Diana Schmid

Chill Work Pray


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meist in Schwarz und relativ verhüllt. Auf dem Acker hingegen sieht man sie in Zivil, da arbeiten sie ganz normal. Ich habe das bei Benediktinerinnen erlebt. Sie kümmern sich um Gemüseanbau, pflanzen Kräuter an, pflegen Blumen und kümmern sich um Grünflächen und den Baumbestand. Es gab noch andere Arbeitsbereiche. Eine Schwester war zuständig für die Gäste und deren Empfang, für An- und Abreisemodalitäten oder auch sonst für Fragen zum Aufenthalt. Dafür gab es ein Zeitfenster am Vormittag. Natürlich lag dieses außerhalb der gemeinsamen Gebetszeit. Eine andere Schwester war im kleinen Buchladen tätig, der mit auf dem Klosterhof gewesen ist. Wiederum eine andere Schwester war künstlerisch mit Restaurationen beschäftigt. Einige der Benediktinerinnen haben auch Kurse und Workshops für ihre Gäste gegeben, hatten für gleich mehrere Tage Gruppen zu begleiten, flankiert von den gemeinsamen Gebetszeiten. Auf individuelle Anfrage konnte man um Seelsorge- und Beratungsgespräche bei der ein oder anderen Benediktinerin bitten. Klar erkennbar war, dass so eine Gemeinschaft zurückgezogen lebt – aber zugleich, und das fand ich schön, ist sie nicht abgeschottet von der Außenwelt und kennt irdische Belastungen und Verpflichtungen. Beides gehört für sie in ihrem Klosterleben dazu. Beides verbinden sie auf eine gute Weise. Die Reihenfolge dort leitet sich stets von den gemeinsamen Gebetszeiten ab. Alles ordnet sich diesen unter. Zum gemeinsamen Beten, das sich Stundengebet oder Tagzeitengebet nennt, trifft man sich mehrfach am Tag in der Klosterkirche oder Kapelle. Der Tag wird immer wieder dafür unterbrochen. Los geht das schon sehr früh mit einer Art Frühandacht, später folgt mit der „Laudes“ das Morgengebet, mittags das Mittagsgebet. Wenn der Tag sich langsam seinem Ende zuneigt, folgen das Abendgebet „Vesper“ und in Richtung Schlafenszeit schließlich die „Komplet“. Das ist die Richtschnur und der rote Faden, nach dem sich alles, wirklich alles andere ableitet. Was kann das für uns bedeuten, wie können wir uns dieses Prinzip für unseren ganz irdisch gelagerten Alltag zunutze machen? Drehen wir den Spieß einfach um. Unser moderner Alltag, der sich normalerweise außerhalb von Klostermauern abspielt, folgt irdischen Prioritäten: Wir stehen auf, machen Frühstück für uns und die uns Anvertrauten. Wir kümmern uns um den Haushalt. Oder wir gehen an unsere Arbeitsstelle, ins Büro, in die Schule, an die Uni. Viele müssen sich einen Kopf um Haushalt und Arbeit machen, wie sie beides unter einen Hut bekommen. Natürlich gibt es Termine und Uhrzeiten, die wir im Laufe eines Werktages einhalten müssen. Das können Öffnungszeiten von Kita, Kindergarten oder Schule sein, wenn wir unsere Kinder dort hinbringen müssen. Oder es sind Start- und Endzeiten unserer Arbeit. Sicherlich kommen dann und wann noch Arzttermine hinzu oder der Wocheneinkauf steht an. Ebenso muss man mit dem Hund Gassi gehen. Das ist quasi unser Kernablauf, geprägt von solchen weltlichen Dingen, die für uns wichtig sind und um die wir uns zu kümmern haben. Wie wäre es nun, wenn wir das als Grundstruktur hinnehmen würden und ringsherum Gebetszeiten wie Blümlein einstreuen? Also immer wieder einen kleinen Freiraum dranpuzzeln fürs Gebet. Etwa vorm Frühstück. Oder danach. Wenn wir uns auf dem Weg in die Arbeit befinden. Statt verschlafen in der U-Bahn zu sitzen, könnten wir genauso gut beten. Wir können uns einen Stundenplan kreieren, in den wir zunächst unsere Pflichttätigkeiten eintragen. Und anschließend oder immer wieder zwischendurch kommt die Kür – das Beten. Wo könnte es reinpassen? Vielleicht jeweils im Übergang von einem Ereignis zum nächsten? Während der Wegstrecken? Oder lieber eine Viertelstunde länger beim einen verweilen, um dort in Ruhe zu beten? Wenn man so einen Plan vor sich liegen hat, kommt man nochmals auf andere Ideen, erkennt Lücken und Möglichkeiten. Wir können dann erfinderisch werden, ausprobieren, wann wir mal kurz beten könnten. Wann immer wir Kirchenglockengeläut hören, können wir ein Gebet sprechen – welch schöner Reminder im weltlichen Alltag. Die Glocken wollen zum Gebet rufen – zurückholen zum Wesentlichen. Folgen wir diesem Ruf. Gehen wir mit einer betenden Lebenshaltung durch unseren Alltag. Das geht auch ohne Händefalten. Das Geheimnis liegt in folgender Weisheit: Das eine tun und das andere nicht lassen – Ora et labora als Lebenshaltung. Nicht Entweder-Oder, sondern die Verbindung aus beiden Welten leben – im Jetzt und im Hier und im Nachher und im Später. Und wenn es läutet, dann noch einmal mehr.

