lange Reihen spitzer Zähne frei. Zugleich fühlte er sich hochgehoben.
Er schrie ... schrie, bis sich alle zähe Nässe aus seinen Atemwegen löste und die eisige Kälte tief in ihn eindrang ...
Grek-665½ reagierte verwirrt. Obwohl er hastig den Wasserstoff durch die Lungenschläuche pumpte, hatte er das beklemmende Gefühl, ersticken zu müssen. Der Vorrat an Atemluft ging schneller als erwartet zu Ende.
Wasserstoffmangel führte zu Halluzinationen. Hatte er eben seine Geburt nacherlebt, an die sich kein Maahk wirklich erinnern konnte? Er musste vorübergehend ohne Besinnung gewesen sein, vielleicht ausgelöst durch das langsame Absterben von Gehirnzellen. Aber warum war er aus der Bewusstlosigkeit aufgewacht, und woher kam die Kälte?
Die Helmscheibe hatte unter der direkten Sonneneinstrahlung eine milchige Konsistenz angenommen, um eine Blendung zu verhindern. Grek-665½ blinzelte in die trübe Helligkeit. Hoch über ihm drehte der Planet Chemtenz als schmale Sichel seine Bahn. Das Streulicht in der Atmosphäre und unvermindert tobende Brände ließen die Nachtseite nicht völlig in Schwärze versinken.
Langsam fraß sich ein grelles Flackern in Greks Bewusstsein vor.
Druckverlust!
Er registrierte das fauchende Geräusch, mit dem der Wasserstoff ausströmte. Sein Anzug hatte ein Leck.
Panik hinderte ihn sekundenlang daran, dagegen vorzugehen. Erst als er erkannte, dass der LemSim den beeinträchtigenden Hormonstoß ausgelöst hatte, überwand er seine Verwirrung.
Das Leck befand sich an seinem rechten Handrücken. Mit einem kurzen Korrekturschub drehte er sich mit dem Rücken zur Sonne, woraufhin sich der Blendschutz des Helms zurückbildete. Das Loch war für den Reparaturmechanismus zu groß. Ein Mikrometeorit musste ihn gestreift haben, ein wenige Millimeter durchmessendes Staubkorn, das anschließend innerhalb eines Sekundenbruchteils in der Atmosphäre des Planeten verglüht war. Es hatte den Anzug nur angekratzt, aber der Schaden war beträchtlich. Einen glatten Durchschlag hätte der Reparaturmechanismus besser verkraftet.
Wahrscheinlich strömte der kostbare Wasserstoff schon minutenlang aus. Fast einen Finger breit klafften die Ränder des Lecks auseinander. Grek-665½ spürte, dass ihm erneut die Sinne zu schwinden begannen. Er war müde und wollte nur noch schlafen. Es kostete ihn einige Anstrengung, mit der Linken die Ränder des Lecks zusammenzudrücken. Dann konnte er sehen, wie das Gewebe Blasen werfend aufwallte und eine neue Verbindung schuf. Mikroskopische Siliziumfasern erzeugten ein stabiles Gerüst, jener Grundstoff, der auch Haut und Skelett eines Maahks entscheidend prägte.
Er durfte weiterleben. Für kurze Zeit wenigstens. Ein Blick auf die Anzeige des Luftvorrats zeigte ihm, dass ihm nicht mehr als drei Standardstunden blieben. Vielleicht wäre es besser gewesen, er hätte das Leck nicht abgedichtet.
Grek-665½ fürchtete den Tod nicht. Ich habe ihn bislang nicht gefürchtet, fügte er in Gedanken hinzu. Da war ein dumpfes, fast unmerkliches Pochen am Übergang vom Kopf zum Körper. Er spürte es nur, wenn er sich darauf konzentrierte. Das war genau die Stelle, an der ihm der LemSim implantiert worden war.
Der Simulator begann, sein Leben durcheinander zu bringen. Vieles von dem, was bislang unumstößlich gewesen war, schien plötzlich in Frage gestellt. Grek scheute den Tod. Weil er nicht wusste, was danach kaum. Die Logik sagte ihm, dass der Tod endgültig sein musste, dass das Leben nur in einem perfekten Zusammenspiel vielfältigster Botenstoffe bestand, die von einer funktionierenden Energieversorgung abhingen.
Menschliches Empfinden sah diese Zusammenhänge anders, war wie ein schleichendes Gift, das Zweifel weckte.
Grek-665½ hatte sich auf das bislang einmalige Experiment mit dem Simulator eingelassen, weil es ihm wichtig erschienen war, eines Tages die Denkstrukturen der Giftgas atmenden Lemurer-Abkömmlinge nachvollziehen zu können. Er hatte nicht in Erwägung gezogen, dass die Stärke ihrer Empfindungen nachteilig sein würde. Sonst hätte er auf einer Möglichkeit bestanden, den LemSim jederzeit abschalten zu können.
