H.G. Ewers

Perry Rhodan 654: Das Mondgehirn denkt anders


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Grund dafür war, dass vor längerer Zeit einmal der terranische Raumkapitän Guy Nelson Latos vor einer Annexion durch die Gataser bewahrt und Frieden gestiftet hatte. Aus diesem Grund hatte Perry Rhodan mich nach Latos geschickt, um behutsam vorzufühlen, ob die Blues geneigt waren, geheime diplomatische Beziehungen zum Solaren Imperium aufzunehmen.

      Denn im Grund genommen standen wir auf ein und derselben Seite. Nur wussten die Blues das vielleicht noch nicht, denn die Laren hatten dafür gesorgt, dass Perry Rhodan in den Geruch des ehrgeizigen Diktators kam, der mit Hilfe der Laren endlich sein Ziel, die absolute Macht über die Völker der Milchstraße zu erringen, erreicht hatte. Die Blues konnten nicht wissen, dass Rhodan sich nur deshalb zum »Ersten Hetran der Milchstraße« hatte machen lassen, um einer kriegerischen Konfrontation mit den technisch hoch überlegenen Laren vorzubeugen und im stillen zu ergründen, welche Gründe die Laren tatsächlich zu ihrem Eingreifen in die politische Entwicklung der Milchstraße getrieben hatten.

      »Dein Whisky wird warm«, sagte Angel, und die Stimme klang so zärtlich wie die einer verliebten Frau. Es war wirklich schwer, sich daran zu erinnern, dass Angel nichts anderes als der Egosektor einer Positronik war.

      Ich musste unwillkürlich ironisch lächeln, nahm das Glas und leerte es.

      »Danke, mein Engel«, sagte ich. »Ohne dich wäre das Leben eines a-Marsianers wirklich trist.«

      »Wenn du wieder bei Dalaimoc Rorvic bist, wird es unterhaltsamer sein«, stichelte Angel, mich an die ständigen Reibereien erinnernd, die die Zusammenarbeit zwischen dem fetten tibetischen Mutanten und mir kennzeichneten.

      »Spiel etwas Träumerisches, damit ich nicht an das Scheusal denke!«, bat ich.

      Gleich darauf umschmeichelten zarte Klänge meine Sinne, entrückten mich der Wirklichkeit und ließen mich davon träumen, wieder daheim zwischen den Sandhügeln des Mars zu stehen.

      Angels Stimme riss mich jäh aus diesem Traum. Während die Musik gedämpft wurde, sagte sie: »Der Verband vor uns ist in den Normalraum zurückgekehrt. Ich folge ihm.«

      »Einverstanden«, erwiderte ich. Doch da stürzten wir bereits von einem Augenblick zum anderen in die vertraute Lichtfülle des vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums zurück.

      »Lak-Süy liegt nur noch siebzehn Lichtstunden voraus«, meldete der Egosektor. »Die SVE-Raumer halten genau darauf zu. Ich empfange starke funktechnische Aktivität von den Blues.«

      Ich sprang vom Sessel auf und stand unbeweglich da, als mir meine ganze Ohnmacht bewusst wurde. Was immer sich dort draußen anbahnte, ich konnte nichts anderes tun, als hilflos zusehen und abwarten.

      Resigniert ließ ich mich wieder in meinen Sessel sinken. Eine Stunde später meldete Angel, dass starke Verbände von diskusförmigen Bluesraumschiffen Lak-Süy verließen und den SVE-Raumern der Laren entgegenflogen.

      Danach verging abermals fast eine Stunde, dann trafen die Einheiten der Laren und der Blues zusammen. Die Blues schossen nicht direkt auf die SVE-Raumer, sondern legten mit ihren Strahlgeschützen lediglich einen Sperrriegel vor den anfliegenden Verband.

      Aber die Laren reagierten so, als wären sie direkt angegriffen worden. Sie feuerten gezielt auf die Diskusschiffe, deren Schutzschirme viel zu schwach waren, um diesem Feuer lange standzuhalten. Innerhalb weniger Minuten wurden rund dreitausend Bluesschiffe vernichtet. Der jämmerliche Rest zerstob in alle Winde.

      Meine Vermutung, die Laren würden nunmehr den Stützpunktplaneten Lak-Süy angreifen, bewahrheitete sich jedoch nicht. Die SVE-Raumer drehten ab, beschleunigten und verschwanden wieder im Linearraum.

