den Meister Gerhard wieder. Hinweise auf den französischen Ursprung der Baupläne passen wohl nicht so gut in die politische Landschaft.
»[…] sollte dieser ganz aus Quadern auszuführende Bau 500 Fuß lang, im Schiff und Chor 180 Fuß, im Kreuz 290 Fuß breit werden, bis zum Dachfirst über 200 Fuß Höhe, und neben seinem Hauptportale zwei Türme von mehr als 500 Fuß erhalten.
Schon die gleich folgenden Zeiten waren wegen innerer Zerwürfnisse aller Art dem Bau nicht günstig, doch konnte im Jahre 1322, also vierundsiebzig Jahre nachdem der erste Grundstein gelegt worden, am siebenundzwanzigsten September der hohe Chor eingeweiht werden.
Die Säulen des Kreuzes wurden dann bis zu den Kapitellen der Seitenschiffe ausgeführt, die Tür zu dem nördlichen Kreuzflügel wurde angelegt, und am Schiffe und an den Türmen, besonders an dem südlichen, gearbeitet, der im Jahre 1437 bis zum dritten Geschoss fertig war, so dass die neuen Glocken in denselben versetzt werden konnten […]«
Eichendorff betrachtet eine Radierung, auf der die Bauruine zu sehen ist. Sieht schon traurig aus, der Bau! Der nördliche Turm ist nur ein Stumpen, wirkt, als wenn er in sich zusammengeschrumpft wäre.
»[…] es ist derselbe, welcher den Kran, seit Jahrhunderten ein Wahrzeichen Kölns, trägt. Im Jahre 1735 wurden zwei von den drei über der Orgel befindlichen Giebelfenstern vermauert; von 1739 bis 1742 wurden mehrere den Dächern und Gewölben gefahrdrohende Turmpyramiden ausgebessert oder auch ganz abgetragen und mit ähnlichen Ausbesserungen wurde in den Jahren 1748–1751 und 1788–1790 fortgefahren.«
So, denkt sich Eichendorff, jetzt wird es Zeit, politischer zu werden und die nationale Bedeutung des Bauwerkes herauszustellen.
»Am schlimmsten wirkte sich in diesem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts bei dem Kölner, wie bei fast allen altdeutschen Domen, der damalige sogenannte feinere italienische Baustil aus, der die wenigen verwendbaren Summen für ganz unpassende Verzierungen benutzte. Dann kam mit den französischen Kriegszügen eine schwere Zeit, in welcher während der Jahre 1769–1797 der Dom als Heumagazin diente. In der ganzen Epoche der nun folgenden französischen Herrschaft wurde nur ein Kostenanschlag über die notwendigsten Dachausbesserungen aufgestellt.«
Jawohl, erst bekommen die Italiener, dann die Franzosen ihr Fett ab. Das wird den König freuen! Der Dom, eine französische Scheune!
»So stand es um dieses kunstreiche, ehrwürdige deutsche Bauwerk, als das Rheinland von den Preußen besetzt wurde.«
Moment, stopp, so kann er das unmöglich lassen, »von den Preußen besetzt«, nein, das klang nicht gut. Wer lässt sich schon gerne besetzen? Eine angenehmere Formulierung muss gefunden werden. Hm, wie wär’s damit?
»So stand es um dieses kunstreiche, ehrwürdige deutsche Bauwerk, als das Rheinland mit der preußischen Monarchie verbunden wurde.«
Seltsam, zwar freuten sich die Rheinländer über den Abzug der Franzosen, aber mit den neuen preußischen Herren fremdelten sie noch. Das braucht seine Zeit, denkt sich Eichendorff. Auch in seiner Heimat, dem katholischen Schlesien, hat es eine Weile gebraucht, bis man sich an die Preußen gewöhnt hatte. Jetzt noch ein Hinweis auf den großen preußischen Architekten, der halb Berlin gebaut hatte.