Die Furcht, die er ansatzweise empfand, war ihm fremd. Sie verwirrte ihn. Aber gerade das konnte nicht der biologische Grund ihrer Existenz sein. Menschen empfanden in Todessituationen Furcht, weit intensiver, als er in diesem Augenblick, doch sie reagierten dann nur selten verwirrt. Grek-665½ knirschte mit den Zähnen. Dein Einfluss ist begrenzt, LemSim, dachte er rein sachlich. In längstens drei terranischen Standardstunden wirst du mein Denken nicht mehr beeinträchtigen.
Das Experiment war kein Fehlschlag. Aber es war auch noch nicht geglückt. Ihm hatte einfach viel zu wenig Zeit zur Verfügung gestanden, um wirklich verwertbare Ergebnisse erzielen zu können. Nach wenigen Wochen verstand Grek-665½ die Terraner nicht besser als zuvor, erschienen sie ihm immer noch fremd, wenngleich er schlaglichtartig zu spüren glaubte, was sie bewegte. Wahrscheinlich hätte er für ein wirklich repräsentatives Urteil jahrelang unter ihnen leben müssen – Jahre, die ihm nicht mehr vergönnt waren.
Nur noch wenige Stunden ...
Grek-665½ überprüfte den abgehenden Notruf. Der Syntron wiederholte das Peilsignal in einer Endlosschleife. Aber die Signale waren nur lichtschnell, sie würden das Kraltmock-System erst verlassen, wenn er das letzte Wasserstoffatom längst eingeatmet hatte.
Grek-665½ spürte die Einsamkeit. Zum ersten Mal in seinem Leben.
Kapitel 3
Bordzeit Spürkreuzer JOURNEE, 20. März 1312 NGZ
Eine angespannte Atmosphäre beherrschte die Zentrale. Viel zu lange lagen die beiden Schiffe schon nebeneinander und im leeren Raum wie auf dem Präsentierteller. Obwohl niemand es aussprach, befürchtete wohl jeder, dass noch im letzten Moment der Rettungsaktion Kastun-Kriegsschiffe aus dem Hyperraum hervorbrechen und das Feuer eröffnen würden. Die JOURNEE hatte dann vielleicht noch eine Chance, den Angreifern zu entrinnen, nicht aber der schwer in Mitleidenschaft gezogene Raumfrachter ILKIN, auf dem die letzten Überlebenden des Planeten Cyrdan unter desolaten Zuständen auf ihre endgültige Rettung hofften.
Die Gesichter der Zentralecrew sprachen Bände. Verbissen zählten die Männer und Frauen des Spürkreuzers die letzten Minuten.
»Hochenergieanker geschlossen, Traktorstrahlen aktiviert und justiert. Die ILKIN sitzt so fest, als wäre sie mit uns verschweißt.«
»Beschleunigung mit zehn Prozent beginnt – jetzt!«
Einige wenige Anzeigen veränderten sich. Auf den Holoschirmen waren Details des Frachters zu sehen, unter anderem die schweren Schäden, die der Beschuss der Kastuns hinterlassen hatte. Die ILKIN war nur um Haaresbreite der Vernichtung entgangen. Wären die Angreifer einige Millionen Kilometer näher gewesen, hätte es keine Überlebenden gegeben.
Wie durch ein Wunder hatte der Überlichtantrieb des Frachters den Angriff überstanden. Nicht hingegen die Normaltriebwerke. Die Aussagen der Techniker widersprachen sich – die einen fürchteten Energierückschläge aus den Impulstriebwerken, die anderen behaupteten, dass eine mäßige Beschleunigung möglich sei. Einig waren sie sich nur darin, dass die ILKIN die für den Übertritt in den Hyperraum erforderliche halbe Lichtgeschwindigkeit aus eigener Kraft nicht erreichen konnte.
Aus einem leichten Flimmern heraus verdichtete sich das lebensgroße Hologramm der Tefroderin Laretha Mongath. Die resolute Kommandantin des Frachters blickte sich suchend um, bis sie Perry Rhodan entdeckte.
»Dein Team hat gute Arbeit geleistet, Perry«, sagte sie überlaut. »Die geflickten Absorber zeigen nicht die geringste Unregelmäßigkeit. Gehen wir über zu Phase Zwei! Je eher unsere Passagiere wieder festen Boden unter den Füßen haben, desto besser für uns alle.«
Phase Zwei bedeutete etwas mehr als die Verdoppelung der Anfangsbeschleunigung, mit 280 Kilometern im Sekundenquadrat für die JOURNEE immer noch ein lächerlich geringer Wert. 1339 Kilometer pro Sekundenquadrat betrug die maximale Beschleunigung, aus dem Stand heraus erreichte der Spürkreuzer den Überlichteintritt also schon nach knapp 113 Sekunden.
Rhodan nickte