Peter Griese

Perry Rhodan 1263: Die Freibeuter von Erendyra


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du wohl vergessen hast. ›Ein TSUNAMI kommt selten allein!‹ Und außerdem hat 113 kein ATG. Er muss irgendwo im Normalraum sein. Er kann sich nicht verstecken.«

      »Mir ist es egal, was du meinst«, ließ auch Jennifer ihrem Ärger freien Lauf. »Ich finde es jedenfalls eine Frechheit, wie du Path behandelst. Sie wollte dir nur einen freundlichen Hinweis geben.«

      »Entschuldigung!« Der Smiler lenkte ein und warf Path einen Blick des Bedauerns zu. »Ich bin einfach verärgert, weil wir auf der Stelle treten.«

      Die Gesichtszüge des Anti-Mädchens glätteten sich. Sie winkte ab.

      »Das sind wir alle, Tek«, meinte sie. »Aber wir kommen doch nicht weiter, wenn wir uns deswegen gegenseitig Vorwürfe machen.«

      Die Sechzehnjährige stammte vom Anti-Planeten Trakarat des Aptut-Systems. Mit Pholo und Myrtaks Baal, ihren Eltern, und ihrem zwei Jahre älteren Bruder Bonemes war sie unter wenig glücklichen Verhältnissen aufgewachsen. Die innere Bindung in dieser vierköpfigen Familie hatte gefehlt, und diese Gefühlsarmut hatte bei Path zu einer seltsamen Entwicklung geführt.

      Die Diagnose, die ein terranischer Psychologe gestellt hatte, als Perry Rhodan Path zur Erde gebracht hatte, hatte dies deutlich gemacht. Jennifer Thyron, selbst Fremdrassen-Psychologin, konnte diese Aussagen nach den Erfahrungen, die sie in den letzten Wochen mit Path gemacht hatte, nur bestätigen.

      In der Familie Baal gab es vier Einzelwesen und nur äußerliche Bindungen zwischen diesen. Pholo Baal hatte sich schon früh aus dem Berufsleben zurückgezogen. Er frönte seiner einzigen Neigung, und die bestand darin, von früh bis spät vor den Bildern seines 3-D-Kubus zu hocken und den Sendungen der verschiedenen Kanäle zu folgen. Sein ganz besonderes Interesse galt dabei den Nachrichtensendungen. Für seine Frau oder die beiden Kinder hatte er kaum einmal ein freundliches Wort parat.

      Mutter Baal hatte sich diesem Gebaren ihres Mannes ziemlich kommentarlos untergeordnet und ihr Heil in der Küche gesucht. Sie ging damit Streitigkeiten mit Pholo zwar aus dem Weg, aber das hatte auch dazu geführt, dass die beiden heranwachsenden Kinder sich immer mehr isoliert gefühlt hatten.

      Zwischen Path und Bonemes gab es noch eine teilweise Übereinstimmung, aber diese war eigentlich auch nur äußerlich und ohne jede wirkliche Zuneigung. Die Abneigung des Mädchens gegen die »Glotzerei« ihres Vaters war so stark geworden, dass sie zu einer psychischen Störung geführt hatte. Da sie zudem die Jüngste in der Familie war, hatte es ihr stets an Möglichkeiten gefehlt, ihrem Ärger freien Lauf zu lassen. Sie hatte nie ein Ventil besessen, durch das sie ihre angestauten Emotionen hätte auslassen können.

      Reaktionen des Unterbewusstseins waren die Folge davon gewesen. Path hatte sich zu einer introvertierten Einzelgängerin entwickelt, die viele normale Dinge des täglichen Lebens verachtete. Aber auch auf ihre Launen, ihre bisweilen durchbrechenden Frechheiten oder ihr unstetes Wesen hatten die Eltern nie gezielt reagiert. Vater Baal hatte im Gegenteil von ihr verlangt, öfter den Sendungen seines heißgeliebten 3-D-Kubus zu folgen, weil das ihr angeblich Zerstreuung bieten würde.

      Dass dem Mädchen nur eins fehlte, nämlich wahre Elternliebe, hatte keiner erkannt – nicht einmal Path selbst, denn dafür war sie zu jung. Geborgenheit und menschliche Zuneigung waren für sie Begriffe, die sie nur kannte, aber nicht mit Inhalt füllen konnte.

      In ihrer Gefühlsverarmung hatte sich Path zeitweise in ihr Hobby Holografie geflüchtet. Sie hatte sich eine eigene Welt mit Definitionen aufgebaut. Eine Holografie war für sie ein Bild, ein Hologramm jedoch sollte real sein. Und unter »real« verstand sie genau das, was dieses Wort bedeutete: materielle Wirklichkeit.

      Unter dem psychischen Druck ihres Unterbewusstseins hatte sie eine Fähigkeit entwickelt, in der ihre Gedankenbilder zu wirklicher Materie werden konnten. Aus der anfänglich unbewussten Spielerei war bitterer Ernst geworden, als die Endlose Armada in die Milchstraße gekommen war und die Armada-Einheit 3017 mit dem führenden Volk der Saskroojer ins Aptut-System.

