dass ihr Gesicht von einem Augenblick zum anderen fast vollständig die Farbe verlor.
"Warum fragen Sie mich das, Mister..."
"Trevellian", vollendete ich. Sie war offensichtlich von einem Moment zum anderen derart durcheinander, dass sie meinen Namen innerhalb weniger Augenblicke wieder vergessen hatte.
"Weil Sie mit einem der beiden telefoniert haben, kurz bevor er starb..."
Sie schluckte. Tränen glitzerten in ihren Augen. Sie nahm eines der beiden Fotos an sich.
"Was ist mit Warren passiert?", fragte sie.
"Er ist ums Leben gekommen, als er ein Attentat im Yachthafen von Laurence Harbour verübte. Vielleicht haben Sie in den Frühnachrichten davon gehört. Eine Luxusyacht wurde dabei mit Hilfe einer Bazooka in die Luft gejagt. Dutzende von Personen sind ums Leben gekommen..."
"Warren...", flüsterte sie. "Ich kann nicht glauben, dass er in so etwas verwickelt war."
"Er war nicht nur verwickelt", mischte sich jetzt Milo in das Gespräch ein. "Er war sogar einer der beiden Haupttäter. Daran besteht überhaupt kein Zweifel."
Doretta Tomlin atmete tief durch, gab das Foto zurück, ließ sich in einen der Sessel fallen. Ihr Blick wirkte in sich gekehrt. Die Tränen verwischten ihr Make-up.
"Bitte lassen Sie mich jetzt allein", murmelte sie.
Aber so leicht konnten wir es ihr jetzt nicht machen.
Schließlich war diese junge Frau eine der wenigen Informationsquellen, was die beiden Killer betraf.
"Es tut mir leid, Miss Tomlin, aber wir müssen noch einige Dinge von Ihnen wissen. Es besteht schließlich auch die Möglichkeit, dass Sie etwas mit dem Anschlag zu tun haben", erklärte Milo.
Eine gezielte Provokation, um sie aus der Reserve zu locken. Wir wechselten einen kurzen Blick miteinander.
Eigentlich glaubten weder Milo noch ich ernsthaft daran, dass wir es hier etwa mit der Auftraggeberin des Anschlags zu tun hatten.
Andererseits war das nur so ein Gefühl.
Und in der Polizeiarbeit fährt man einfach besser, wenn man auf harte Fakten setzt.
"Sehen Sie mich etwa als Verdächtige an?", fuhr Doretta Tomlin nach kurzer Pause auf.
Sie wischte sich hastig die Tränen aus den Augen.
"Sie haben mit einem der Killer telefoniert, und zwar wenige Minuten bevor dieser eine Bazooka abgefeuert hatte. Dafür gibt es Beweise, an denen sich nicht rütteln lässt."
"Ich habe Warren nicht erreicht."
"Das sagen Sie. Der Telefonkontakt kam aber laut Anrufliste der Mobilfunkgesellschaft zustande", erwiderte Milo kühl.
Milo hatte eine Kopie der Anrufliste dabei. Doretta Tomlins Nummer war mit Textmarker gekennzeichnet. "Die Verbindung kam zu Stande..."
"Ja, das mag sein."
Milo fuhr fort: "Nur Augenblicke später hat dieser Warren, wie Sie ihn nennen, mit einer Bazooka auf eine Gruppe von Menschen und eine Luxusyacht geschossen."
Doretta Tomlin schluchzte auf. "Ich habe damit nichts zu tun!", beteuerte sie.
"Sagen Sie uns, wie es war", forderte ich.
"Ich wollte Warren anrufen, weil wir uns gestritten hatten. Er war den ganzen Tag über nicht zu erreichen, weil er wohl sein Handy abgestellt hatte. Na ja, wenn es stimmt, was Sie sagen, hatte ich wohl einen unpassenden Moment erwischt..."
"Er war Ihr Freund?"
"Ja. Wir kannten uns seit einem Monat."
"Wie lautete sein voller Name?"
