"So ein zermatschtes G-man-Hirn kann uns ganz schön in Schwierigkeiten bringen, du Arsch! Ich habe sieben Jahre Rikers Island hinter mir und keine Lust auf eine Verlängerung!"
Ich zuckte lässig die Achseln, zog mir dabei die nietenbesetzten fingerlosen Lederhandschuhe zurecht. Die Nieten hätte ich einem Typen wie Skull-Face gerne ins Gesicht gehämmert, aber dazu war jetzt einfach nicht der passende Moment.
"Ich sagte: Keine Sorge", wiederholte ich mich und deutete auf Milo. "Ich sorge dafür, dass der Dreck hier weggeräumt wird. Ihr könnt euch ruhig schon verziehen. Wir sehen uns später, Amigos!"
Die Biker wechselten etwas irritierte Blicke.
"Du brauchst wirklich keine Hilfe, Jesse?", vergewisserte sich Lunie.
Ich schüttelte den Kopf.
"Nein."
"Aber..."
"Besser ihr wisst nicht, wo ich die morschen Knochen dieses G-man verschwinden lasse. Dann kann sich auch keiner von euch verplappern, wenn diese Brüder euch doch mal in die Mangel nehmen und irgendein District Attorney euch das Blaue vom Himmel verspricht, wenn ihr singt!"
Lunie schien mit dieser Erklärung zufrieden zu sein.
"Verziehen wir uns!", meinte er, setzte sich seinen Helm auf und startete seine Maschine. Die anderen folgten seinem Beispiel.
Nur Skull-Face zögerte noch.
Er bedachte mich mit einem schwer deutbaren Blick.
"Irgendetwas stimmt mit dir nicht, Jesse!"
"Ach, ja?"
"Ich habe es im Urin! Du bist nicht echt. Scheiße, ich kann nicht sagen, was es ist, aber irgendetwas stört mich an deiner Visage!"
Er gab mir keine Gelegenheit, ihm zu antworten. Mit seiner Harley legte er einen Blitzstart hin und brauste davon. Es dauerte nur Augenblicke und die ganze Gang hatte das ehemalige Firmengelände der in Konkurs gegangenen Papierfabrik "Sounders & Buchheim Quality Paper Ltd." verlassen.
Ich wartete einige Augenblicke, bis ich sicher war, dass sie wirklich weg waren.
Ich packte Milo an den Armen, zog seinen schlaffen Körper über den Boden in Richtung von einer der großen Lagerhallen. Das große Wellblechtor war dermaßen verrostet, dass wahrscheinlich die Kraft eines Bulldozers vonnöten gewesen wäre, um sie nur ein paar Zentimeter zur Seite zu schieben.
Aber gleich daneben befand sich eine Tür für den Personalzugang. Und die stand halb offen.
Ich zog Milo ins Innere der Halle.
Es roch erbärmlich dort.
Riesige Rollen mit vor sich hin schimmelndem Papier waren hier zu finden. In der Deckenverglasung fehlten einige Scheiben, sodass es munter hereinregnen konnte.
Ich legte Milo ab.
Sah ihm ins blutüberströmte Gesicht.
Tätschelte ihm die Wange und wischte mir die Hand an der Jeans ab.
"Die Show ist vorbei! Du kannst die Augen aufmachen!"
"Wenn ich die Augen aufmache, kriege ich dieses verfluchte Film-Blut hinein, Jesse!"
"Ist doch garantiert unschädlich! Selbst für die Schleimhäute!"
"Du musstest dich mit dem Zeug ja auch nicht einschmieren, Jesse!"
"Nun mach mal halblang, Milo!"
Ich reichte ihm ein Taschentuch. Er begann, sich das Film-Blut aus dem Gesicht zu reiben und grinste. "Hat gut geklappt, was?"
"Wir haben an der Nummer ja auch lange geübt, Milo!"
"Einen so überzeugenden Stunt soll uns erst einmal einer nachmachen!"
Schritte ließen mich aufhorchen.
Unsere FBI-Kollegen Clive Caravaggio und Orry Medina kamen hinter den gewaltigen, zum Teil mehr als mannshohen Papierrollen hervor.
Clive Caravaggio hob den Daumen.
