denken zu können. Ich trat näher an ihn heran. Er sah mich an. Sein Gesicht war zu einer Maske der Wut geworden. Immer noch rann das Blut in Strömen aus seiner Nase. Ich nahm an, dass sie gebrochen war.
"Du Bastard!", zischte Skull-Face zwischen den Zähnen hindurch.
"Du hast Glück gehabt!", erwiderte ich.
"So?"
"Ja, ich habe heute meinen netten Tag. Deshalb lebst du noch."
"Was hindert dich daran, mich jetzt noch umzunieten. Na los, worauf wartest du? Bring es schon hinter dich!"
Ich schüttelte den Kopf.
"Wenn es sich vermeiden lässt, töte ich keinen Gang-Bruder!"
"Pah!", machte Skull-Face. Verachtung spiegelte sich in seinen Zügen. "Du bist kein Gang-Bruder! Nicht für mich!"
Ich setzte ihm die SIG an die Schläfe.
Er wagte es nicht, auch nur etwas heftiger zu atmen. Ich durchsuchte ihn mit der Linken, holte ein Springmesser hervor und ein paar Briefchen mit Koks. Die nahm ich an mich. "Das Zeug nehme ich als Schadensersatz für die Verwüstung, die du hier angestellt hast, du Scheißkerl. Und jetzt verschwinde. Und lass dich nie wieder dabei erwischen, meine Möbel aufzuschlitzen, wenn du alt werden willst!"
Er taumelte aus der Wohnung heraus.
Eigentlich hätte er in den Knast gehört. Er hatte versucht, mich umzubringen. Schon das reichte für einige Jahre auf Rikers Island. Liebend gern hätte ich ihm die Handschellen angelegt. Aber Skull-Face war nur ein kleiner Fisch. Und meine Aufgabe war es, nicht Laufburschen wie ihn festzusetzen, sondern an die großen Haie heranzukommen.
Ich war einfach zu dicht davor, um diesen Erfolg jetzt gefährden zu wollen.
Du hast jetzt allerdings einen gnadenlosen Feind!, warnte mich eine Stimme aus dem Hinterkopf. Skull-Face wird dir an die Gurgel gehen, sobald er die Gelegenheit dazu hat!
6
ICH INFORMIERTE MISTER McKee per Handy über die Auseinandersetzung mit Skull-Face.
"Hat dieser Kerl irgendetwas gegen Sie in der Hand, Jesse?", fragte der Chef. "Bitte denken Sie nach!"
"Nein, das glaube ich nicht. In der Wohnung kann er nichts gefunden haben, was mich hätte enttarnen können."
"Aber Sie sagten, dass er offensichtlich einen Verdacht gegen Sie hatte!"
"In erster Linie kann er mich wohl schlicht und ergreifend nicht leiden und sucht jetzt verzweifelt nach irgendetwas, was mich in Misskredit bringen könnte."
"Eine Fehleinschätzung in dieser Frage könnte Ihnen das Leben kosten, Jesse."
Ich war mir dieser Tatsache durchaus bewusst. Die ganze Operation stand auf dem Spiel. Aber ich wollte diese Sache zu Ende bringen. Zu lange waren wir den Hintermännern der Devvilish Demons schon auf den Fersen. Ziemlich erfolglos bislang. Und wenn wir jetzt keinen Erfolg hatten, würde es ziemlich lange dauern, bis wir das nächste Mal die Chance erhielten, einen Einblick in jene geheimnisvolle Organisation zu gewinnen, die so geschickt aus dem Verborgenen heraus operierte.
Wenn ich verbrannt war, dauerte es erst einmal Wochen oder gar Monate, bis ein neuer Undercover-Agent in die Reihen der Gang eingeschleust war. Dieser Zeitraum war eher höher anzusetzen. Die Demons würden vermutlich in diesem Fall besondere Vorsicht walten lassen.
"Ich bin dafür, alles nach Plan laufen zu lassen, Mister McKee."
"In diesem Fall möchte ich das ungern anordnen, Jesse. Sie tragen das Risiko und halten Ihren Hals hin."
"Und ich sage, dass wir das Ding durchziehen. Sir, was auch immer dieser Skull-Face vermuten mag, für einen FBI-Agenten dürfte er mich zuletzt halten."
"Sind Sie sicher?"
"Ich schätze, er hofft insgeheim, mich als Maulwurf der Konkurrenz entlarven zu können, um auf diese Weise bei King Ghost Punkte zu machen. Skull-Face will mich ausbooten, aber dieses Vorhaben ist erst mal gescheitert."
Ich hörte Mister McKees Seufzen durch den Handy-Lautsprecher.
"Sie sind wild entschlossen, was?"
"Das schätzen Sie richtig ein, Chef."
"Seien Sie vorsichtig. Wir werden so weit wie möglich in Ihrer Nähe sein, ohne Ihre Tarnung in Gefahr zu bringen."
"Okay. Ich verlasse mich auf Sie."
Mir war vollkommen klar, dass ein Tanz auf der Rasierklinge vor mir lag.
7
EINEN TAG SPÄTER BEKAM ich einen Anruf von King Ghost. Er meldete sich nicht mit seinem Namen, sondern sagte nur, wann und wo er mich brauchte. Ich sollte nicht ohne Schießeisen antanzen und um 22 Uhr bei unserem üblichen Treffpunkt eintreffen, dem "Devvils Club".
Ich war pünktlich.
Die meisten anderen, die an dieser Aktion teilnehmen sollten, waren bereits eingetroffen. Auch Skull-Face gehörte dazu. Seine Nase war bandagiert. Er machte einen knurrigen Eindruck, wich meinem Blick aus. Ich fragte mich, was er den anderen Gang-Mitgliedern wohl über unser letztes Zusammentreffen erzählt hatte.
King Ghost traf als letzter ein.
Wie üblich fuhr er sein aufgemotztes Trike.
Er stieg von der Maschine und musterte uns einen nach dem anderen.
Etwa ein Dutzend Mann nahmen an dieser Sache teil.
Hier und da sah ich abgesägte Shot Guns oder eine Uzi.
"Unser Job findet im Yachthafen von Laurence Harbour, New Jersey statt!", erklärte der Anführer der Devvilish Demons. "Unsere Aufgabe ist sehr einfach: Wir sollen dafür sorgen, dass zwei Männer sich ungestört treffen können. Davon hängt ab, wie unsere Geschäfte in Zukunft laufen. Also gebt euch Mühe, es ist euer eigener Vorteil!"
Geraune entstand.
"Was ist das für ein Typ, der uns engagiert hat?", fragte ich. "Ist das der Kerl, der dafür sorgt, dass wir immer genügend Koks haben?"
King Ghost lächelte kühl.
Er trat auf mich zu, musterte mich.
"Scheiße, Mann, du fragst zuviel, Jesse. Das musst du dir noch abgewöhnen, wenn du es zu was bringen willst!" Dann fiel ihm Skull-Faces bandagierte Nase auf. Er grinste. "Was ist denn mit dir passiert?"
"Kleiner Unfall!", knurrte Skull-Face