       Marta und Maria in uns

      Im Lukasevangelium lesen wir, dass Jesus einmal unterwegs gewesen und dann eingekehrt ist bei einer Marta. Dort bei Marta im Haus war auch ihre Schwester Maria anwesend. Marta meinte es gut und wollte Jesus besonders fürsorglich dienen. Also hatte sie in der Küche jede Menge zu tun. Maria hingegen schenkte in dieser Zeit ihre volle Aufmerksamkeit Jesus, hörte ihm zu. Läuft hier aus unserer Sicht etwas verkehrt? Gibt es eine gefühlte Schieflage? Kennen wir solche Situationen? Die eine rackert sich im Haushalt ab, wenn Besuch kommt, die andere ist fein raus und betreut die Gäste. Nun gut, irgendwie muss Marta bemerkt haben, dass sie ganz schön viel zu tun hat – allein in der Küche. Deshalb ging sie zu Jesus. Sie war irritiert, fragte ihn, ob es ihn denn gar nicht kümmere, dass ihre Schwester Maria ihr die ganze Arbeit allein überlassen würde. Von ihrer Schwester hätte sie sich Hilfe erwartet. Stattdessen saß diese bei Jesus, scheinbar untätig. Jesus sagte sinngemäß, dass Marta sich unnötig einen Kopf machen würde, er sprach von „Sorgen und Mühen“. Doch nur eine Sache sei notwendig. Er verwies darauf, dass Maria sich für den „guten Teil“ entschieden, „die richtige Wahl getroffen“ habe.

      Mir geht es so, dass ich diese Begebenheit mit Marta, Maria und Jesus nur in Ansätzen verstehen und nachvollziehen kann. Wenn man davon hört, denkt man nach menschlicher Denke, dass Marta doch im Recht sei. Sie rackert sich ab, macht und tut, rödelt in der Küche, um ein gutes Essen zur Stärkung und als Geste der Gastfreundschaft vorsetzen zu können. Schließlich hat sie Jesus bei sich zu Gast! Wenn man solch ein Essen allein zuzubereiten hat, wünscht man sich schon helfende Hände herbei. Und dann sitzt Maria einfach nur herum – Jesus zu Füßen. Hört ihm zu. Macht in der Küche keinen Finger krumm. Klar kommt man da zunächst auf dumme Gedanken. Die eine plagt sich mit Küchenarbeit ab, die andere hockt gechillt beim Gast. Doch im Grunde geht es eigentlich um die richtige Herzenshaltung, mit der wir Dinge tun, mit der wir Menschen in unserem Zu Hause und unserem Umfeld begegnen. Jesus hat wohl bemerkt, dass nicht nur Marta sich für ihn in der Küche ins Zeug legte, sondern dass auch Maria für ihn da war und seinen Worten ganz aufmerksam zuhörte. Wenn wir unser Leben als Gebet betrachten, können wir alles aufrichtig und mit der richtigen Haltung tun. Das heißt nicht, dass wir uns ausnützen lassen oder dass immer wieder wir diejenige sein müssen, die allein in Küche und Haushalt kämpft. Doch vielleicht heißt es, dass es auch noch andere Dinge gibt, die wichtig sind. Nicht nur die Plackerei. Dass wir für Gott und andere auch dann wertvoll sind, wenn wir nicht hart arbeiten. Wenn wir einfach mal nur dasitzen, uns entspannen, jemandem zuhören. Wenn wir aufhören mit der Betriebsamkeit. Uns auf unser Gegenüber und den Moment fokussieren. Unser Herz dafür öffnen.

      Wir alle haben Anteile von Marta und Maria in uns. Mal hören wir lieber intensiv zu, dann bereiten wir voller Tatendrang ein schönes Drei-Gänge-Menü. Alles soll gelingen und gut von der Hand gehen. Damit wir später beim gemeinsamen Essen harmonisch beisammensitzen und die gemeinsame Zeit genießen können. Doch das geht nicht, wenn wir einen Groll in uns tragen. Wenn uns zuvor der Küchenkoller gepackt hat. Wenn wir bei der Essenszubereitung mit einer harten Herzenshaltung am Start gewesen sind. Dann werden wir später beim Essen nicht entspannt sein. Deshalb ist mein Verständnis dieser Geschichte, dass wir mit einer guten Haltung ans Werk gehen sollten, mit einer Art betenden Haltung als Basis für alles. Mit einem Ohr bei Gott und einem Ohr bei uns wissen wir, was wir leisten können und wann wir Ruhe brauchen. Dann sind wir auch in einer guten Ausgangsposition, um anderen Menschen Gutes erweisen zu können – dies eben dann, wenn wir selbst dazu in der Verfassung sind. An manchen Tagen sind wir die fleißige Biene, die Arbeiterin, die Macherin und Anpackerin vor dem Herrn. An anderen Tagen stünde uns die Rolle der Zuhörerin, der Rumhockerin oder gar Nichtstuerin besser zu Gesicht. Wobei in diesen scheinbaren Nichtstun-Momenten viel geschieht. Das ist keine sichtbare Bewegung nach außen, doch im Innen bewegt sich dabei viel, formiert sich, setzt sich neu zusammen, hält uns beisammen. Wenn wir beten, dann haben wir diese Ruhe und Bewegung nach innen – zusammen mit der wichtigen Anbindung an Gott. Mit solch einer Innenschau werden wir wieder stärker für unser Tun im Außen. Bei alledem ist es am schönsten, wenn eine betende Grundhaltung mitschwingt. Diese lässt uns unsere Aufgaben in einer für uns und Gott stimmigen Frequenz erledigen und stimmt uns gleichermaßen immer wieder neu, wenn wir mal aus dem Takt geraten sein sollten.