"Alles in Ordnung, Jesse! Die Nummer hat perfekt geklappt."
Ich atmete tief durch, begann damit, die Platzpatronen meiner SIG gegen echte Munition auszutauschen. Denn wenn ich das nächste Mal mit den Devvilish Demons zusammentraf, konnte es gut sein, dass ich die Waffe für etwas anderes als eine Schauspieleinlage brauchte.
Orry Medina, unser indianischer FBI-Kollege, meldete sich zu Wort und nahm dabei sein Headset vom Kopf, über das er mit den anderen Kollegen in Verbindung stand, die sonst noch an diesem Einsatz beteiligt waren. "Glaub mir, Jesse, diese Devvilish Demons machen dich noch zu ihrem Boss! Wer so cool und ohne mit der Wimper zu zucken einen G-man umnietet, der ist doch wie geschaffen für so einen Job..."
Was die Bezahlung anging, konnte man da schon ins Grübeln kommen.
Schließlich war die Harley, auf der ich gesessen hatte, eine Leihgabe unserer Fahrbereitschaft, während die meisten der Devvilish Demons sogar mehrere dieser Feuerstühle ihr Eigen nannten. Alles finanziert aus den Gewinnen, die sie aus dem Handel mit Kokain und Crack zogen.
Ein Staatsdiener wie ich konnte von derartigen Reichtümern nur träumen.
Aber dafür befand ich mich auf der richtigen Seite jener Grenze zwischen Recht und Unrecht, von der die Devvilish Demons wohl gar nicht mehr wussten, dass sie überhaupt existierte.
Sie kontrollierten den Drogenhandel in einigen Straßenzügen der South Bronx. Das allein unterschied sie noch nicht von Dutzenden anderer Gangs, die ihr jeweiliges Gebiet als eine Art Königreich betrachteten.
Die Kollegen der DEA und der City Police kämpften so gut es ging gegen dieses Unwesen an.
Aber die meisten dieser Gang-Leute stellten nur die unterste Schicht im organisierten Verbrechen dar.
Handlanger für das Grobe, mehr waren sie meistens nicht.
Sie gingen das größte Risiko ein, gefasst zu werden, während die eigentlichen Hintermänner im Verborgenen blieben. An diese Hintermänner kam die Justiz oft nicht heran. Mir drehte sich jedes mal der Magen um, wenn ich mitbekam, dass solche Leute ihren Reichtum völlig unbehelligt auf Long Island oder den New Yorker Nobel-Clubs genossen. Ein Reichtum, der sich auf dem Elend der Crack-Süchtigen gründete, die wie lebende Leichen in den verfallenden Straßen der South Bronx dahinvegetierten. Ein Leben im Dreck, das ihnen nicht den Hauch einer Hoffnung ließ.
Aber die Weiße-Kragen-Bosse kümmerte das nicht.
Genauso wenig, wie es sie interessierte, dass ihre Laufburschen zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden oder sogar die Todeszellen füllten.
Aber die Devvilish Demons unterschieden sich in ein paar Punkten von den anderen Gangs.
Es gab keine andere vergleichbare Gruppe, die sich derzeit im Dschungel der South Bronx mit ähnlicher Rücksichtslosigkeit durchsetzte.
Leichen pflasterten den Weg dieser Bike-vernarrten Killer.
Innerhalb von wenigen Monaten hatten sie die Ausdehnung ihres Gebietes verfünffacht.
Ihre Gegner hatten sich entweder unterworfen oder man konnte sie in den gerichtsmedizinischen Bulletins des Coroners nachlesen, was mit ihnen geschehen war.
Außerdem hatten wir Grund zu der Annahme, dass die Devvilish Demons eine sehr starke auswärtige Organisation in ihrem Rücken hatte. Ein Syndikat. Irgendjemand, der seinen Einfluss in der New Yorker Unterwelt ausdehnen wollte. Und das mit Methoden, die selbst für die Maßstäbe der Cosa Nostra oder des kolumbianischen Drogenkartells außerordentlich brutal waren.
Unseren Erkenntnissen nach gab es kaum Zweifel daran, dass eine Reihe von Morden unter puertoricanischen und schwarzen Drogendealern auf das Konto dieser Gang zu buchen war.
Das passte zu der Annahme,