»In welchem Umfang ein Ausbesserungsbau erforderlich sei, ergab sich erst nach wiederholten Untersuchungen, welche von unserem verewigten Schinkel mit ebenso großem Fleiße als eindringender Sachkenntnis vorgenommen wurden. Berechnungen ergaben, dass für die Vollendung des Bauwerks mit Kosten in Höhe von insgesamt fünf Millionen Talern zu rechnen ist. Zur Verwirklichung dieses Planes haben Seine Königliche Majestät schon durch die Allerhöchste Kabinettsorder vom sechsten November 1841 nicht nur für das Jahr 1842 eine außerordentliche Beihilfe von fünfzigtausend Reichstalern bewilligt, sondern auch Allerhöchstige Geneigtheit zu erkennen gegeben, für die folgenden Jahre ebenfalls einen jährlichen Zuschuss von dreißigtausend bis fünfzigtausend Talern zur Verfügung zu stellen, in der Erwartung, dass die von Einzelnen und Vereinen erfolgte Spendenbereitschaft auch weiter anhält.«
Ja, der König! Er hat durchaus etwas übrig für die Kunst, ohne Zweifel! Da fällt Eichendorff ein, er wollte ihm doch noch einen seiner Gedichtbände zuschicken:
Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müsst.
Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.
Das wird dem König gefallen. Noch einige wohlklingende Widmungsworte, dann aber kommt der Taugenichts wieder an die Reihe!
Der Taugenichts erschien 1826 in der Berliner Vereinsbuchhandlung. Eichendorff weilte erstmals im Winter 1809/10 in Berlin. Ab 1831 wohnte er mit seiner Frau und drei Kindern zunächst in der Potsdamer Straße 41 (heute 102), ab 1839 in der Bellevuestraße 7 und in einem Gartenhaus Am Karlsbad 4, nahe der heutigen Staatsbibliothek. 1841 ging es in die Tiergartenstraße 5. Die Häuser sind zerstört und überbaut, das Denkmal vor der Eichendorff-Schule ist frei zugänglich. Ein weiteres Kunstwerk findet sich im Treppenhaus West. Schülerinnen und Schüler haben Joseph Eichendorff viele hundert Mal mit dem Bleistift porträtiert, diese Zeichnungen wurden wie Mosaiksteine zu einem großen Porträt des Dichters zusammengesetzt. Unbedingt sehenswert!
Eichendorff-Denkmal
Goethestraße 19–24
10623 Berlin
Das richtige Mitbringsel
10 Fabrik der Königlichen Porzellanmanufaktur (Charlottenburg, nahe Tiergarten)
Als unsere Eltern Ende der 1960er-Jahre von einem Berlin-Wochenende zurückkamen, brachten sie uns einen gelben Doppeldeckeromnibus mit, der zum Stolz unserer Modelleisenbahnlandschaft avancierte. Über die grüne Rauhaarwiese beförderte er die Passagiere der kleinen Bahnstation zum Berggasthof und brachte echten Großstadtflair in das triste Landleben.
KPM-Porzellanschale
Hat man Kinder zu beschenken, ist der Berliner Omnibus sicherlich immer noch eine gute Idee. Was aber bringt man jungen Leuten mit, die heute doch alles schon haben? Einen Berliner Stoffbären? Das Brandenburger Tor in der Schneekugel? Ein Brösel von der Berliner Mauer, in Gold gefasst?
KPM-Quartier
Entscheiden Sie sich anders. Fahren Sie zum Charlottenburger Tor an der Straße des 17. Juni, in der Nachbarschaft befindet sich KPM, die Königliche Porzellan-Manufaktur. Edle Sachen gibt es hier zu kaufen, den Schinkelkorb zum Beispiel, farbig dekoriert schon für schlappe 15.000 Euro zu haben. Aber natürlich gibt es auch günstigere Porzellankunst, am witzigsten und originellsten die Currywurstschale. Über dieses Mitbringsel freut sich jeder Liebhaber der gehobenen Straßengastronomie. Gekonnt wurden die gewellten Ränder der Pappschachtel von den KPM-Designern nachgeformt, jede Currywurst wird vor Vergnügen platzen, in eine solch edle Schale gelegt zu werden. Natürlich könnte ein Purist einwenden, eine echte Currywurst gehöre in echte Pappe. Porzellan in Wellen zu legen, sei zudem ein Verstoß gegen jedes Formprinzip, die Wellen gäben nur gepappt einen Sinn, weil ungewellte Pappe nun mal nicht stabil sei, Porzellan hingegen schon. Diesen Einwand finde ich kleinlich, besonders zum Ende der Mahlzeit hin. Schon als