"Warren Anderson."
"Wissen Sie, wo er wohnte?"
"Nein."
"Was soll das heißen?"
"Er hat in den letzten Wochen bei mir gewohnt."
"Wo haben Sie sich kennen gelernt?"
"In der Sunset Table Dance Bar am Madison Square. Ich arbeite dort."
"Verstehe."
"Er lud mich zu einem Drink ein. Normalerweise gehe ich auf so etwas nie ein, aber da war irgendetwas an ihm, das mich sofort angezogen hat. Ich weiß auch nicht... Warren sagte, er sei neu in New York und hätte noch keine Wohnung. Er übernachtete in einem Hotel am Broadway. Ich weiß den Namen nicht mehr. Wir trafen uns öfter, gingen zusammen aus und..."
"...schließlich landete er hier bei Ihnen", vollendete ich.
"Ja."
Ihre Stimme klang tonlos.
Tiefes Entsetzen stand in ihrem Gesicht.
"Sie haben nicht gewusst, dass er ein Berufskiller war?"
"Ich kann das noch immer nicht begreifen", flüsterte sie. "Mir gegenüber war er der zärtlichste Mensch, den man sich denken kann."
"Haben Sie eine Ahnung, für wen er gearbeitet haben könnte?", fragte ich.
"Nein." Sie schüttelte energisch den Kopf.
"Haben Sie mal mitgekriegt, mit wem er sich getroffen oder mit wem er telefoniert hat?"
"Nein, tut mir leid."
"Hat er jemals von Ihrem Apparat aus telefoniert?"
"Ja, natürlich! Mister Trevellian, wir haben hier zusammen gelebt!"
Ich nickte, wechselte einen kurzen Blick mit Milo. Diese junge Frau war ziemlich am Ende. "Wir werden uns eine Liste der von Ihrem Anschluss aus angenommenen Gespräche geben lassen, Milo."
"Ja, vielleicht sind wir dann schlauer", antwortete Milo. Er wandte sich an Doretta Tomlin. "Hat Warren Anderson noch Sachen hier?"
"Einen Handkoffer. Mehr hatte er nicht bei sich."
Es klingelte an der Tür.
Doretta Tomlin erhob sich, schien zur Tür gehen zu wollen. Doch sie machte nur einen Schritt, zögerte dann.
Angst leuchtete in ihren Augen. Pure Angst.
Sie hat uns nicht die volle Wahrheit gesagt!, wurde es mir in dieser Sekunde schlagartig klar.
Einen Augenblick sagte niemand ein Wort.
"Erwarten Sie Besuch?", fragte ich an Doretta Tomlin gewandt.
Sie schüttelte den Kopf.
"Nein..."
Es klingelte ein zweites Mal.
Milo und ich zogen unsere SIGs.
Ich wollte Doretta gerade anweisen, sich aus dem eventuellen Schussfeld zu begeben, als die Tür mit einem wuchtigen Tritt geöffnet wurde. Doretta Tomlin hatte die Kette nicht wieder vorgehängt, nachdem wir eingetreten waren. Warum auch. In Anwesenheit von zwei G-men sollte man sich eigentlich sicher fühlen.
Die Tür flog zur Seite.
Ein breitschultriger Kerl mit Baseball-Kappe stand in der Tür. Mit beiden Händen hielt er eine Automatik mit aufgesetztem Schalldämpfer und Laserzielerfassung.
Der rote Strahl des konzentrierten Laserlichts tanzte durch die Luft.
Etwa zwei Meter hinter ihm auf dem Flur sah ich einen zweiten Mann. Er hatte einen dunklen Teint. Ein schwarzer Vollbart bedeckte den Großteil seines Gesichts.
Der Mann mit der Baseballkappe feuerte ohne auch nur eine Sekunde zögern.
Ich warf mich zur Seite, riss Doretta dabei mit mir zu Boden. Milo warf sich auch hin, suchte hinter einem Sessel Deckung.
Es machte mehrmals hintereinander "Plop!".
Die