      Frank Wilmes stammt aus dem Münsterland, dem Land der Bauernhöfe und Springreiter, der Schwarzbrote und Schinken, an der Kante zu Niedersachen und Holland. Seit mehr als 30 Jahren lebt er in Düsseldorf – eine Kunst- und Modestadt mit internationalem Flair, die sich selbst aber nicht so wichtig nimmt. Er hat als Regierungskorrespondent und als Wirtschaftsjournalist Staatschefs und Wirtschaftsführer kennengelernt, über sie Reportagen geschrieben und mit ihnen Interviews geführt. Privat beschäftigt er sich seit vielen Jahren mit den Launen des Zeitgeistes und mit der Geschichte der Klöster. Daraus entstand die Idee für seinen Krimi „Ein letzter Frühling am Rhein“.

      Impressum

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      sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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      Alle Rechte vorbehalten

      Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

      Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

      Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

      unter Verwendung eines Fotos von: © cydonna / photocase.de

      ISBN 978-3-8392-6732-5

      Zitat

      »So geht es all denen, die aus dem einsamen und beschaulichen Leben heraustreten und in Städten unter Menschen leben wollen, die von grenzenlosem Bösen erfüllt sind.«

      Leonardo da Vinci

      1.

      Das Gewölbe der Kirche umschloss sie wie ein finsteres Zelt, und sie hatte den Eindruck, dass es nach Mittelalter roch, nach Hexen und Scheiterhaufen.

      Sie zog ihre Lippen dunkelrot nach, prüfte die Kontur in ihrem Spiegel und holte aus ihrer Imitat-Gucci-Tasche ein Papiertaschentuch, das sie in ihren Handballen drückte. Später säuberte sie mit einem feuchten Tuch für Baby-Popos ihre von Pfützen verschmierten Sneakers aus glattem Leder und schlug den Kragen ihrer Jacke hoch, weil sie glaubte, der Teufel könnte ihr in den Nacken springen.

      Die Kerzen vor dem Bild einer erstaunlich faltenfreien Mutter Gottes vollzogen ungerührt ihren Dienst. Sie leuchteten zart für reichlich Mystik: Licht bedeutet Leben. Was hell erscheint, kann nicht böse sein. Nur in der Düsternis versteckt sich das Böse.

      Sie kniete.

      Sie faltete die Hände.

      Sie hatte Angst, in den Beichtstuhl zu gehen.

      Der Gedankenstrom kollabierte. Alles Denken, Träumen, Ahnen, Staunen und Verzweifeln gingen über- und durcheinander.

      »Ich kann nicht mehr.«

      Sie atmete tief, aber hektisch, dann stöhnte sie mit leiser Stimme.

      »Mein Gott, wer bin ich?

      Mein Gott, was erwartest du von mir?

      Mein Gott, habe Erbarmen mit mir.«

      Der Beichtstuhl war frei.

      Der Pfarrer war bereit.

      Sie kniete noch immer.

      Die aschgrauen Wolken hingen tief im Himmel und zogen wie eine müde Elefantenherde weiter. Für einen Moment fand die Sonne eine Lücke. Sie erhellte die farbigen Kirchenfenster und rückte deren Figuren und Motive bedeutungsvoll in den Vordergrund.

      Jesus, der für uns Blut geschwitzt hat.

      Jesus, der für uns gegeißelt worden ist.

      Jesus, der für uns gekreuzigt wurde.

      Der Organist übte für den nächsten Sonntagsgottesdienst. Die Pfeifen der Orgel trugen die Töne bis auf den Burgplatz, feierlich heiter und herausfordernd klar. Eine Musik, die nicht unterhalten wollte, sondern für einen höheren Sinn erdacht war. Zum Ruhme des Herrn.

      Sie summte den Tönen hinterher.

      Großer Gott, wir preisen dich.

      Wir huldigen deine Güte.

      Holst uns aus Sünde und Verdammnis.

      In alle Ewigkeit.

      Eine frierende Einsamkeit durchzog ihren Geist, der Trost hatte ausgespielt, die Hoffnung war nicht mehr zu hören. Das Leben versank ins Innere, tief und tiefer, als würde sie in einen Brunnen fallen und den Wind des Fallens spüren.

      »Finde ich dort mein Glück?«

      2.

      Die zarte Frühlingssonne lugte über die Häusergipfel, als sie vor der mit Alu verkleideten Eingangstür standen. Keine Seiten- oder Blickfenster. Keine Klinke. Keine Briefkästen. Keine Namensschilder von den Bewohnern. Nur eine Klingel, die in einen Messingrahmen neben dem Eingang eingelassen war. Eine herzliche Anmutung mit einladendem Charakter sollte dieser Eingang auf gar keinen Fall vermitteln. Könnte diese Tür sprechen, sie würde sagen: Kommt mir nicht zu nahe.

      Das Gebäude mit seinen schmalen und hohen Fenstern im massiven Mauerwerk grober, vierkantiger Steine war mindestens 200 Jahre alt. Ein paar Schritte um die Ecke verlief im Mittelalter die schützende Stadtmauer von Düsseldorf. Von außen betrachtet nur ein schlichter Bau ohne jeden kreativen Blitz. Kein Erker. Kein Türmchen. Kein Platz für das Vergeuden von Quadratmetern. Funktional ehrlich. Über dem Eingang waren mit scharfem Blick noch die verwitterten Buchstaben aus Stein in geschlungener Schrift erkennbar:

      Ich war fremd und

      ihr habt mich aufgenommen.