H.G. Ewers

Perry Rhodan 332: Kampf um den Neptunmond


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doch die Wirkung der Fernheizung nicht, oder ...?« murmelte Cronot.

      Perish warf seinem Vater einen kurzen Seitenblick zu, dann kratzte er sich gedankenverloren die Schädeldecke, die bei ihm im Unterschied zu allen anderen Oxtornern von dichtem, flachsblondem Haar bedeckt war.

      »Das werden wir jedenfalls nicht erfahren, wenn wir nicht die alte Lemurerstadt untersuchen. Auf alle Fälle dürfte es nicht weniger ungewöhnlich sein, daß es im Innern dieses Mondes Wasser gibt, Wasser, das trotz der geringen Schwerkraft erst bei hundert Grad Celsius siedet.«

      Er starrte düster auf den Weg.

      »Ich wollte, wir hätten das Sperrgitter einfach zusammengefahren. Wer weiß – vielleicht greift OLD MAN doch Neptun und seine Monde an. In diesem Fall würden wir keine Chance besitzen, die Stadt zu untersuchen.«

      »Fahr langsamer«, riet ihm sein Vater. »Wir kommen jetzt auf den Hauptverkehrsstrang, und ich möchte es möglichst vermeiden, einen Verkehrsunfall zu verursachen.«

      Perish bremste gehorsam ab.

      Sekunden später schoß die Superschildkröte in eine spiralige Auffahrt hinein, verzögerte dabei ihre Geschwindigkeit noch mehr und glitt rasselnd und summend auf die achtspurige Verbindungsstraße zwischen der Stadt Tritona und den Materiewandlern des gigantischen Umformerwerkes auf dem Südpol des Neptunmondes. Triton deckte den gesamten Bedarf der Erde und der übrigen solaren Industrieplaneten mit Kupfer, obwohl dieses Metall von Natur aus nur in geringen Mengen vorkam. Aber die von den Posbis übernommene Technik der Materieumformung machte die Menschheit unabhängig von natürlichen Erzvorkommen.

      Seit rund achtunddreißig Jahren arbeiteten Schürfrobots in immer größerer Zahl auf Triton, schabten die Oberfläche gleichmäßig ab und schütteten das taube Felsgeröll auf energetische Förderbänder, die strahlenförmig von den Schürfstellen zu dem einzigen Umformerwerk verliefen. Gigantische Materiewandler formten die atomare Struktur des Gesteins um – und aus den heißen Mäulern der Ausstoßkomplexe kamen die quaderförmigen Kupferrohlinge von je einer Tonne Erdgewicht hervor.

      Auf der subtritonschen Verbindungsstraße übernahm eine Leitpositronik die Steuerung der Superschildkröte. Sie schaltete sich in das Robotsegment des Fahrzeuges ein und dirigierte den schweren Wagen auf die langsame Außenbahn, damit er nicht mit den vorbeirasenden Transportgleitern kollidierte.

      Außer den beiden Oxtornern befanden sich keine Menschen auf diesem Verkehrsstrang. Die Kupfertransporter fuhren ausnahmslos robotgesteuert, und die Ablösung der Kontrollmannschaft des Umformerwerkes war erst in drei Stunden fällig.

      Perish Mokart zog mit einem Ruck seine beiden leichten, geschmeidigen Terkoplaststiefel aus und kratzte sich unter den Fußsohlen.

      »Ah! Das tut gut!« ächzte er.

      Sein Vater sah ihn besorgt an.

      »Was hast du? Phantomschmerzen?«

      »Nein, Phantomjucken.«

      Perish grinste und sah zu, wie seine Zehen sich bewegten. Sie waren, obwohl sie genau wie normale Zehen reagierten, nicht seine Zehen – wie es auch nicht seine Beine waren, mit denen er lief. Von der Mitte beider Oberschenkel an trug der oxtornische Kosmohistoriker Brutplasmaprothesen, organische Gebilde, die nach der Vorlage seines Gen-Kodes aus synthetischem Bioplasma gezüchtet worden waren. Eigentlich sollten sie absolut identisch sein mit den Beinen, die er während eines Einsatzes verloren hatte. Aber hin und wieder hatte er das Gefühl, als handle es sich um Fremdkörper – und die Erinnerung seiner Nervenfasern an die früheren Beine erzeugte dann ein Phantomjucken oder -zerren, das ihn glauben ließ, vier Beine zu besitzen. Er nahm es allerdings nicht tragisch.

