funktionierte. Ein TSUNAMI-Team musste also stets in großer Nähe zueinander agieren.
Eine weitere Besonderheit war das positronische System dieser Schiffe. Neben der eigentlichen Schiffspositronik gab es eine zweite, den Koko-Interpreter, der lapidar als Koko bezeichnet wurde. Seine Aufgabe bestand vor allem darin, permanent alle Arbeiten unter dem Aspekt der entgegengesetzt angenommenen Voraussetzungen zu überprüfen. Dadurch ergab sich eine nie zuvor erreichte Flexibilität. Der Koko rechnete stets mit dem Unwahrscheinlichsten und bereitete für den akuten Fall entsprechende Widerstände vor. Solange alles normal verlief, schwieg der Koko-Interpreter. Erst wenn im routinemäßigen Ablauf einer Operation Handlungen aufgrund von gefährlichen Unwahrscheinlichkeiten erforderlich wurden, meldete sich der Koko, stufte jede Tatsache zunächst als Unwahrheit ein und zog daraus die Folgerungen. Für die Interpretation dieser Warnungen war ein Spezialist erforderlich, den man offiziell Koko-Interpreter nannte. Im Sprachgebrauch der TSUNAMI-Besatzung hieß diese Person scherzhaft der Lügendoktor.
Die Spezialflotte TSUNAMI war nur wenigen Eingeweihten bekannt.
Im Fall Marcel Boulmeester sah Julian Tifflor die Notwendigkeit eines TSUNAMI-Einsatzes. Der Erste Terraner erhielt von Perry Rhodan die Freigabe für zwei Schiffe.
Für die Augen eines unbedarften Beobachters hob ein terranisches Schiff der STAR-Klasse vom Raumhafen auf Ferrol im Wegasystem ab und verschwand kurz darauf im Linearraum.
Ich dachte noch einmal darüber nach, was der Erste Terraner gesagt hatte. Verflixt knapp waren seine Äußerungen geblieben, und womöglich war mein »Kapiert« etwas zu früh gefallen.
Nach einer Weile schaltete ich die Bildverbindung wieder ein und sah mich in der Höhle um. Im ersten Moment erkannte ich Boulmeester gar nicht wieder. Die Kleidung hing zerschlissen an ihm, der größte Teil des Stoffes hatte sich aufgelöst.
Der sichtbar gewordene Körper schimmerte in einem sanften blauen Schein, der nicht nur von der Beleuchtung in der Pilzhöhle kam, vielmehr hatte ehemalige Haut einen metallischen Glanz angenommen.
Gerade riss sich der Fünfte Bote die Kleidungsfetzen vom Leib. Er sah jetzt aus wie ein halborganischer Roboter, und er bewegte sich mit einer Schnelligkeit, der ich kaum folgen konnte. Schließlich blickte er geradewegs in die Aufnahmeoptik.
»Deininger!« Seine Stimme klang blechern, drohend hob er die Fäuste. »Ich weiß, dass du mich beobachtest, ich kontrolliere durch ein Subsystem deine Kamera. Wann kommt das Raumschiff, das mich zum Mond bringt?«
Er hatte also einige Brutzellen aus dem Körper entlassen. Dass er meine Beobachtungsmöglichkeiten damit prüfte, störte mich nicht. Über die Funkverbindung gab es bestimmt keine Infektionsgefahr.
Was mir hingegen Sorgen machte, war Quiupu. Ich konnte ihn nirgends entdecken.
»Ich habe ein Schiff angefordert, und mir wurde von Terra zugesichert, dass du freien Flug hast. Nur darf Quiupu nichts geschehen. Wo ist er?«
Der positronische Mensch lachte höhnisch. Er verschwand hinter einer Felssäule, und als er wieder zum Vorschein kam, hielt er Quiupu unter dem Arm. Angesichts der Schwerelosigkeit in der Höhle war das keine besondere Leistung, mich verblüffte nur erneut die Schnelligkeit, mit der Boulmeester agierte.
Der Fünfte Bote fasste in Quiupus schwarzes Haar und zog seinen Kopf zurück. Ich sah ein Halsband, das aus Metall sein musste und allem Anschein nach sehr straff saß.
»Die Manschette besteht aus einer Ansammlung von meinen Zellen«, sagte Boulmeester. »Sie zieht sich zusammen, wenn ich es will oder wenn mir etwas zustößt.«
Ich hätte damit rechnen müssen, dass er jeden Vorteil suchte.
»Das Raumschiff, das mich zum Mond bringt, darf keine Besatzung haben«, forderte er weiter. »Ich will ein positronisch gelenktes Schiff. Quiupu wird mich begleiten. Sobald du jemanden über die Manschette informierst, wird er vernichtet.«
»In Ordnung. Ich melde mich, sobald das Schiff eintrifft.« Etwas Besseres fiel mir nicht ein, ich unterbrach die Verbindung.
