letztes Jahr, im Grunde genommen früher, fällig gewesen. Frederic hatte resigniert genickt. Als wenn dies nicht schon genug wäre, rief ihm Angelika zu: »Ach, noch was!«
Auweia, jetzt kommt’s, befürchtete Frederic nicht zu Unrecht, weil er seine Partnerin allzu gut kannte. Wenn er geglaubt hatte, mit der Essenseinladung ihr einen Gefallen getan zu haben, würde er sich gleich getäuscht sehen, weil sie anderen eine Freude bereiten mochte. »Was ist denn, Schatz?«, antwortete er in schrecklicher Vorahnung kleinlaut.
»Wegen der Aufregung um die neue Leiche hatte ich ganz vergessen, dir zu sagen, dass Bert heute Geburtstag hat und uns …«
»Olbrich?«, schoss es entsetzt aus Frederic heraus.
»Welchen Bert kennst du sonst noch? Natürlich meine ich Eleonores Mann.« Bevor Angelika berichten konnte, dass sie am Abend von Bert zu einem kleinen Umtrunk eingeladen waren, warf Frederic hastig ein, dass er im Restaurant »Rosen« bereits einen Tisch reserviert hatte.
»Gut! Sehr gut sogar!«, kam es zu Frederics Verwunderung sofort zurück. »Dann ruf ich dort an und teil den Wirtsleuten mit, dass wir zu viert sind.« Kaum hatte Angelika dies ausgesprochen, suchte sie auch schon über ihr iPhone die Telefonnummer des Restaurants heraus. »Na also … Bonjour, Madame, hier Dr. Laefers aus Aachen. Auf den Namen Le Maire müssten für heute Abend zwei Plätze reserviert sein! … Ja, ich warte.«
In was habe ich mich da nur wieder reingeritten, seufzte Frederic in sich hinein.
»Was? Es liegt keine Reservierung vor?« Angelika schaute Frederic fragend an, der tat so, als würde er sich wundern. »Haben Sie denn vier Plätze frei? … Ja, ich warte wieder.«
Während die Wirtin gute 90 Kilometer entfernt checkte, ob Plätze zur Verfügung standen, nahm Angelika sich Frederic zur Brust. Sie ahnte, dass es kein Versehen des Lokals war, dass von Frederics Reservierung nichts bekannt war. »Du hast überhaupt keinen Tisch für uns zwei bestellt, stimmt’s?«, schnauzte sie ihn an.
»Aber ich wollte es heute Morgen machen, glaub mir bitte. Allerdings habe ich es dann – wie du Berts Einladung – wegen unseres neuen Falls schlicht und einfach vergessen. Es tut mir …«
»Ja, ich höre«, unterbrach Angelika mit einer erhobenen Hand, weil die Wirtin wieder dran war. »Super! … Was? … Auf den Namen Le Maire, Frederic Le Maire.« Sie schaute den Kommissar streng an, sprach dabei aber ohne Unterbrechung weiter. »Alles klar? … Dann also bis 19 Uhr. Ich danke Ihnen.«
»Da hast du noch mal Glück gehabt, mein Schatz!«, hauchte sie ihm trotz gefährlich blitzender Augen zu und streifte ihren Arztkittel ab. »Ich mache heute etwas früher Feierabend, Jussuf!«, rief sie ihrem Assistenten zu, bevor sie sich bei Frederic einhakte und ihn nach draußen zog.
Was kam, war zumindest aus Frederics Sicht kaum auszuhalten. Anstatt wie gehofft mit Angelika in Berts nagelneuem BMW hinten zu sitzen, musste er neben dem Piloten auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Und dies hatte er Angelika zu verdanken, die während der Fahrt neben Eleonore sitzen wollte, damit sie sich mit ihr unterhalten konnte. Zuvor hatte sie sich vehement dagegen gesträubt, in Frederics mintfarbigen Citroën einzusteigen. Weil ihr kleiner Flitzer aber nur für zwei Personen Platz hatte, war Bert in die Bresche gesprungen und hatte angeboten, sein erst eine Woche altes »Wunderwerk der Computertechnik« zur Verfügung zu stellen.
»Mein bayerischer Freund braucht Bewegung!«, hatte er zu Angelika gesagt, nachdem Eleonore das Telefon an ihn weitergereicht hatte.
Berts großzügiges Angebot beinhaltete detailgenaue Erklärungen zu allem, was sein BMW konnte. Und Berts Neuerwerbung konnte weiß Gott viel, zu Frederics Leidwesen sogar zu viel. Dies nervte den Polizisten umso mehr, weil er mit der Computertechnik von Autos nichts am Hut hatte. Doch es nützte nichts; er musste sich die »Vorlesung« des Psychologieprofessors während der gesamten Stunde anhören, die sie von Aachen aus bis nach Burg-Reuland benötigten. Wie gerne hätte Frederic auch etwas von seiner 40 Jahre alten französischen »Göttin« erzählt, anstatt dem selbstgefälligen Geschwafel des allwissenden Angebers zuzuhören. Aber er hatte nicht die geringste Chance, Bert mitzuteilen, wie er an den alten Citroën gekommen war und was der alles konnte.