      »Sie wollten nur vernichten!«, stieß ich empört hervor. »Sie haben nur provoziert, um die Bluesschiffe in den Raum zu locken und dann sinnlos zusammenzuschießen.«

      »Nicht sinnlos, Tatcher«, erwiderte Angel. »Der Sinn für die Laren bestand offenbar darin, vorzuexerzieren, dass sie jede ›Unbotmäßigkeit‹ unnachsichtig bestrafen werden. Die ›Unbotmäßigkeit‹ der Blues bestand in diesem Falle darin, dass sie die SVE-Raumer am Anflug auf ihren Stützpunkt hindern wollten.«

      »Das war Mord, Angel«, gab ich mit halberstickter Stimme zurück. »Brutaler Mord, Angel!«

      »Es war leider nicht die einzige Aktion dieser Art«, erklärte Angel. »Ich empfange laufend Hyperfunksprüche der Blues, in denen von gleichartigen Aktionen berichtet wird. Auf der galaktischen Eastside müssen in den letzten Stunden mehr als fünfzigtausend Kampfschiffe der Blues vernichtet worden sein.«

      »Mehr als fünfzigtausend!«, sagte ich tonlos. Ich dachte dabei nicht an die Raumschiffe, sondern an ihre Besatzungen, deren Leben ausgelöscht worden war.

      »Wir müssen etwas unternehmen, Angel«, erklärte ich, nachdem ich mich wieder einigermaßen gefasst hatte. »Wie heißt doch diese Veteranenwelt, von der aus Raumkapitän Nelson einst Kontakt zu den Latosern aufgenommen haben soll?«

      »Last Port«, antwortete Angel.

      »Kennst du die Koordinaten?«

      »Selbstverständlich, Tatcher.«

      Ich holte tief Luft.

      »Dann fliegen wir nach Last Port – und zwar so schnell wie möglich!«, erklärte ich fest.

      *

      Vor der letzten Linearetappe auf dem Flug nach Last Port ließ ich die VISION ein verlängertes Orientierungsmanöver durchführen, damit wir anhand der aufgefangenen Hyperfunksprüche der Blues einen einigermaßen brauchbaren Überblick von der Lage auf der Eastside erhielten.

      Das Ergebnis überstieg meine schlimmsten Befürchtungen. Mindestens hunderttausend Raumschiffe der Blues waren vernichtet worden, darunter zirka zehntausend Handelsschiffe. Aber wenigstens stellten sich die Bluesflotten den Laren nicht mehr, sondern zerstreuten sich und zogen sich in schwer zugängliche Raumsektoren zurück. Die Planeten der Blues blieben unangetastet.

      Während der letzten Flugetappe versuchte ich zu schlafen, aber ich fand keine Ruhe. Als ich es schweißgebadet aufgab und in die Zentrale zurückkehrte, befand sich die VISION gerade im Landeanflug auf den Planeten Last Port.

      Last Port war ein erdähnlicher Planet in einem frappierend solähnlichen System. Er hatte sogar einen Mond namens Aladin, der dem Erdmond verblüffend glich.

      Die Raum-Boden-Verbindung war aktiviert, und auf dem Bildschirm konnte ich das Gesicht eines kahlköpfigen Alten sehen.

      »Hier spricht die Landekontrolle Gin Shop«, sagte er in nörgelndem Tonfall. »Ich rufe die VISION. Nennen Sie mir die Gründe für Ihre Ankunft, damit ich das entsprechende Formular ausfüllen kann!«

      »Gin Shop!«, rief ich. »Was soll das? Ich denke, mein Schiff fliegt den größten Raumhafen von Last Port an.«

      Der Alte lachte meckernd.

      »Und der heißt eben Gin Shop«, erklärte er. »Wer sind Sie? Schalten Sie Ihre Bilderfassung ein, damit ich Sie sehen kann!«

      Ich schaltete meine Bilderfassung ein.

      »Nein, wie hässlich!«, entfuhr es dem Greis. »Sind Sie etwa auch ein Pensionär der Flotte?«

      »Nein, ich bin Captain Tatcher a Hainu, und zwar aktiver Captain«, erklärte ich. »Und ich sehe nicht hässlich aus, sondern bin eine Schönheit in den Augen aller Marsianer der a-Klasse. Unterrichten Sie bitte Ihre Regierung darüber, dass ich einige maßgebende Herren dringend sprechen muss.«

      »Warum, Captain?«, fragte der Alte.

      »Geheimsache«, wehrte ich ab.

      Er brummelte etwas vor sich hin, kratzte sich hinter dem Ohr und meinte schließlich: »Einverstanden, Captain a Hainu. Ich werde Oma Casswitz und Romeo Lombardi Bescheid sagen. Und erklären Sie Ihrer Mannschaft, sie soll auf dem rotumrandeten Besucherfeld landen.«

      »Ich werde es Angel sagen«, erwiderte ich.

      Er riss die Augen auf.

      »Wem?«