Es war zwar unwahrscheinlich, dass Boulmeester meinen Funkverkehr überwachen konnte, ganz ausschließen durfte ich das aber nicht, schließlich stand Quiupus Leben auf dem Spiel. Deshalb unternahm ich nichts, um das HQ Hanse über die veränderte Situation zu informieren. Meine Meldung an den Ersten Terraner fiel dementsprechend kurz aus und besagte nur, dass ich den verwandelten Wissenschaftler informiert hatte.
»Ich glaube, er besteht nur noch aus Brutzellen. Er ist eine wandelnde menschliche Positronik«, schloss ich.
»Gibt es außerdem vielleicht etwas, das wir wissen sollten?«, fragte Julian Tifflor.
»Eigentlich nicht«, antwortete ich.
Der Koko-Interpreter des TSUNAMI-81 wertete auf seine Weise den Inhalt des Funkverkehrs aus und legte dabei zugrunde, dass der Hanse-Spezialist auf Outpost-4271 unter dem Einfluss des Kybernetikers Marcel Boulmeester stand. Ebenso berücksichtigte er die Möglichkeit, dass Deininger bewusst besondere Gegebenheiten verschwieg und dass Quiupu nicht mehr am Leben sein könnte.
Während die Besatzung des TSUNAMI mit der Hanse-Station Kontakt aufnahm, rechnete der Koko und kalkulierte die unmöglichsten Varianten und Voraussetzungen. Seine Folgerung, die er dem Koko-Interpreter mitteilte, war, dass unter allen Umständen mindestens ein Besatzungsmitglied an Bord des TSUNAMI bleiben musste.
Die Hauptpositronik hatte inzwischen mit der Schiffsführung alle Vorbereitungen für die Übernahme des positronischen Menschen getroffen. Dass jemand an Bord zurückbleiben sollte, war dabei nicht vorgesehen.
Der Kommandant traf eine Entscheidung, die den Forderungen beider Positroniken gerecht wurde. Als sich der TSUNAMI-81 auf weniger als eine Lichtsekunde der Outpost-Station genähert hatte, wechselte die Mannschaft über den ATG-Transmitter zum TSUNAMI-80 über, der seit dem Verlassen des Wegasystems dem Schwesterschiff unsichtbar gefolgt war.
Die Anweisungen des Fünften Boten kamen präzise. Ich durfte diesen Gegner keinesfalls unterschätzen. »Du öffnest jetzt die Höhle, ich komme mit Quiupu in die Zentrale. Das Raumschiff soll ein Beiboot zur Station schicken, um Quiupu und mich aufzunehmen. Du bleibst in der Station. Der Positronik des Schiffes teilst du mit, dass ich ihren Funkverkehr durch körpereigene Systeme überwachen kann. Sobald ich kodierte Nachrichten erkenne, stirbt Quiupu. Das Gleiche tritt ein, falls Quiupu sich mehr als zwei Meter von mir entfernt und ebenso, sollte sich noch ein Mensch an Bord des Schiffes befinden.«
Sicher hatte er mir nicht alle seine Überlegungen mitgeteilt. Ich musste befürchten, dass er mich als zweite Geisel nehmen würde, also traf ich vorbeugende Schritte.
Ich öffnete den Hauptzugang zur Plantage, zog meinen Raumanzug an und verließ die Station durch eine Notschleuse. Aus der Deckung eines Felsens in unmittelbarer Nähe der Station sah ich, dass ein kleines Beiboot anlegte. Kurz darauf verließ der Fünfte Bote mit Quiupu unter dem Arm die Anlage.
Das Beiboot flog zum Mutterschiff zurück.
Plötzlich erklang eine Stimme im Helmempfang. »Agent Deininger! Hier spricht der Koko-Interpreter des TSUNAMI-81. Außerordentlicher Notfall. Alle Systeme des Schiffes werden von dem positronischen Wesen übernommen. Bringe dich in Sicherheit, denn Outpost wird vernichtet. Informiere den ...« Die Warnung brach abrupt ab.
Eine Falle konnte ich in dieser Nachricht kaum vermuten. Also schaltete ich den Antrieb meines Raumanzugs auf volle Leistung und jagte hinaus in die Schwärze des Alls. Als der erste Energiestrahl aufflammte, schaltete ich den Individualschirm meines Raumanzugs ein.
Während der Asteroid in einer Gluthölle auseinanderbrach, empfand ich tiefen Schmerz. Es war schade um meine schönen Pilze, vor allem würde ich Ärger mit den Abnehmern auf Terra bekommen.
Schließlich waren da nur mehr Trümmer der Station und des Felsbrockens. Das Raumschiff entfernte sich.
Nun war ich zum ersten Mal richtig einsam, doch es dauerte keine halbe Stunde, bis ein terranisches Schiff mich auffischte. Ich erfuhr, dass der Fünfte Bote alle Überwachungsmechanismen