      »Ich habe dich damals gleich gewarnt«, sagte Cronot Mokart mürrisch, »als du unbedingt zur USO gehen wolltest. Aber du hörtest ja nicht auf mich. Und was hast du nun davon? Zwei künstliche Beine und eine Schädeldecke aus MV-Leichtstahl mit einer lächerlich behaarten Biohaut darüber!«

      Unwillkürlich faßte sich Perish an seinen Haarschopf. Im Grunde genommen war der regelwidrige Haarwuchs das einzige, was ihn an seiner künstlichen Schädeldecke störte. Ein echter Oxtorner durfte einfach kein Haupthaar besitzen!

      »Laß nur, Vater. Besser unpassende Haare auf der Schädeldecke als überhaupt keine Schädeldecke mehr. Wenn der Akone damals etwas tiefer gehalten hätte, wäre sogar den besten USO-Medizinern keine Hilfe mehr möglich gewesen.«

      »Man hat dich gegen diese akonische Geheimorganisation angesetzt, gegen die Condos Vasac, nicht wahr ...?«

      Perish zuckte die Schultern.

      »Darüber darf ich nicht sprechen, Vater.«

      »Unfug!« fuhr Cronot ihn an. »Geheimniskrämerei! Dieses Komplott mit Croton Manor und der Condos Vasac ist kaum ein paar Tage her. Es dürfte noch mehr Leuten als mir die Augen über den Kampf hinter den Kulissen geöffnet haben. Glücklicherweise haben sich die Reporter von Terrania-Television durch keine Rücksichten abhalten lassen, die Liquidierung des Marsstützpunktes der Condos Vasac zu filmen.«

      Perish lachte leise.

      Er zündete sich eine Zigarette an und reichte seinem Vater Feuer, als dieser eine gestopfte Pfeife hervorholte.

      »Die Reportage wäre ohne Einverständnis der Galaktischen Abwehr niemals gesendet worden, Dad. Im übrigen möchte ich die zehn Jahre bei der USO nicht missen. Vielleicht melde ich mich später einmal wieder zum Dienst.«

      »Den Teufel wirst du ...!« knurrte Cronot und stieß dichte Rauchwolken aus.

      »Du bist eben schon ein wenig verkalkt«, spöttelte Perish gutmütig.

      Cronot holte aus, besann sich dann aber anders.

      Er grinste.

      »Verkalkt! Nun höre sich einer diesen Bengel an! Ich mit meinen achtundsechzig Jahren könnte mit den Lausejungen in eurem Verein immer noch konkurrieren. Wetten, daß der Lordadmiral mich einstellen würde, wenn ich mich bewürbe?«

      Perish lachte lauthals.

      »Wie ich dich kenne, würdest du das niemals tun. Dafür bist du viel zu sehr mit deiner Arbeit verwachsen. Vor allem jetzt, wo wir eine fünfzigtausend Jahre alte Fluchtsiedlung der Lemurer untersuchen können.«

      »Wenn wir dürften!« fügte Cronot Mokart ironisch hinzu.

      »Ich stauche diesen General aus seiner Uniform, wenn er uns nicht läßt!« schimpfte Perish erbittert.

      »Das wirst du bleiben lassen«, wies sein Vater ihn zurecht. »Aber jetzt solltest du lieber aufpassen. Wir verlassen gleich den Fernsteuerbereich.«

      Perish Mokart blickte hoch und sah die Hinweisschilder unter der Decke.

      Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus und umfaßte die beiden Lenkknüppel. Sein Fuß suchte das Beschleunigungspedal.

      Gleich darauf stieg die Straße an. Ein Gewirr von Abzweigungen huschte vorüber. Die Kupfertransporter verschwanden in den hell erleuchteten Schlünden der Tunnels, die zu den Lagerhallen des Raumhafens Tritona führten.

      Und plötzlich donnerte die Superschildkröte zwischen den offenen Panzerschotten des Stadteingangs hindurch.

      Hoch über ihr wölbte sich die transparente Kuppel der Stadtzone B von Tritona – und darüber schwamm düsterrot drohend der gigantische Ball des Planeten Neptun in der Schwärze des Raumes ...

      *

      Perish Mokart stoppte vor dem hochragenden Palast aus Glas und Plastik, in dem die Militärkommandantur Triton untergebracht war.

      Die beiden schwerbewaffneten Posten vor dem Eingangsportal deuteten darauf hin, daß auf dem größten Neptunmond der Ausnahmezustand herrschte; normalerweise wurde die Kommandantur nicht bewacht.

      »Wir möchten General Ifros sprechen!« sagte Cronot Mokart zu dem Ranghöchsten der beiden Raumsoldaten, einem Leutnant.

      Der Offizier bat die Oxtorner, zu warten