*
Kaum dass sie das Restaurant »Rosen« betreten und ihre Plätze eingenommen hatten, wurde ihnen von einem freundlichen Ober die Karte in die Hände gedrückt. »Einen Aperitif, die Herrschaften?«
Das geht ja schon wieder gut los, dachte sich Frederic und orderte trotz Angelikas scharfem Blick ein Bier.
Während sich die anderen Entenbrust, Scampi, Steinbutt oder Wachtelschenkel schmecken ließen, mochte es Frederic der Jahreszeit und seinem Naturell entsprechend eher etwas rustikaler. Also bestellte er sich zuvor ein Assortiment (»Wie sich das schon anhört!«) von herbstlichen Waldpilzen in Blätterteig an Kräuter-Knoblauch-Creme und als Hauptgang ein Steak vom Hirsch mit Saisonfrüchten und Wintergemüse. »… aber bitte mit Fritten!«
Angelikas neuerlich tadelnden Blick ignorierte Frederic. Stattdessen tupfte er sich ganz nonchalant den Mund ab und stand auf. »Entschuldigt mich bitte!«
Während sich die Frauen angeregt unterhielten, kam Bert ausnahmsweise einmal nicht zu Wort. Solange Frederic weg war, blieb ihm nichts anderes übrig, als zuzuhören, wie Eleonore ihrer Freundin vom Restaurantumbau am Münsterplatz berichtete. Als sie Angelika von ihrem »tollen« Auftraggeber vorschwärmte, begann es in Bert zu brodeln. »Stell dir vor, wen ich getroffen habe, als ich mit Louis van Basten im ›Domkeller‹ gewesen bin …«
»Wen? – Nun sag schon«, drängte Angelika.
»Kannst du dich an mein Au-pair-Mädchen erinnern?«
»An Nashwa? Klar kann ich mich an das süße Mädchen erinnern!«
»Ja?« Eleonores Augen strahlten freudig. »Nashwa und ich haben ausgemacht, dass wir uns morgen in aller Ruhe auf ein Schwätzchen treffen. Nur wir zwei!«
Aber anstatt sich über Nashwa zu erkundigen, stockte Angelika. Sie war nervös geworden. Unruhig schaute sie sich um. Sie wunderte sich darüber, dass Frederic so lange auf der Toilette war. Als er nach ein paar weiteren Minuten immer noch nicht zurück war, entschuldigte sie sich bei den Olbrichs und stand auf, um ihn zu suchen. Nachdem sie erfolglos an die Toilettentür geklopft hatte, ging sie nach draußen, wo sich ein paar Raucher um einen Aschenkübel herum zusammengefunden hatten. Frederic war nicht dabei. Nunmehr gänzlich beunruhigt, eilte sie in den Flur zurück. Da hörte sie um die Ecke Stimmen. Das ist er, dachte sie zunächst erleichtert. Und die andere Stimme kenne ich vom Telefon. Aber was hat Frederic mit der Wirtin zu schaffen? Verheimlicht er mir etwas? Derart getrieben, konnte sie es nicht lassen, die beiden zu belauschen. Leider bekam sie nichts mehr vom Gespräch mit, weil ausgerechnet in diesem Augenblick Bert auf sie zukam und wissen mochte, was sie hier im Flur tat und wo Frederic sei.
Kurz darauf hatten sich alle wieder an ihrem Tisch eingefunden. Während Bert das Wort an sich gerissen hatte und auf Frederic einredete, suchten Angelikas Augen den Blick ihres Partners. Die erregte Frau hoffte, etwas daraus lesen zu können. Aber Frederic schien sich keiner Schuld bewusst zu sein. Jedenfalls verhielt er sich wie immer, wenn sie mit den Olbrichs zusammen waren: Er hörte Bert mehr oder weniger geduldig zu.
Eleonore fragte ihre Freundin, ob sie nun von Nashwa weitererzählen dürfe.
»Ja! Selbstverständlich! Was ist aus der kleinen Maus geworden?«
»›Kleine Maus‹? Von wegen …«
Während sich die beiden Damen ein Glas des neu eingetroffenen Vincent Lamboureux gönnten, eines exzellenten Champagner Pinot Noir Blanc de Noirs, blieb Frederic trotz mehrmals hartnäckiger Nachfrage des Obers beim Bier und Bert wegen des Fahrens beim obligatorischen Mineralwasser.
Schon etwas angesäuselt war Eleonore wieder auf ihr aktuelles Einrichtungsobjekt gekommen. In einem wahren Wortschwall erzählte sie derart detailgenau vom künftigen Restaurant »Zur Goldenen Madonna«, dass Frederic und Angelika glaubten, Bert zuzuhören. Dies änderte aber nichts daran, dass die beiden überaus interessant fanden, was Eleonore berichtete. Frederic