      In ihr hatte sich – auch mehr unbewusst – die fixe Idee entwickelt, Perry Rhodan nach Trakarat zu locken, um diesem zu verdeutlichen, dass er sich mehr um die Einzelschicksale der Milchstraßenbewohner zu kümmern habe als um die Endlose Armada, die Aktivierung der Chronofossilien oder den Dekalog der Elemente.

      Mit ihrer erwachten Fähigkeit, Gedankenbilder real werden zu lassen, hatte sie Trakarat in Angst und Schrecken versetzt, ohne dass auch nur irgend jemand ahnen konnte, wer der Urheber war. In konsequenter Logik hatten die verantwortlichen Antis die Geschehnisse den Saskroojern angelastet, die sich jedoch zunächst aus dem für sie ebenfalls unbegreiflichen Gang der Dinge vollkommen herausgehalten hatten.

      Die Kunde von den unbegreiflichen Ereignissen war bis zu Perry Rhodan auf der BASIS gedrungen, und der Terraner war tatsächlich ins Aptut-System geeilt, um selbst nach dem Rechten zu sehen. Dies war durch Taurec begünstigt worden, der Rhodan dringend davon abgeraten hatte, seinem Drang nach Terra zu folgen.

      Path hatte auf Trakarat Perry Rhodan auf ungewöhnliche Weise ihre Fähigkeiten demonstriert. Als sich die Sache aber aufgeklärt hatte, hatte der Terraner Verständnis für das Mädchen gezeigt, das ihn nicht nur gewaltig an der Nase herumgeführt, sondern auch buchstäblich auf diese hatte fallen lassen.

      Pathythia Baal drohte eine Bestrafung durch die Anti-Behörden, weil sie unerlaubte Experimente mit schweren Folgen durchgeführt hatte. Die Antis hätten alles darangesetzt, um sie von ihrer seltsamen Begabung zu »heilen«.

      Das war nicht in Rhodans Sinn gewesen, und so hatte er das Mädchen kurzerhand mitgenommen. Pathythias Eltern hatten dies mit Gleichmut und Unverständnis, aber ohne Widerspruch zur Kenntnis genommen.

      Später hatte Rhodan auf Terra das Mädchen in die Obhut Jennifer Thyrons übergeben. Von dort war sie zu den Vironauten um Ronald Tekener gestoßen und mit diesen in Richtung ESTARTU aufgebrochen.

      In den folgenden Monaten hatte sich Path unter der unauffälligen Führung Jennifers den neuen Lebensverhältnissen gut angepasst. Sie verspürte zum ersten Mal wirkliche menschliche Wärme, und in der Fremdrassen-Psychologin besaß sie einen Gesprächspartner, mit dem sie stundenlang diskutieren konnte, ohne dass dieser die Gelassenheit verlor.

      Für ihre rasche Weiterentwicklung und die Stabilisierung ihres inneren Gleichgewichts spielten aber auch andere Punkte eine Rolle.

      Die Begegnung mit Perry Rhodan hatte in ihr einen Schock ausgelöst, denn sie hatte nie wirklich daran geglaubt, dass der Terraner nach Trakarat eilen würde, um sich mit ihren lächerlichen Problemen zu befassen. Durch die ewigen Redereien ihres Vaters hatte sie Rhodan für unnahbar, ja fast für irreal gehalten. Dieser Glaube war entmystifiziert worden, und das hatte ihr geholfen.

      Aber auch das Fernweh, das so viele Galaktiker ergriffen hatte, hatte vor ihr nicht haltgemacht. Es war ihr leichtgefallen, alle Bande zur Heimat zu zerreißen und ein neues Leben zu beginnen. Wirklich wichtig daran war vor allem, dass sie sich nicht mehr allein fühlte.

      Durch diese Ereignisse hatte sie viel von ihrer jugendlichen Aufsässigkeit und ihrem eigenbrötlerischen Gehabe verloren. Ein neues Selbstbewusstsein war in ihr erwacht. Man wollte sie haben! Und mehr noch: Jennifer Thyron machte kein Hehl daraus, dass ihre Fähigkeit, Realhologramme zu erzeugen, unter Umständen äußerst wertvoll sein konnte. Teks Lebensgefährtin hatte keine Probleme gehabt, Path das Gefühl zu vermitteln, dass man sie auch brauchte.

      Einen Haken hatte die ganze Sache dennoch. Mit der Beruhigung des Gefühlslebens des Anti-Mädchens war dessen Fähigkeit, Hologramme allein durch ihren Willen zu erzeugen, gemindert worden. Versuche, die Path allein und fast heimlich mit Jennifer Thyron durchgeführt hatte, hatten gezeigt, dass sie problemlos holografische Bilder herstellen konnte. Ob sie jedoch wieder in der Lage sein würde, echt-materielle Hologramme zu schaffen, musste die Zukunft zeigen.

      »Du bist eine Realholografin«, hatte Jennifer mehrfach behauptet. Sie hatte zweifelnde Blicke geerntet, und sie war sich selbst auch nicht darüber im Klaren gewesen, ob diese Aussage nicht nur ihrem Wunschdenken entsprungen war.

      Äußerlich hatte sich Path nicht verändert. Sie war noch immer das überschlanke Mädchen mit blasser Hautfarbe, 1,65